Werder Bremen musste nach dem enttäuschenden 0:0 im Hinspiel der Bundesliga Relegation den schweren Gang zum Rückspiel gegen den 1. FC Heidenheim antreten. Die... Analyse: Werder Bremen mit dem Happy End in der Relegation

Werder Bremen musste nach dem enttäuschenden 0:0 im Hinspiel der Bundesliga Relegation den schweren Gang zum Rückspiel gegen den 1. FC Heidenheim antreten. Die Elf von Trainer Florian Kohfeldt war gefordert ein anderes Gesicht zu zeigen als noch im Heimspiel. Heidenheim verteidigte im Weserstadion konsequent. Aufgrund der Tatsache, dass ihnen selbst allerdings ebenfalls kein Tor gelang standen auch sie vor der Aufgabe Offensivakzente zu setzen.
Beide Mannschaften mussten also taktische Anpassungen vornehmen, um zum Erfolg zu kommen. Im Vorfeld der Partie durfte man gespannt sein, wie diese Anpassungen aussehen würden. Es sollte vor allem aus taktischer Sicht ein hochinteressantes Spiel werden.

Traumstart macht Werder das Leben leichter

Im Vergleich zum Hinspiel gab es drei Änderungen in der Startaufstellung der Gäste. Für den gesperrten Niklas Moisander rückte Ludwig Augustinsson in die Mannschaft. Statt Philipp Bargfrede durfte Kevin Vogt ran und an vorderster Front ersetzte Josh Sargeant Niklas Füllkrug. An der Grundformation änderte Kohfeldt nichts, es blieb bei der 4-Raute-2-Grundordnung. Vogt bekleidete die Sechser-Position, ÖFB-Legionär Marco Friedl rückte in die Innenverteidigung und Ludwig Augustinsson nahm Friedls Position als Linksverteidiger ein.

Heidenheim-Trainer Frank Schmidt hingegen entschied sich für eine Änderung der Formation. Dieses Mal sollten seine Schützlinge in einer 4-2-2-2-Grundordnung antreten. Jonas Föhrenbach, Kapitän Marc Schnatterer und Robert Leipertz rutschten in die Startelf. Die beiden Letztgenannten nahmen die äußeren Positionen im Mittelfeld ein, Föhrenbach wurde als Linksverteidiger ins Rennen geschickt.

Im Gegensatz zum Hinspiel begann die Heimelf von Anfang an im Angriffspressing, um den Gegner bereits früh im Spielaufbau zu stören. Das war der zu Beginn wohl eklatanteste Unterschied zum Hinspiel. Man durfte gespannt sein, welche Lösungen Werder für diese Adaption der Heidenheimer parat hatte.
Die Strategien hinter den beiden Grundformationen sollten jedoch bald über den Haufen geworfen werden, da die Gäste aus Bremen bereits in der 3. Minute mit 0:1 in Führung gingen. Marco Friedl war es, der mit der Spieleröffnung über den sogenannten ‚langen Fuß‘ – sprich die Ballannahme mit dem vom Gegenspieler weiter entfernten Fuß – die erste gegnerische Pressinglinie brechen konnte. Im Mitteldrittel sollten die beiden Achter Davy Klaassen und Maximilian Eggestein mit ihrer Positionierung wieder Räume für Zehner Yuya Osako schaffen – wie es bereits im Hinspiel der Fall war. So positionierte sich Klaassen im ballnahen Halbraum und Eggestein im Zentrum, allerdings eher in Richtung ballferner Halbraum. Durch die erneut mannorientierte Herangehensweise der Heidenheimer im Zentrum war die Passlinie von Friedl auf Osako frei. Der Japaner konnte aufdrehen und auf den nachrückenden Eggestein weiterleiten. Das Zuspiel Eggesteins in die Spitze kam aufgrund eines technischen Fehlers zwar nicht an. Allerdings gingen gleich drei Spieler sofort ins Gegenpressing, wodurch Heidenheim-Verteidiger Norman Theuerkauf zu einem Eigentor gezwungen wurde. Das erzielte Auswärtstor bedeutete eine Riesenerleichterung für Werder Bremen zu diesem Zeitpunkt.


Friedl (32) kann durch die Ballannahme mit dem ‚langen Fuß‘ die erste Pressinglinie mit einem Dribbling überwinden. Klaassen (30) und Eggestein (35) positionieren sich so, dass die Passlinie ins Zentrum auf Osako (8) völlig frei ist. Osako und Eggestein spielen die 2 gegen 1-Überzahl gegen Dorsch (36) aus. Nach dem vermeintlichen Ballverlust am gegnerischen 16er gehen Eggestein, Rashica (7) und Sargeant (19) sofort ins Gegenpressing über und erzwingen so das Eigentor.

Beide Trainer mit mehreren taktischen Adaptionen

Gleich nach dem Gegentor nahm Heidenheim-Trainer Schmidt taktische Änderungen vor. Die Grundformation wurde in ein 5-3-2 umgewandelt, mit Schnatterer und Föhrenbach als Wingbacks. Leipertz rutschte vom linken Mittelfeld auf die halbrechte Achterposition. Somit kehrte Heidenheim gegen den Ball zu einer ähnlichen Grundordnung zurück wie im Hinspiel, nach wie vor mit dem Unterschied, dass der FCH weiterhin höher presste als in den ersten 90 Minuten.
Schmidts Pendant Florian Kohfeldt ließ sich nicht lange bitten und adaptierte die Grundordnung seiner Mannen von 4-Raute-2 auf ein 4-3-3 mit Osako, Sargeant und Milot Rashica im Angriff. Gegen den Ball wollte man so eine 3 gegen 3-Gleichzahl in der ersten Pressinglinie gegen die Dreierkette der Heidenheimer herstellen. Gegen den Ball wollte man eine weitere Mannorientierung beim Gegner provozieren und sich dadurch auf der ballfernen Seite sehr breit positionieren, um die gegnerische Dreierkette auseinanderzuziehen und die Schnittstellen für die nachrückenden Achter so groß wie möglich zu machen.

Direkt nach dem Führungstreffer der Hanseaten folgte eine etwas wildere Phase mit vielen Zweikämpfen, Schnittbällen und Einwürfen. Ein geordneter Ballvortrag war bei keiner Mannschaft zu erkennen. Die Gäste allerdings waren nach Ballverlusten hellwach, konnten den Ball meist sehr schnell zurückerobern und kamen so auch zu einer weiteren Chance als Rashica mit einem Distanzschuss an Heidenheim-Keeper Kevin Müller scheiterte.

Bremen überlasst dem Gegner das Spiel

Werder war anfangs bemüht, das Spiel von hinten behutsam aufzubauen, wie es bereits im Hinspiel der Fall war. Dieses Mal tat man dem Gegner allerdings nicht den Gefallen, die Außenverteidiger in den Ballvortrag zu inkludieren, da dies ein Pressingtrigger der Heidenheimer war. Die Bremer hatten aus dem Hinspiel gelernt, als man sich durch das Zuspiel Innenverteidiger-Außenverteidiger oft selbst unter Druck brachte. Werder war sich nicht zu schade, aus der Innenverteidigung heraus immer wieder gezielte Chipbälle an die letzte Linie zu Sargeant einzustreuen. Aufgrund der Ungenauigkeit dieser Chipbälle bzw. der Stärke der gegnerischen Innenverteidiger in den Luftduellen konnte sich der amerikanische Stürmer allerdings selten durchsetzen, um die Bälle zu sichern.

Je länger die erste Halbzeit dauerte, desto eher verzichtete Werder auf einen kontinuierlichen Ballvortrag über die Innenverteidiger. Immer öfter war es bereits Keeper Jiri Pavlenka der den langen Ball auf Sargeant spielte. So kam es zu immer kürzeren Ballbesitzphasen für Werder. Hatte man nach ca. 18 Minuten noch einen Ballbesitzanteil von 73% änderte sich dies bis zum Pausenpfiff zu einem Anteil von 41%. Diese Entwicklung nahmen Kohfeldt und seine Mannen wohl allerdings bewusst in Kauf. Mit der Führung im Rücken wusste man ganz genau, dass der Gegner nun auch in der Offensive unter Zugzwang stand, immerhin mussten zwei Tore für den Aufstieg in die Bundesliga erzielt werden. Mit den langen Bällen in die Spitze, den daraus resultierenden längeren gegnerischen Ballbesitzphasen sowie dem tieferen Verteidigen im Rahmen eines Mittelfeldpressings nahm man den Heidenheimern die Möglichkeit ihre größte Stärke auszuspielen: den Konter. Darüber hinaus zählt das Kreieren von Torchancen aus dem geordneten Ballvortrag heraus nicht unbedingt zu den Stärken des FCH. So überließ Werder der Heimelf den Ball und machte ihnen mit einer kompakten 4-4-2-Formation das Leben schwer. Ziel war es, das Zentrum zu verdichten und den gegnerischen Spielaufbau nach außen zu lenken.


Sargeant (19) läuft den gegnerischen Innenverteidiger (6) so an, dass dieser den Ball nur noch zum Außenverteidiger (2) spielen kann. Dies ist das Zeichen für Klaassen (30) ins Pressing überzugehen. Währenddessen stellt der ballferne Stürmer Osako (8) den gegnerischen Sechser (18) zu. Der ballnahe zentrale Mittelfeldspieler Vogt (3) geht in eine Mannorientierung gegen den gegnerischen Achter (36) über. Der zweite zentrale Mittelfeldspieler Eggestein (35) sichert Vogt bzw. das Zentrum raumorientiert ab. Somit kann der Heidenheimer Angriff nicht über das Zentrum fortgesetzt werden.

Heidenheim-Coach Schmidt nahm noch während der ersten Halbzeit eine erneute taktische Änderung vor indem er die Dreier- wieder in eine Viererkette umwandelte, um von Grund auf mehr Spieler in höheren Positionen zur Verfügung zu haben. Im Ballbesitz ergab sich so eine 4-3-3-ähnliche Grundordnung mit Marc Schnatterer als Rechtsaußen und den beiden Stürmern Denis Thomalla und Tim Kleindienst im Zentrum. Den verwaisten linken Flügel sollte Außenverteidiger Föhrenbach bearbeiten. Somit nahm er von Grund auf eine höhere Positionierung als sein Pendant auf der rechten Seite – Ex-Bremer Marnon Busch – ein.

Die Bremer Defensive kam allerdings bis zum Pausenpfiff nie wirklich in Verlegenheit und somit ging es mit einem 0:1 in die Pause.

Erneute taktische Änderungen auf beiden Seiten

In der Pause reagierte der Heidenheimer Coach nochmals, nun auch erstmals in personeller Hinsicht. Schnatterer und Thomalla blieben in der Kabine, für sie kamen David Otto und Stefan Schimmer in die Partie. Damit einher ging eine erneute Adaption der Grundformation auf ein 4-Raute-2. Der Hintergedanke war wohl – wie so oft bei der Wahl dieser Formation – eine Überzahl im Zentrum herzustellen und die Außenverteidiger höher agieren zu lassen.

Auch Werder passte seine Taktik nochmals an, stellte auf 5-2-1-2 gegen den Ball um. Vogt rückte in die Abwehr zurück, wodurch sich nun eine Fünferkette bei den Gästen ergab. Davor verteidigten Klaassen und Eggestein als eine Art Doppelsechs, Osako vor ihnen und an vorderster Front sollten Sargeant und Rashica die ersten sein, die den Gegner im Mittelfeldpressing unter Druck setzen sollten.

Die ersten fünf Minuten nach dem Seitenwechsel sollten es in sich haben. Mit einem Distanzschuss und einer Riesenchance nach einer Ecke stellte sich der eingewechselte Heidenheimer Schimmer sofort bei seinen Gegenspielern vor. Einmal scheiterte er an Pavlenka, einmal drosch er den Ball über das Tor. Zu diesem Zeitpunkt schien Bremen mit den Gedanken noch in der sehr positiv verlaufenen ersten Halbzeit zu sein. Kurze Zeit später hatte der völlig freistehende Otto nach einer Flanke den Ausgleich am Kopf. Der Abschluss ging allerdings neben das Tor. Man hatte in dieser Phase das Gefühl, dass die abstiegsbedrohten Werderaner wieder in alte Muster zurückfallen könnten. Doch nur wenige Minuten später fanden die Gäste selbst eine Topchance vor, die sie in weiterer Folge wieder in die Spur brachte.

Heidenheim tut sich in der Offensive weiterhin schwer

Am generellen Bild des Spieles änderte sich im Vergleich zum Ende der ersten Halbzeit nicht viel, Werder ließ Heidenheim spielen und konnte nahezu alle Angriffe der Heimischen erfolgreich auf einen der beiden Flügel leiten. Der FCH versuchte sich daraufhin mit langen Diagonalbällen, um das Spiel schnell zu verlagern. Dank der Fünferkette konnte Werder allerdings die Breite des Spielfeldes gut abdecken und so auch den gegenüberliegenden Flügel ohne große Verschiebebewegungen verteidigen.

Nominell hätte Heidenheim aufgrund der beiderseitigen Formationsänderungen eine numerische Überlegenheit gehabt. Um in der ersten Aufbaulinie eine Überzahl gegen die beiden Stürmer Werders herzustellen kippte Sechser Sebastian Griesbeck allerdings des Öfteren zwischen die beiden Innenverteidiger ab. Gepaart mit der Tatsache, dass einer der drei Bremer Innenverteidiger stets konsequent aus der Fünferkette herausattackierte, um die Unterzahl im Zentrum zu kompensieren, taten sich die Heidenheimer nach wie vor schwer aus dem eigenen Ballvortrag heraus Chancen zu kreieren. Die Angriffe über den Flügel blieben, bis auf die oben erwähnte Kopfballchance von Otto, erfolglos.

Später Ausgleich lässt den FCH hoffen – Werder kontert mit dem Todesstoß

Mit Fortdauer des zweiten Durchgangs konnten sich auch die Bremer einige gute Chancen erspielen, welche allerdings allesamt ungenutzt blieben. Mit der Einwechslung von Fin Bartels ging auch eine letzte leichte Adaptierung der Grundordnung einher. Die Werderaner verteidigten von nun an im tiefen Block im 5-2-2-1. Bartels und Rashica agierten flankierten hierbei Klaassen und Eggestein. Heidenheims Sechser Griesbeck positionierte sich im Spielaufbau nun höher. Mit der Anpassung der Formation wollte Kohfeldt die Gleichzahl im Zentrum aufrechterhalten.

Der FCH tat sich weiterhin schwer sich Chancen zu erspielen und kam trotzdem in der 85. Minute zum Ausgleich. Symptomatisch für den Spielverlauf war die Tatsache, dass dieser Treffer aus einem Abstauber von Tim Kleindienst nach einem Distanzschuss des eingewechselten Tobias Mohr fiel. Den Heimischen war dies naturgemäß egal, denn es keimte neue Hoffnung auf. Sie waren nurmehr ein Tor vom ganz großen Coup entfernt. Doch wer nun glaubte, dass das Bremer Nervenflattern beginnen würde, der irrte. Die Gäste verteidigten weiterhin kompakt und konzentriert, ließen keine weitere Torchance zu. Heidenheim warf nun naturgemäß alles nach vorne – und bezahlte dies mit dem Gegentreffer zum 1:2 durch Ludwig Augustinsson. Das Relegationsduell war nun endgültig entschieden, auch wenn der FCH mit der letzten Aktion des Spiels den erneuten Ausgleich erzielte – Tim Kleindienst verwandelte einen Elfmeter.

Fazit

Aufgrund der Tatsache, dass man schlussendlich bis zum Ende zittern musste könnte man meinen, dass Werder Bremen äußerst glücklich zum Klassenerhalt kam. Ein gewisses Maß an Spielglück kann man auch nicht leugnen – man denke an das Eigentor zum 0:1 (welchem allerdings auch ein gut vorgetragener Angriff bzw. ein hervorragender Gegenpressingimpuls Werders vorausging). Doch mit einer konzentrierten Defensivleistung sowie cleveren taktischen Anpassungen von Trainer Kohfeldt kam man schlussendlich nicht unverdient zum Sieg in diesem Duell.
Für die Heidenheimer hingegen ist das Scheitern vor allem deshalb bitter, weil man keines der beiden Spiele verloren hat. Frank Schmidt hatte seinerseits ebenfalls taktisch gute Ideen, sein Widersacher auf der Trainerbank hatte jedoch stets eine passende Antwort parat. Der FCH wird sich allerdings – wie bereits direkt im Interview nach dem Spiel von Schmidt angekündigt – aufrichten und diese bittere Niederlage abschütteln. Man darf gespannt sein was in Heidenheim noch alles passieren wird.

Mario Töpel