„Wir geben keine Topspieler ab. Wir sind ein Einkaufsverein – und kein Verkaufsverein“, sagte Karl-Heinz Rummenigge. „Wir Deutschen haben keinen Spieler links hinten, der... David Alaba oder wie uns die Gier der Deutschen gut tut…

„Wir geben keine Topspieler ab. Wir sind ein Einkaufsverein – und kein Verkaufsverein“, sagte Karl-Heinz Rummenigge. „Wir Deutschen haben keinen Spieler links hinten, der nur annähernd seine Qualität hat“, sprach Kicker-Chefredakteur Klaus Smentek. Es geht nicht um einen Spanier, Engländer, Brasilianer oder Kroaten – es geht um den knapp 20 Jahre alten Wiener David Alaba.

Die Aufgaben der Außenspieler haben sich durch die Jahre hindurch verändert. Seit sich die Viererkette Mitte der 90er-Jahre durchgesetzt hatte und die Stürmer sukzessive weniger wurden, übernahmen die linken und rechten Verteidiger immer mehr Aufgaben in der Offensive. Zu den „klassischen“ Aufgaben in der Defensive – Ordnung einhalten, clever im Raum spielen, Balleroberung – kamen in den letzten Jahren zahlreiche Aufgaben in der Offensive hinzu. In Zeiten des Powerfußballs, der Überzahlsituationen generieren muss, sind die an sich defensiven Flügelspieler extrem wichtig, wenn es um den Spielaufbau, Anspielbarkeit, Flanken, Spielverlagerung und Torabschlüsse geht. Der Verteidiger wird dabei zu einem zusätzlichen Stürmer, wie er es im 2-5-3 vor Jahrzehnten schon war. State-of-the-art sind Dreiecksbildungen an der Flanke mit zwei Mittelfeldspielern oder das schnelle Hinterlaufen des offensiven Mittelfeldspielers, um schneller die Zuordnung in der Verteidigung zu stören. Im besten Fall dauert es nur wenige Sekunden von der Balleroberung des Außenverteidigers bis zum Torabschluss.

Defensive Außenbahnspieler sind Luxusartikel

Im Winter kürt das deutsche Fußballfachmagazin Kicker immer die jeweils besten Spieler auf den jeweiligen Positionen. Für die defensive Außenbahn wurde nur einem Spieler internationale Klasse attestiert: Philipp Lahm. Dahinter reihte die Redaktion unter dem Label „im weiteren Kreis“ mit Lukasz Piszczek, Filip Daems und Rafinha drei Legionäre. Erst dann folgten mit Benedikt Höwedes, Christian Lell und Marcel Schmelzer deutsche Kicker. An neunter Stelle, hinter Gonzalo Castro, fand sich Christian Fuchs wieder. Es ist davon auszugehen, dass David Alaba mit Lahm und Piszczek an  die neue Liste anführen wird. Nominiert für die Europameisterschaft wurden nur Lahm und Schmelzer für die wichtigen Positionen. Aushelfen werden bei Ausfällen die Innenverteidiger Jerome Boateng und eben Höwedes. Kein Wunder, dass sich die deutschen Medien den jungen Österreicher wünschen!

Warum gibt es so wenige Außenverteidiger, die wirklich sehr gut sind?

Außergewöhnliche Spieler, die nicht nur über fußballerisches Talent, sondern auch über Persönlichkeit und Willenskraft verfügen, werden im Nachwuchs oft auf anderen Positionen eingesetzt. DFB-Sportdirektor Matthias Sammer formulierte es so, dass „die größten Granaten immer noch zu oft auf andere Positionen“ geschickt werden. Das ist aus der Sicht der Nachwuchstrainer auch nicht weiter verwunderlich. Wenn im Jahrgang ein Riesentalent dabei ist, werden ihm gerne zentrale Rollen zugedacht. Das Beispiel Bastian Schweinsteiger zeigt allerdings, dass junge Spieler an der Außenbahn reifen können, ehe sie in die Mitte ziehen. War Alaba im Mittelfeld bei den Bayern solide und brav, so spielt er als Linksverteidiger auf Weltklasseniveau.

Statistik unterstreicht die Wichtigkeit

Die Statistik zeigt, dass die Außenverteidiger oftmals die meisten Ballkontakte haben. In der abgelaufenen Saison der deutschen Bundesliga finden sich unter den ersten Zehn hinter Lahm noch Gonzalo Castro, Christian Fuchs, Andreas Beck und Levan Kobiashvili sowie der sowohl im Mittelfeld, als auch in der Defensive eingesetzten Clemens Fritz. Sogar dem FC Barcelona fielen die Leistungen schon auf.

Risikoreich

Mit nur zwei gelernten Außenverteidigern in eine Europameisterschaft zu gehen, ist schon unter normalen Umständen schwierig. Innenverteidiger, auch wenn sie mit der Dynamik eines Boateng ausgestattet sind, bringen dennoch nicht alle Fähigkeiten mit, um einen perfekten Außen zu spielen.

Es gibt aber eben wenige Möglichkeiten, wenn Fuchs – der eindeutig defensiv fehleranfällig ist – beispielsweise beim Tabellendritten gesetzt ist. Löws Meisterstück könnte am seidenen Faden hängen, immerhin rollen auf die Abwehr bereits in der Vorrunde die niederländischen und portugiesischen Offensivspieler zu. Die Bundesliga-Waffen Piszczek und Alaba stehen ihm nicht zur Verfügung.

Aus der Wichtigkeit der Außenverteidiger und der Formschwäche der deutschen Spieler auf dieser Position ergibt sich die Gier nach David Alaba. Keiner neutralisierte im Frühjahr Spieler wie Cristiano Ronaldo so gut, kaum einer initiierte so schnelle Gegenangriffe oder harmonierte so außergewöhnlich mit ausgezeichneten Vordermännern wie Franck Ribery. So erlaubt: Aus österreichischer Sicht tut der deutsche Neid natürlich gut…

Georg Sander, abseits.at

Georg Sander

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