Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballprotagonisten aus allen Ligen. Diesen Sonntag schicken wir unseren Brief als Fanpost nach Bayern.
Lieber Thomas Müller!
Du bist in vieler Hinsicht kein gewöhnlicher Spieler und doch hat sich letzte Woche die Kurzlebigkeit des Fußballgeschäfts an dir gezeigt: Business aus usual. Hop oder Drop – vor wenigen Wochen hieß es noch, du wolltest Bayern im Winter verlassen, weil Kovac dich zum Back-up degradiert hat. Begonnen hat es schon im März 2019 als man dich auf Nimmerwiedersehen aus der Nationalmannschaft gekickt hat. Selbst mit diesem Rückschlag bist du sehr gefasst umgegangen. Ich frage mich oft, ob es auch einen richtig deprimierten Thomas Müller gibt. Melancholische Molltöne hört man bei dir jedenfalls äußerst selten.
Lieber Thomas, du bist für mich eine Art Gradmesser, da wir gleich alt sind. Weil ich eine Hysterikerin bin und gerne über Probleme nachdenke, die ich nicht habe, habe ich mich bei vielen Geburtstagen gefragt, wie es wohl einem Profisportler – wie dir – mit dem Älterwerden und dem engen Zeitkorsett, das einem zum Erreichen seiner sportlichen Träume bleibt, gehen wird: Wie es ist ständig daran erinnert zu werden, dass die Karriere endlich ist, dass man die besten Zeiten vielleicht schon hinter sich hat, dass man von anderen überholt wird. Ich hatte nie den Eindruck, dass du den Kopf hängen lässt und da ich dich für klug und feinempfindend halte, finde ich das umso bewundernswerter.
Ich bin schon lange ein Fan von dir – ich hoffe, ich darf das sagen. Du bist ein Eigenbauspieler, der seinem Verein die Treue gehalten hat und darüber hinaus ein echter boarischer Bua. Du bist für mich das Gesicht des FC Bayern. Angesichts dieser Tatsache habe ich mich ehrlich gefreut, als die Karten neu gemischt wurden und Hansi Flick dir eine Einsatzgarantie gegeben hat. Aber ich weiß auch, dass im Sport andere Parameter zählen. Es geht um Leistung und für so manchen hast du deinen Zenit überschritten. Eines ist sicher: Irgendwann wird die Post-Müller-Ära bei Bayern anbrechen. Aber, lieber Thomas, wer weiß was bis dahin noch kommen mag. Ich bin gespannt.
Alles Gute wünscht dir
Marie Samstag, abseits.at
