Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln,... Briefe an die Fußballwelt (42): Lieber Erling Haaland!

Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballprotagonisten aus allen Ligen. Diesen Sonntag schicken wir unseren Brief an einen Jungstar, der gerade für Furore sorgt …

Lieber Erling Haaland!

Gestern war ich mit Freunden Mittagessen und wir haben über dich gesprochen. Also eigentlich haben wir über deine famosen letzten zwei Spiele geredet. Mittlerweile ist ein drittes Match, in dem du eine super Leistung gezeigt hast, gespielt worden. Es ist wirklich Wahnsinn: Du hast für Salzburg in 22 Spielen 28 (!) Tore erzielt, bist zu Dortmund gewechselt und prompt folgten fünf Tore in den ersten zwei Spielen für den BVB. Gestern hast du bei deinem Startelfdebüt wieder einen Doppelpack geschnürt. Unglaublich! Das findet auch meine Kollegin C., sie sagte, du bist einer, der den Unterschied machen kann. Ich sehe in dir einen Retro-Mittelstürmer, motiviert bis in die (blonden) Haarspitzen. Du bist ein richtiger Tank: zweikampfstark und torgefährlich.

Lieber Erling, du hast wirklich tolle Anlagen und gerade einen Lauf à la Jamie Vardy. Aber du bist erst 19 Jahre alt. Du hast dir selbst die Latte sehr hochgelegt und in unserer hyper-hyper Fußballwelt plant man schon deine nächsten Karriereschritte: Experten bereden welchen Torrekord du brechen, welches Trikot du als nächstes tragen wirst. Wenn man die Situation allerdings wissenschaftlich analysiert, macht man solchen Glaskugel-Prognosen schnell den Gar aus. Drei Spiele und sieben Tore sind zwar eine Quote, die ihresgleichen sucht, für das Erstellen einer brauchbaren Leistungsstatistik reichen 136 gespielte Minuten aber einfach nicht aus. So etwas will man jedoch in der Euphorie nicht hören. Im Profifußball wird schnell jede Leistung und Nichtleistung zum Erhabenen hochstilisiert.

Das ist bedenklich. Davon auszugehen, dass deine Entwicklung linear weitergeht, ist aber schlicht falsch. Du bist kein Humankapital, sondern ein Mensch mit guten und schlechten Phasen. Was in der Zukunft passiert, steht in den Sternen, wahrscheinlich ist aber, dass du deinen gigantischen Schnitt nicht halten wirst können. Es ist dir zu wünschen, dass deine (jetzt schon große) Karriere in exorbitante Höhen führen wird. Mitgeben kann man dir nur, dass du – besonders in schlechten Zeiten – daran denkst, was du bereits geleistet hast: Deine Leistungen in Wals-Siezenheim und der Hammerstart beim BVB werden immer bleiben. Es waren Träume, die wahr geworden sind und niemand kann dir diese Erfolge wegnehmen. Der Großteil der Experten und Fans, die dich jetzt idealisieren, wissen nicht wie sich diese Triumphe anfühlen. Und das gilt auch für später – falls sie dir einmal jede Qualität absprechen wollen, weil es eben nicht mehr läuft.

Alles Gute weiterhin wünscht dir

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag