Borussia Dortmund 2012/13: Der große Trumpf ist (wieder) die Flexibilität!
Deutschland 23.Juli.2012 Rene Maric 0
Es wird eine der zentralen Fragen für die Klopp-Elf sein, wie sie den Abgang von Shinji Kagawa kompensieren kann. Viele sehen in Marco Reus einen individuell vielleicht sogar stärkeren direkten Ersatz, doch die Möglichkeiten scheinen viel größer und die Konsequenzen der bisherigen Transferphase deutlich weitreichender. Der BVB scheint sich zu entwickeln und nicht nur an der Kadertiefe gearbeitet zu haben, sondern sich noch unberechenbarer gemacht zu haben.
Reus als prominentester Neuzugang
27 Millionen wurden bislang ausgegeben, was einem Transferplus von einer Million Euro entspricht. Mit dem Verkauf von Barrios und Kagawa wurde Geld in die Kassen gespült, welches in vier andere Spieler investiert wurde. Die größte Summe wurde in Marco Reus investiert. Der ehemalige Dortmunder Jugendspieler kehrte nach den Zwischenstationen in Ahlen und Gladbach zurück an seine alte Wirkungsstätte. Er gilt als direkter Ersatz zu Kagawa, ist technisch stark und außerordentlich dynamisch. Hinter den Spitzen kann er ebenso wie als Mittelstürmer oder offensiver Außen agieren.
Schieber als neuer Lewandowski-Ersatzmann
Ähnlich wie Julian Schieber, dem die meisten das gar nicht zutrauen würden. Auf den ersten Blick wirkt der körperlich robuste gelernte Mittelstürmer eher wie ein Angreifer der alten Schule, der sich vornehmlich auf den Strafraum konzentriert. Doch zur Not kann Schieber auch über die Seiten kommen, ist sehr schnell, ausdauernd und im Kombinationsspiel solide. Damit erfüllt er die nötigen Anforderungen für einen Dortmunder-Mittelstürmer: flexibel, in der Theorie defensivstark und bei Bedarf anspielbereit und anspielbar. Auf dem Papier somit der perfekte Ersatz für Robert Lewandowski.
Supertalent Bittencourt als Perspektivspieler
Auch im Mittelfeld wurde eingekauft. Mit Leonardo Bittencourt wurde ein herausragendes Talent verpflichtet. Er kann hinter den Spitzen oder auf den Flügeln agieren, mit etwas Reifezeit stellt er wohl auch eine Alternative auf der Doppelsechs dar. Seine Stärken liegen neben der hervorragenden Technik, dem Passspiel und Dribbling, ebenfalls im läuferischen Bereich: für sein Alter ausgesprochen ausdauernd und unnachgiebig, gepaart mit der nötigen Dynamik.
Sprung bei Leitner, Schnupperminuten für Günter?
Hinzu kommt der neue Außenverteidiger für die Bank, Oliver Kirch, der ebenso als Notnagel für das zentrale Mittelfeld und die rechte offensive Seite dient. Nicht vergessen darf man dabei, dass mit Moritz Leitner, Marvin Duksch, Mustafa Amini und Koray Günter zahlreiche riesige Talente bereitstehen. Der ausgeliehene Lasse Sobiech und Marc Hornschuh sind weitere Hoffnungsträger. Letztere beide gelten als vielversprechende Innenverteidiger, stehen aber etwas im Schatten von Günter, der als künftiger Weltklasseverteidiger gilt. Der erst 17-Jährige besticht durch seine Intelligenz und Eleganz, ist aber auch körperlich bereits sehr weit. Bei ihm ist es nur die Frage, wann sein Durchbruch kommt. Ähnlich wie bei Marvin Duksch, der für die Zukunft eine große Hoffnung im Sturm ist. Am ehesten wird in der kommenden Saison Moritz Leitner für Furore sorgen.
Leitner als Konkurrent für Gündogan?
Bereits in dieser Saison durfte er einige Spiele bestreiten und überzeugte in den meisten davon. Der 19-Jährige ist nicht nur technisch stark und dynamisch, sondern kann als Sechser offensive Impulse setzen oder hinter den Spitzen als moderner Zehner auflaufen. Wird er etwas robuster und ausdauernder, könnte er in dieser Saison Gündogan Konkurrenz machen – oder mit ihm gemeinsam eine ungeheuer kreative (Schalt)Zentrale bilden.
Wie sieht das System aus?
An der grundlegenden Formation und der Ausrichtung dürfte sich wenig bis gar nichts verändern. Beim 4-2-3-1-System, welches in Ballbesitz beibehalten wird und im organisierten Pressing zum kompakten 4-4-2 wird, dürfte ohnehin wenig Verbesserungspotenzial liegen. Es passt nicht nur zum aktuellen Spielermaterial, sondern kann sowohl gegen dominante wie auch schwächere Gegner genutzt werden. Gegen schwächere Gegner wird schnell und hoch gepresst, der Ball erobert und situationsabhängig nach hinten zirkuliert oder nach erfolgreichem Pressing sofort angegriffen. Gegen stärkere Gegner, wie beispielsweise den FC Bayern, formieren sie sich kompakter und tiefer, pressen dann ab dem Mittelfeld. Hierbei haben sie mehr Raum für Konter zur Verfügung und stehen etwas tiefer, was Lochpässe von individuell stärkeren Spielern in den Rücken der Abwehr weniger gefährlich beziehungsweise schwerer zu spielen macht.
Was planen Klopp, Buvac und Co. dann?
Was sich verändern könnte, wäre die positionelle Besetzung im Saisonverlauf. Als zentraler Stürmer können neben Lewandowski ebenso Perisic, Reus und Schieber auflaufen. Dahinter gibt es mit abermals Lewandowski und Reus, sowie Götze und Bittencourt nochmals unterschiedlichste Alternativen und auf den Flügeln sieht es gar noch besser aus. Hier sind es mit Götze, Perisic, Reus, Großkreutz und Kuba fünf Spieler, die sich um zwei Personen streiten. Götze kann wie Reus, Großkreutz und Perisic über beide Seiten kommen und sie alle stellen unterschiedliche Spielertypen dar.
Mehrere Systemvarianten
Mit Perisic, Reus oder gar Lewandowski über die Flügel und einem zentralen Spieler á la Götze oder Bittencourt entspricht die Aufstellung einem klaren 4-3-3, mit Lewandowski hinter Schieber und Reus auf dem Flügel wäre es entweder ein 4-2-4 (Perisic oder ein offensiver Kuba auf der anderen Seite) oder ein asymmetrisches 4-3-3, wobei hier dann Götze einen spielmachenden Part übernehmen würde. Ebenso könnten sie sich an einem stürmerlosen System orientieren, in welchem die höchste Position von mehreren Spielern innerhalb eines Spiels besetzt wird. Lewandowski hinter dem falschen Neuner Reus wäre hierbei eine Möglichkeit – der polnische Stürmer hatte bei Dortmund auf dieser Position hinter Barrios nach der Kagawa-Verletzung vor eineinhalb Jahren seinen endgültigen Durchbruch.
Viererkette steht, defensives Mittelfeld noch offen
Die Viererkette steht: Schmelzer und Piszczek auf den Außenbahnen verkörpern internationale Klasse, ebenso Subotic und Hummels in der Mitte. Lediglich im zentralen Mittelfeld könnte ebenso wie im Angriff variiert werden. Leitner und Gündogan wären eine extrem riskante Doppelsechs für mauernde Gegner, was das starke Pressing der Dortmunder unter Umständen auffangen könnte. Kehl und Bender streiten sich aber im Normalfall um den defensiveren Part neben einem aus Leitner, Gündogan oder gar Bittencourt. Allerdings hat Gündogan klar die besten Karten, er konnte in der vergangenen Rückrunde konstant überzeugen und hat sich als Sahin-Nachfolger etabliert.
Nationale Spitzenklasse über Jahre?
Es ist nur noch die Frage, ob diese vielen Talente ihren Weg gehen und die Klopp-Elf weiterhin so laufintensiv und konstant agieren kann. Läuft alles nach Plan, so haben die Bayern einen ernsthaften Konkurrenten – für die nächsten Jahre.
Rene Maric, abseits.at
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