Der spielende Fan (5) – Lukas Podolski und sein „Eff Zeh“
Deutschland 8.November.2013 Marie Samstag 0
Vereinstreue, Engagement und Identifikation fordern die Anhänger von ihren Spielern. In einer Welt des Wettkampfes und des Geldes müssen diese aber oft zweitrangig sein. Vereinswechsel in bessere finanzielle und sportliche Perspektiven sind an der Tagesordnung. So ist Fußball.
Aber es gibt auch Ausnahmen: Kicker, die selber Fans ihrer Farben sind und für diese ihr Herzblut vergießen. Bubenträume, die mit einem Profivertrag beim Traumklub war wurden.
In dieser achtteiligen Serie wollen wir euch nun einige Musterexemplare dieser Gattung vorstellen: Urgesteine und Legenden, sowie noch aktive Kicker, die Spieler und Anhänger in Personalunion sind. Unterschiedliche Typen in unterschiedlichen Ligen. Wir gehen der Frage nach ob und warum man ihnen eines Tages ein Denkmal meißeln wird….
Teil 5 unserer Serie behandelt:
Lukas Podolski – Der sensible Prinz und sein Königreich
Eine seltene Geschichte und ein Phänomen zugleich ist Lukas Podolskis Beziehung zum 1. FC Köln.
13. September 2008, RheinEnergieStadion: Der FC Bayern München ist zu Gast beim 1. FC Köln. Mit dabei ist auch Lukas Podolski, der in der 57. Minute für Klose eingewechselt wird. Dass in Köln die Uhren anders ticken, merkt „Poldi“ schon als die Heim-Fans seine Einwechselung bejubeln als würde er noch immer für den FC auflaufen.
In der 90. Minute schießt der Stürmer das dritte Tor des Spiels und macht so den 3:0-Auswärtssieg der Münchner perfekt. Es frohlocken nicht nur die Bayernfans, auch die Kölner feiern „ihren“ „Poldi“.
Dieser bleibt nach seinem Treffer aus vollem Lauf zunächst regungslos am Bauch liegen. Kein Jubel, aus Respekt selbstverständlich. Aber wahrscheinlich war ihm auch persönlich nicht danach. Was mag dem damals 23-Jährigen durch den Kopf gegangen sein, als er mitbekommen hat, dass die Kölner Fans ihn als gegnerischen Torschützen mit Sprechchören ehren?
Wie aus Trotz springt „Poldi“ jedenfalls auf und schlägt sich kraftvoll auf die linke Brust, wo das Bayern-Emblem prangt. So als wolle er sagen: „Jetzt erst Recht!“ Denn Bayern München ist 2 ½ Jahre nach seinem Wechsel an die Säbener Straße noch immer nicht seine sportliche Heimat geworden.
Auch in diesem Spiel sitzt der Kölner zunächst auf der Bank und muss Miroslav Klose den Vortritt lassen. „Lukas ist noch nicht dort, wo er hin soll.“, hat der damalige Trainer Jürgen Klinsmann über ihn gesagt. Schon im Sommer 2008 wollte „Poldi“ sein glückloses Engagement in München wieder beenden.
Dass er etwas Besonderes ist, zeigt sich auch nach dem Schlusspfiff: Die Elf aus München bedankt sich bei den mitgereisten Fans. Podolski dreht inzwischen allein mit seiner Nichte auf dem Arm eine Ehrenrunde im Stadion und macht anschließend mit der berüchtigten Kölner Südtribüne die „Welle“. Ein Kölscher Junge in Lederhosen.
Der Aussiedler wird ein „local hero“
Die Liebesgeschichte zwischen Lukas Podolski und dem „Effff Zeeeh“ wurzelt anno 1995. Zehn Jahre zuvor war er am 4. Juni in Gleiwitz, Polen zur Welt gekommen, als Zweijähriger zog er mit seiner Familie nach Bergheim bei Köln. Gleiwitz (polnisch: Gliwice) gehörte vor dem zweiten Weltkrieg als Teil Schlesiens zum Deutschen Reich. Podolskis Großeltern waren also Reichsbürger und ermöglichten so ihren Abkömmlingen den „Aussiedler-Status“. Bis heute besitzt Podolski die Staatsbürgerschaften beider Länder.
Der Sohn des ehemaligen Profi-Fußballers Waldemar und der ehemaligen Profi-Handballerin Krystyna trat in der FC Jugend 07 Bergheim erstmals vereinsmäßig gegen den Ball. Auch seinen ersten Klub hat „Poldi“ heute nicht vergessen: Er spendete Geld für eine Kunstrasenanlage und förderte die Naturrasenlegung im Bergheimer Stadion. Aus Dankbarkeit wurde die Sportstätte in Lukas-Podolski-Sportpark umbenannt.
Zurück im Jahre 1995 holt der 1. FC Köln Podolski in die Domstadt. Dort erhält er in der D-Jugendmannschaft seinen noch heute gebräuchlichen Spitznamen, zu viele Lukasse schnüren nebeneinander ihre Kickschuhe. In Anlehnung an die Kölner Karnevalstradition setzt man später gelegentlich noch ein „Prinz“ davor.
Lukas ist als Kind Balljunge bei den Spielen der Profis oder sitzt mit seinem Vater in der Südkurve. Unbeschreibliche Gefühlszustände prägen sich bei ihm ein, die Südkurve gilt als eine der besten Fankulissen in Deutschland. Podolski ist FC-Fan. Bis heute.
Ein gewisser Marcel Koller holt den nunmehr 18-Jährigen zu den Profis und am 22. November 2003 steht Podolski erstmals im Trikot seines Lieblingsvereins als Teil der Kampfmannschaft auf dem Platz. Schon in seiner ersten Bundesligasaison zeigt der Stürmer seine herausragenden Qualitäten im Sturm: 10 Tore erzielt er in 19 Spielen. Diese reichen aber nicht. Fußball ist immer noch ein Mannschaftssport und daher müssen die „Geißböcke“ letztendlich absteigen.
Souverän gelingt dem 1. FC Köln jedoch der Wiederaufstieg und Podolski wird Torschützenkönig der zweiten Liga. 24 Tore hat er in 30 Spielen erzielen können, mittlerweile sind die FC-Fans stolz einen derartigen Stürmer in ihren Reihen zu haben. Auch in der nächsten Saison kommt „Prinz Poldi“ auf 12 Tore, doch im Sommer 2006 muss Köln wieder die erste Liga hinter sich lassen und der Jungstar entschließt sich zu einem Vereinswechsel.
“Et kütt wie et kütt”
…heißt „Es kommt, wie es kommt.“ in der Kölner Mundart. Und es kommt, wie es kommt für „Poldi“: Er wechselt tatsächlich zu den Bayern. Zwar hatte er einst noch gemeint, er könne sich nicht vorstellen für die Münchner zu kicken, folgt aber dann doch deren Ruf. Die Perspektive ist schließlich sensationell und „Poldi“ ist der zurzeit beste Stürmer Deutschlands.
Zuvor findet aber noch die Fußball-WM im Heimatland statt und eine ganze Nation hofft auf den Weltmeistertitel. „Poldi“ soll die Deutschen in den Fußballolymp schießen, neben ihm setzt man auch große Hoffnungen in Bastian „Schweini“ Schweinsteiger. Die beiden Youngsters sind auch ein gefundenes Fressen für die Presse: „Poldi“ und „Schweini“ sind die vermarktbaren „Zwillinge“ des deutschen Fußballes.
Einige Zeit später wird Podolski sagen: „Die Ehe mit „Schweini“, wenn man sie so nennen will, die hat es doch nie gegeben.“
Tatsache ist, dass sich die beiden schon richtig gut verstehen. Podolski sagt nach der Vertragsunterzeichnung: „Man ist immer froh, wenn man einen echten Freund in der Mannschaft hat. Ich kenne Basti seit der U21, und wir haben eigentlich immer zusammen rumgehangen.“
Doch die Presse differenziert später immer schlechter zwischen den beiden Freunden, die nun nicht nur in der Nationalmannschaft sondern auch im Verein miteinander kicken. Im Jahre 2006 blickt Lukas aber noch in eine strahlende Zukunft und freut sich auf die WM im Heimatland.
„Ich hatte noch nie Druck. Ich will einfach Spaß am Fußball haben.“, sagt Podolski, als er vor dem Turnier gefragt wird, ob ihn die nationale Erwartungshaltung stresst.
Im Achtelfinale gegen Schweden folgt sein großer Auftritt und er erzielt beide Tore zum 2:0-Sieg. Noch ist „Poldi“ der Jungspund, Spieler wie Klose oder Ballack sollen die DFB-Elf als Leithammeln durch das Turnier führen. Angetrieben von wiederauferstandenem Patriotismus, der es den Deutschen seit 1945 erstmals ermöglicht heimatliche Fahnen zu schwenken ohne gleich als Faschisten zu gelten.
Ein wahres Sommermärchen findet von Juni bis Juli in unserem Nachbarland statt. Die DFB-Elf scheitert erst im Halbfinale gegen den späteren Weltmeister Italien und ganz Deutschland feiert trotzdem seine Helden. „Poldi“ wird zum besten jungen Spieler der WM gewählt.
Dann geht der Alltag wieder los und Podolskis neuer Arbeitsplatz ist die Säbener Straße.
„Hau di hera, samma mehra“
Von seinem Herzensverein kommt Lukas Podolski also zu den „Mia san Mia“-Bayern. Damals wie heute: Ein „Stadl“ voller Häuptlinge.
Großartige und kraftvolle Fußballer, die um die Startelfplätze „raufen“. Internationale Stars, die sich zum Oktoberfest in die Lederhosen quetschen, aber trotzdem nicht zu rotkarierten Brezel- und Weißbier-Konsumenten mutieren und exotische Fotomotive bleiben.
Eine „typisch bayerische“ Angelegenheit müssen die Kicker aber entwickeln oder schon mitbringen: Die FCB-Mentalität.
Selbstbewusstsein und Kampfstärke, von vielen als Überheblichkeit und unsportliche Aggressivität gedeutet, sind von Nöten. Ebenso wie einen starken Willen und Scheuklappen, denn nur der Erfolg zählt in München.
Erfolgsdruck erlebt wohl jeder, der im Fußballgeschäftig tätig ist. Außer Peter Pacult, der verspürt ihn angeblich nur, „wenn er auf’s Klo geht.“ Bayern will national und international konstant zur Spitze gehören. Diese permanente Spannung ist für manche Spieler schwer zu verkraften:
„In der Bayern-Kabine Mensch zu sein ist gar nicht so leicht. Das schaffst du nur, wenn du dir sagst: Ich bin der Größte. Du baust dich auf und unterdrückst deine Gefühle.“, sagt Sebastian Deisler.
Er war einst der hoffnungsvolle Erbprinz der deutschen Fußballnation. Doch der Lörracher war von den kommerziellen Begleiterscheinungen und Oberflächlichkeiten des modernen Fußballes irritiert. Schwere Knieverletzungen taten das Ihre dazu und „Basti-Fantasti“, der Fußballmessias, musste mit 27 Jahren seine Laufbahn beenden.
Im Jahre 2006 ist Podolski der „rising star“ der Bundesliga-Angreiferszene und der neue Erbprinz der deutschen Fußballnation. Auch für ihn scheint es von Anfang an bei den Bayern nicht gut zu laufen:
Zwar steht er in den beiden ersten Pokalspielen von Beginn an auf dem Feld, am Ende der Saison hat er jedoch nur 22 Bundesligaspiele auf seinem Konto. Der Kölner wird dabei 11 Mal eingewechselt und absolviert nur vier Spiele über 90 Minute.
Selbst die Bayern als Mannschaft enttäuschen in der Saison 2006/07 gewaltig: Sie werden nur Tabellenvierter und können auch den Pokal nicht verteidigen.
Ist es die Luftveränderung von den „Geißböcken“, deren Star Podolski war, zum finanziell-potenten Rekordmeister, wo es mehrere Topspieler gibt, die „Poldi“ schwer zu schaffen macht? Wohl eher nicht.
Nach seinem Wechsel zu Arsenal sagt Podolski jedenfalls: „In Köln habe ich mein Auto geparkt und erst mal 500 Autogramme geschrieben. Dann haben 1.000 Leute jeden Schuss kommentiert. Das war nicht für jeden Spieler leistungsfördernd. Wenn bei einem Automechaniker jeden Tag zwanzig Leute in der Werkstatt stehen und sagen ›Ey, die Schraube muss aber da rein‹, ist der auch irgendwann genervt.“
So gesehen muss es für ihn ja eine Erleichterung gewesen sein, in München endlich „unterzutauchen“.
Auf jeden Fall spielen auch Verletzungen eine Rolle: Bereits im Oktober fiel der Stürmer wegen einer Sprunggelenksblessur für drei Wochen aus. Gegen Ende der Saison zog er sich eine Knieverletzung zu.
Spekulationen
Im Sommer 2007 erklärt der 22-jährige Podolski sich durchsetzen zu wollen. Es deutet jedoch alles daraufhin, dass es für ihn noch schwieriger wird im Bayern-Sturm Fuß zu fassen: Aus Bremen kommt Nationalteamkollege und Freund Miroslav Klose zu den Münchnern, aus Florenz kündigt sich „Spätzünder“ Luca Toni an und ein gewisser Franck Ribéry wird von Olympique Marseille verpflichtet.
Im November 2007 erzielt „Poldi“ sein erstes Tor nach einer fast achtmonatigen Flaute. Letztendlich macht er 25 Ligaspiele, wobei er ganze 17 Mal eingewechselt und vier Mal ausgetauscht wird. Nur 4 mal 90 Minuten spielt er also „durch“, dennoch wird er von Joachim Löw in den Nationalteamkader einberufen. Soll Podolski im DFB-Team Selbstbewusstsein tanken?
„Poldi“ zahlt das Vertrauen auf jeden Fall zurück: Sechs Mal spielt er in der Qualifikation für die EM in Österreich und der Schweiz. Im Spiel gegen Zypern ist er an drei Toren beteiligt: Das 1:0 und das 4:0 legte er auf, das 3:0 erzielt er selbst.
Trotzdem wird er kritisiert: Ulli Hoeneß bemängelt, dass der gebürtige Pole im DFB-Team zu schnell hochgejubelt wird und auf Vereinsebene erst einmal konstant Leistung bringen muss.
Die Kölnerfans wollen ihren Liebling wieder das Trikot mit dem Geißbock tragen sehen und denken, dass Bayern für die sensible Frohnatur nicht das richtige Pflaster ist.
Als Wolfgang Overath auf den Stürmer angesprochen wird sagt er: „Ein überragendes Talent, ein super Fußballer, aber ihm fehlt das Selbstvertrauen“
Warum es nicht klappte, ist wohl nicht eindeutig zu definieren: Podolski erlebt laufend Trainerwechsel, dazu kommen seine Verletzungen, aber ganz frei von Schuld ist er wohl nicht zu sprechen. München ist beinhart, „Poldi“ nicht? Freund und Mitspieler Klose zeigt auch wenig Verständnis: „Streicheleinheiten? Da müssen wir uns eine Katze kaufen.“
Als 2008 Jürgen Klinsmann FCB-Trainer wird, schöpft „Prinz Poldi“ Hoffnung. Schließlich kennt ihn der Ex-Bundestrainer von der WM 2006 und weiß ihn richtig einzuschätzen. Doch Klinsmann spielt meistens mit einer Solospitze, da ist für Lukas wenig Platz. Sein Selbstvertrauen, das für seine natürliche Spielweise enorm wichtig ist, sinkt.
Mario Basler urteilt 2011: „Für Bayern war Poldi viel zu schwach, […] er konnte sich ja da nicht durchsetzen.“
Kurzum: „Prinz Poldi“ wählt den Weg zurück in „sein“ Königreich. Feigheit werfen ihm seine Kritiker vor. Für die Weiterentwicklung eines Stürmers ist es nur bedingt geschickt zu einem Verein zu wechseln, bei dem er permanent gegen den Abstieg spielt.
Doch Lukas hat eine Erklärung: Der Verein hat einen Plan und er möchte Teil davon sein. Michael Meier und Christoph Daum wollen die ewige Auf-und-Absteigerei beenden und „Poldi“ soll die Gallionsfigur des FC werden.
„Lukas, wir lieben dich!“
…schreien über 20.000 Kehlen im Juni 2009 als Podolski sein erstes Kölner Mannschaftstraining (!) nach drei langen Jahren absolviert. Zehn Millionen Euro muss der Rheinländische Verein zusammenkratzen um den Publikumsliebling wiederzurückzuholen.
„Sicherlich ist der Wechsel im Hinblick auf sein Image zunächst mal nicht ganz einfach. Aber gleichzeitig finde ich es keine ungewöhnliche Reaktion von einem Spieler, wenn er sagt, dass er spielen will – und zwar dort, wo er sich wohl fühlt. Er folgt nicht dem Geld, sondern seinem Herzen. Und wenn diese Adresse 1. FC Köln heißt, macht uns das alle stolz.“, sagt der damalige Köln-Manager Michael Meier.
Die Medien vermelden, dass Poldi nicht dem Ruf des Geldes folge, sondern auf sein Herz höre und zu seiner „großen Liebe“ dem 1. FC Köln zurückkehre.
Für „Poldi“ werden es wieder drei durchwachsene Jahre: Er trifft und Köln jubelt, doch so wirklich kommen die „Geißböcke“ nicht vom Fleck. In seiner letzten Saison macht er 19 Tore und schafft damit seinen besten Saisonwert in Deutschland.
Zwischendurch ist stets Ähnliches zu hören und zu lesen: „Poldi“ will wechseln, Streit um die Kapitänsbinde, „Poldi“ sitzt auf der Bank und der FC gewinnt trotzdem, etc.
Obwohl er in Köln ohne internationale Spiele auskommen muss, bleibt der gebürtige Pole ein Teil der Nationalmannschaft. Mögliche mentale Torsperren sind seit dem Wechsel zurück an den Rhein wie weggeblasen. In „seiner“ Stadt wird er gebraucht und fühlt sich so einfach wohl.
My left foot
Das unbekümmerte Offensivspiel zeichnet Podolski aus. Was er mit seinem linken Fuß anstellt, ist teilweise unglaublich.
Zehn Tore des Monates erzielte der Kölner: Schnell, trickreich, schnörkellos. Seine präzise Schusstechnik aus Lauf oder Stand ist einzigartig.
„Ich mach das Ding rein und fertig! – Warum der deutsche Fußball Lukas Podolski braucht.“ heißt ein Buch das 2006 erscheint. Damit ist alles gesagt: Podolski gibt dem kränkelten deutschen Fußball die Sorglosigkeit zurück. Nicht denken, schießen. Mit Spaß an der Sache soll es einfacher gehen. „Ich habe immer Spielfreude. Es ist mir egal, wie der Gegner heißt.“, sagt der Stürmer 2006.
Doch auch ein „Prinz Poldi“ hat seine Schwachstellen: Regelmäßig wird ihm vorgeworfen, dass er zu wenig Defensivarbeit verrichten würde. Wenn er auf der linken Seite spielt, wirkt sich dies besonders aus. Podolski selbst fühlt sich im Zentrum mit zwei Sturmspitzen am Wohlsten.
Und letztendlich muss man noch einmal ins Jahr 2006 zurückblicken, als mit Podolski und Schweinsteiger der deutsche Fußball wieder Hoffnung schöpfte. Doch „Poldi“ hat den DFB noch nie zu einem Titel geschossen und er war auch bei keinem Klubtitelgewinn entscheidend beteiligt, obwohl er mit Bayern 2008 Titel und Pokal holte. Der ganz große Coup ist jedoch bis heute ausgeblieben.
Schweinsteiger, der dem FC Bayern treu blieb, ist derzeit einer der besten Mittelfeldspieler der Welt. Er wechselte ihm Laufe seiner Karriere ins zentrale Mittelfeld und wurde so zu einem Führungsspieler. Heute ist er Teil der im Moment wahrscheinlich besten Vereinsmannschaft weltweit. Und „Poldi“?
War er immer zur falschen Zeit am falschen Ort? Lag ihm das Bayern-System nicht? Oder die Bayern-Mentalität?
Einzig im Nationalteam schien er stets am richtigen Platz gewesen zu sein. 2012 war er mit 27 Jahren der jüngste deutsche Spieler der 100 Nationalteamauftritte absolviert hat. 46 Tore hat er erzielt und diese nicht nur, wie manchmal verächtlich behauptet wird, gegen San Marino oder Weißrussland.
Jetzt wird er immer öfter spät ein- oder früh ausgewechselt. Die hoffnungsvollen Jungen heißen: Schürrle, Draxler, Reus und Götze.
Bei ihnen sei das „Gesamtpaket“ besser: Sie sind beidfüßig, taktisch besser geschult und jünger. „Poldi“ ist mit seinem „Linken“ ein Dinosaurier des modernen Fußballs.
2006 wurde er noch „Stürmer sorglos“ genannt und das stimmt auch, denn Lukas ist ein Instinktfußballer und nicht so systemgeprägt wie viele seiner jungen Konkurrenten.
Alles oder nichts
Schon klar, wir jammern auf hohem Niveau: Lukas Podolski ist ein stabiler Profi, der regelmäßig in den DFB-Kader einberufen wird und bei einem Top-Klub spielt (Arsenal). Zwei Mal wurde er mit dem DFB-Team Dritter bei einer WM, einmal Vize-Europameister. Die deutsche Presse hat den Angreifer vor mittlerweile einigen Jahren auch nicht zu Unrecht hochgejubelt, es stimmt einfach: „Poldi“ und „Schweini“ waren für den Generationswechsel im DFB-Team verantwortlich. Lockerheit, Spielfreude und ihr Talent brachten sie in den deutschen Fußball ein.
80 % aller Fußballinteressierten in Deutschland finden „Poldi“ sympathisch, die „Eff Zeh“-Fans vergöttern ihn. Seine Bodenständigkeit und lockere Art wird von den Medien oft karikiert, gerade diese Dinge machen den Kölner aber authentisch. „Ich gebe euch kurze Antworten, damit ihr nicht so viel schreiben müsst.“ Klare Ansage der rheinländischen Frohnatur.
Auf seiner Homepage stellt Podolski den Wechsel im Jahre 2009 so dar: Seine Rückkehr von Bayern zu Köln ist für ihn ein bewusster Schritt zurück nachhause. Eine Entscheidung gegen Geld und Ruhm und für Liebe und Treue. Eine schöne Geschichte, aber stimmt sie auch?
Damals hat „Poldi“ gesagt, dass der eigentliche Grund die neuen sportlichen Perspektiven in Köln sind und keine Flucht ins gemachte Nest. Nun ja, daraus wurde nichts. Zwar verbleiben die Domstädter in der Bundesliga, das ist aber schon der einzige Erfolg: Trainer, Sportdirektor, Vorstand werden mehrmals ausgetauscht. 2012 muss Köln wieder einmal absteigen und Podolski ergreift die Chance nochmals zu wechseln: Arsenal heißt sein neuer Klub. Ist er mit 27 Jahren reif für einen Auslandstransfer? Hat er gelernt, dass er die Ellbogen auspacken muss um sich durchzusetzen?
In London spielt er meist als Linksaußen. Wie in Köln gibt es monatlich neue Schlagzeilen: „Poldi“ sei mit 28 Jahren ohnehin schon am absteigenden Ast, in der Nationalmannschaft sei er schon lange nicht mehr erste Wahl, er solle nach Schalke wechseln, usw.
Wenn man nun ein Resümee ziehen will, dann bleibt Podolski ein „Guter“. Seine größte Leistung sagt er, sei, er selbst geblieben zu sein. Das stimmt.
„Poldi“ wirkt ehrlich und authentisch. Dass sich der Sensible beim FC Bayern nicht wohl gefühlt hat, widerlegt er selbst: „Unter Jupp Heynckes wäre ich noch heute bei Bayern“, glaubt er.
Uli Hoeneß sagte etwas Ähnliches: Gegen Ende von „Poldis“ Zeit bei den Bayern begann Heynckes nämlich sein 4-4-2 zu spielen, jenes System, in dem die offensiven Kräfte des Kölners besonders wirksam werden.
Das Fußballgeschäft in dem nur erste Plätze, Siege und Titel zählen, sieht Lukas Münchner Abenteuertour jedoch unterm Strich als verlorene Zeit an. Dieser Abschnitt ermöglicht aber erst eine umjubelte Heimkehr ins Rheinland, wo der „verlorene Sohn“ sich für den „Eff Zeh“ unsterblich machte. „Die Zeit“ schrieb über Podolski, er sei ein Spieler von dem die Fans wissen, dass er selber Fan sei. Und zwar Fan des 1. FC Köln.
Der abseits.at – Platzheld-Check:
Name: Lukas Josef Podolski Alter: 28 Position: Stürmer Dienstzeit beim Verein: Jugend: 1995 – 2002; Profis: 2003-2006 und 2009-2012 Spiele/Tore: 169/79 (Profis); 2/0 (Amateure) |
Unvergessener Moment? Es gibt tausende Augenblicke in denen klar war, dass Lukas Podolski und der 1. FC Köln mehr als nur Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind:
5. Mai 2012. Das letzte Saisonspiel der „Geißböcke“ ausgerechnet gegen Bayern München. Der Stadionsprecher präsentiert die Aufstellung der Heimmannschaft: „Und heute hoffentlich nicht zum letzten Mal im RheinEnergieStadion der Spieler mit der Nummer 10: Luuuuuuuukas ….“ Die Kurve antwortet: „Podolski“
Auf ein Wiedersehen hoffen tatsächlich viele: „Poldi – bis in vier Jahren!“ „verlangen“ unzählig Fans.
Darum lieben ihn die Fans: Ganz einfach. Erstens: Fans lieben gute Spieler: Der antrittsschnelle Torgarant ist definitiv ein außergewöhnlicher Kicker. Zweitens: Fans lieben Spieler, die alles geben: Der Stürmer rackert, läuft und kämpft. Lukas Podolski ist eindeutig ein Fanliebling. Er ist aber weit mehr als das: Podolski wird von den Kölnern verehrt und geschätzt. Er bleibt „ihr“ Prinz, „ihr“ FC-Idol.
Das Stadtwappen von Köln hat sich Poldi auf die Innenseite des rechten Oberarms tätowieren lassen. In diese Stadt will er wieder zurückkehren, sagt er. Der gebürtige Pole fühlt sich als Kölner und ist ein echtes „Eigengewächs“ des Traditionsklubs.
Ob er noch einmal für die „Geißböcke“ auflaufen wird, ist aber fraglich. In der Fanszene gab es in „Poldis“ „zweiter FC-Karriere“ schon vereinzelt Kritik am „Prinzen“. Grundsätzlich ist der Angreifer allerdings ein Beweis, dass emotionale Bindung über die Vernunft oder sogar Gier siegen kann.
Bei „Poldi“ gewinnt man den Eindruck, dass er ehrlich sei und wisse was sich gehört. Das spürte auch sein polnisches Geburtsland, als er dem Nationalteam 2008 zwei Tore einschoss und danach nicht jubelte. Er griff sich zweimal ans Herz. Wie schon beim Tor gegen Köln.
Darum liebt ihn der Verein: Welche Gründe auch immer ausschlaggebend waren: „Prinz Poldi“ verzichtete auf lukrative und sportlich bessere Angebote und gab „seinem“ „Eff Zeh“ wieder ein Gesicht. Der Abstiegskandidat verfügt somit über einen herausragenden Stürmer, der einen der besten linken Füße der Welt hat. „Wir wollen hier eine Geschichte schreiben und Lukas soll das Gesicht der Geschichte werden.“
Geschichte haben sie nicht geschrieben, zumindestens nicht in sportlicher Hinsicht. Die Heimkehr ins Rheinland war jedoch für die Fans ein Märchen, hoffentlich wird die Erinnerung daran nicht verblassen, da sie nicht durch zählbare Erfolge bekräftigt wurde.
Blumenspende oder Denkmal?
Klar ist, Lukas wollte 2009 nicht nur dem Klub helfen, sondern auch selbst wieder Selbstvertrauen tanken. Allerdings war er schon zuvor ein wahrer Fanliebling. Die „Eff Zeh“-Fans spüren, dass er einer von ihnen ist. Zwar kein gebürtiger Rheinländer, jedoch hat fast seine gesamte Kindheit und Jugend um Köln verbracht und dort erstmals aufgezeigt.
Er beglückte ein schwaches Team auch ab 2009 mit wunderschönen Toren. Eine Ausnahmeerscheinung im Profifußball. Die Fans haben ihn schon bei den Bayern nicht vergessen. Seine Authentizität machte es möglich ein Kölsches Herz unterm blau-weißen Wappen zu tragen.
Auf der Webpage transfermarkt.at steht: Zu den großen Namen des Clubs zählen u.a. Wolfgang Overath, Pierre Littbarski und Lukas Podolski.
Der gebürtige Gleiwitzer ist mit 28 Jahren also bereits eine Vereinslegende. Auch Sohn Louis wurde kurz nach seiner Geburt im April 2008 als FC-Köln-Mitglied angemeldet und das obwohl dieser das Licht der Welt in München erblickte.
Die Pro7-Sendung „switch reloaded“ sagt es voraus:
„Nostradamus-TV“ prophezeit: 1. Juni 2078: Der 1. FC Köln steigt nach 64 Jahren wieder in die Erste Liga auf. Vereinspräsident (!) Lukas Podolski sagte: „Voll geil, wir freuen uns riesig!“
Einziger Wehrmutstropfen ist, dass „Poldi“ und „seinem“ FC bisher kein Erfolg geglückt ist. Ein Meistertitel scheint ein Ding der Unmöglichkeit für die „Geißböcke“ und eine Pokalüberraschung konnten die Rheinländer auch nicht erleben. Der Fanliebe tut dies jedoch keinen Abbruch: Sie tendieren wohl geschlossen zu einem Denkmal für den Sensationsangreifer aus Bergheim.
Marie Samstag, abseits.at
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Marie Samstag
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