Das Pressing des SC Freiburg
Deutschland 25.November.2013 Tobias Robl 0
Am Wochenende kam es in der deutschen Bundesliga zum Aufeinander-treffen zweier Mannschaften am Tabellenende. Der SC Freiburg empfing die Braunschweiger Eintracht und gewann das Kellerduell schlussendlich mit 1:0. Einer der Schlüssel zum Erfolg: das Pressing der Breisgauer, das von Trainer Christian Streich in den letzten Partien etwas verändert worden war.
Für den neutralen Zuschauer etwas weniger interessant, dafür aber für Taktikinteressierte umso mehr, war das Bundesligaspiel zwischen dem SC Freiburg und Eintracht Braunschweig. Beide Teams sind sich in ihrer Grundphilosophie relativ ähnlich und überzeugen vor allem im Spiel gegen den Ball. Beide bauen gleichartig auf, indem sie einen Sechser abkippen lassen, und beide sind stark von ihren jeweiligen Trainern beeinflusste Konzeptteams.
Auf Braunschweiger Seite hat Thorsten Lieberknecht die Eintracht zu einer sehr flexiblen Umschaltmannschaft geformt, die sich stets am Gegner anpasst und mehrere Systeme beherrscht.
Bei den Breisgauern steht mit Christian Streich der ehemalige Jugendtrainer an der Seitenauslinie und lässt sein Team ein sehr detailliertes und strukturiertes Pressing spielen, das sicherlich einer der ausschlaggebenden Faktoren war, warum sich der SC letzte Saison sogar für den Europapokal qualifizieren konnte.
Nachfolgend sollen anhand der Begegnung dieser beiden Teams die grundsätzlichen Eigenheiten des Freiburger Pressings beleuchtet werden, weil sie in gewisser Weise zwar typisch für den SC sind, man die meisten Abläufe aber auch bei andern Teams findet, die im gleichen System verteidigen.
Das 4-1-4-1 als Grundformation gegen den Ball
Prinzipiell spielte der SC Freiburg gegen den Ball ein 4-1-4-1. Dabei nahm Mike Hanke den zentralen Platz in der Sturmspitze ein, Mehmedi und Fernandes spielten beide auf der Acht, wohingegen Pilar links und Freis rechts auf den Flügel agierte.
Das 4-1-4-1-System, das die Freiburger spielten, bietet sich gegen den Ball insofern an, als dass beide Achter aus dem Verbund ausbrechen und aktiv gegen den Ball arbeiten können, weil sie stets vom alleinigen Sechser abgesichert werden. Dabei ist es deshalb möglich mehr Druck auf den gegnerischen Spielaufbau zu legen, und trotzdem eine relativ gute Kompaktheit zu wahren, die dadurch zustande kommt, dass formative Lücken, die z.B. beim Herausrücken der Achter entstehen zwar vorhanden, aber meistens nur schwer bespielbar sind. Durch die balancierende Wirkung des Sechsers, der entweder situativ nach vorne aufrückt, wenn die Möglichkeit auf einen Ballgewinn besteht, oder sich tiefer fallen lässt, z.B. wenn der Gegner die erste Pressinglinie mit einem langen Ball überspielt, kann viel Druck auf den gegnerischen Spielaufbau erzeugt werden, bei weiterhin guter Staffelung zur Verteidigung langer Bälle.
Im Vergleich zu anderen Defensivformationen ist das 4-1-4-1 deutlich komplexer, was die Anforderung an Abstimmung und Abläufe betrifft. Es erfordert ein hohes Maß an Timing und kann, wenn schlecht ausgeführt, zu gefährlichen Konterangriffen führen, weil der alleinige Sechser vor der Abwehr große Räume zu sichern hat.
Um gegen den Braunschweiger Spielaufbau vorzugehen, verwendete der SC vor allem drei Möglichkeiten, die alle zum Ziel hatten das Spiel der Eintracht in der Horizontale in zwei Hälften zu teilen, und Drucksituationen am Flügel zu erzeugen.
Variante 1: Zerteilen des Spiels und Herausrücken des Achters
Diese Variante war die am häufigsten genutzte bei den Breisgauern, und auch die angestrebte Idealsituation. Dabei lief Hanke den abgekippten Braunschweigern Sechser Theuerkauf oder Vrancic im Bogen an, sodass dieser sich für eine Seite entscheiden musste, zu der er den Ball spielte. Sobald das geschehen und einer der Innenverteidiger in Hankes Deckungsschatten verschwunden war, rückte der ballnahe Achter heraus und stellte den verbliebenen Innenverteidiger zugriffsorientiert zu. Mit Hanke konnten Mehmedi, Fernandes und ein aufrückender Außenverteidiger dann immer wieder Überzahlsituationen herstellen, die Braunschweig oft nur mit langen Bällen lösen konnte. Weil die Freiburger Bewegungen gut getimt waren, fand Braunschweig auch nur selten die Lücken in der Zentrale, die durch die geschickte Positionierung von Höfler, Freiburgs Sechser, und dem Deckungsschatten des herausgerückten Achters gut gesichert war.
Durch das Herausrücken auf eine Linie mit dem Stürmer bei gleichzeitigem Verengen des Mittelfeldbandes, wobei Höfler, der Freiburger Sechser oft leicht nach hinten abgesetzt agierte, entstand ein situatives 4-1-3-2.
Freiburg (rot) hat es durch Hankes Bogenlauf (schwarzer Pfeil) -mit Deckungsschatten auf den hohen und zentralen Braunschweiger Sechser- geschafft, dass der Ball zum Flügel kommt. Mehmedi (blauer Pfeil) ist herausgerückt und Pilar kann zum Doppeln nach vorne schieben (roter Pfeil). Der Raum, der Raum der durch Mehmedis Herausrücken entstanden ist, wird später durch die Verschiebebewegung geschlossen und ist im Moment nicht bespielbar, weil Mehmedis Deckungsschatten darauf liegt.
Variante 2: Zerteilen des Spiels und Herausrücken des Flügelspielers
Durch die Dreierkette im Braunschweiger Spielaufbau geschah es manchmal, dass Hankes Anlaufen ineffektiv war, weil Theuerkauf oder Vrancic einfach in die andere Richtung spielte, als eigentlich von Hanke provoziert. Geschah dies, rückte in der Regel nicht einer der Achter nach vorne, sondern der Flügelspieler und steuerte den jetzt ballführenden Innenverteidiger aggressiv zur Mitte und zurück.
Dieses Verhalten der Freiburger kam dadurch zustande, dass der ballferne Braunschweiger Sechser meist diagonal neben Hanke und zwischen dem rechten Achter Fernandes pendelte. Kippte er neben Hanke heraus stellte Fernandes eine Mannorientierung her und sicherte durch seine Stellung gleichzeitig das Zentrum. Damit dieses nicht geöffnet wurde schob dann eben nicht er aus dem Verbund nach vorne, sondern der Flügelspieler – in diesem Fall Freis.
Variante 3: Herausrücken des Achters und Zerteilen des Spiels
Die zweite Variante um in die 4-1-3-2-Pressingsituation zu kommen, war eigentlich eine Reaktion auf die pendelnde Bewegung des hohen Braunschweiger Sechsers (bzw. Achters, denn Braunschweig spielte mit drei zentralen Mittelfeldspielern). Dabei wurde er vom ballnahen Achter mannorientiert zugestellt, wobei dieser dann etwas vorrückte und den Sechser in seinen Deckungsschatten stellte, was den Effekt hatte, dass nicht nur der pendelnde Sechser nicht angespielt werden konnte, sondern auch der jeweilige Innenverteidiger im Wirkungsbereich des Achters stand. Dadurch war er eventuell noch als Durchlaufstation für Pässe geeignet, konnte aber keinesfalls mehr mit Ball am Fuß ins Mittelfeld aufrücken.
Durch dieses Verhalten von Fernandes, in Kombination mit den Anlaufbewegungen Hankes schaffte es Freiburg immer wieder das Spiel der Eintracht auf deren rechte Seite zu lenken und dort Druck zu erzeugen.
Hier schiebt Fernandes etwas nach vorne, um den Raum vor Dogan, dem linken Innenverteidiger der Braunschweiger zu belauern. Würde Theuerkauf oder Vrancic den Ball auf diese Seite spielen, könnte er sofort Zugriff herstellen. Mehmedi kann auf der anderen Seite auch schon auf den Ball spekulieren, rückt allerdings nicht auf, um den Raum vor sich offen zu lassen und den Pass zuzulassen. Der Braunschweiger Sechser hat wieder das Problem, dass er nicht direkt anspielbar ist, obwohl er sich von der Mittelfeldkette weg, in den Zwischenlinienraum bewegt hat. Erreicht der Ball den im Bild rechten Innenverteidiger, der sich breit anbietet hat er zudem zu weite Wege um sich anspielbar zu machen und als kurze Anspielstation zu dienen.
Tobias Robl, www.abseits.at
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