Der Willi-„Ente“-Lippens- Preis (6) – Thomas Müller
Deutschland 22.Februar.2014 Marie Samstag 0
Hier prämieren wir die schlagfertigsten und einfallsreichsten Sager von Kickern, die nicht nur auf dem Platz sondern auch verbal Spielwitz zeigten. Sprüche à la „Der FC Tirol hat eine Obduktion auf mich.“ oder „Wir dürfen nicht den Sand in den Kopf stecken.“ bleiben außer Konkurrenz. In unserer achtteiligen Serie stellen wir euch Herren vor, die auch als Satiriker gute Figur gemacht hätten. Prickelnde Spitzzüngigkeiten haben schließlich immer Saison.
Wer hat sich „Ente“ Lippens zum Vorbild genommen? Der „Urvater“ der ballesterischen Schmähbruder schleuderte dem Schiedsrichter einst auf dessen Drohung: „Ich verwarne Ihnen“ ein geistreiches „Ich danke Sie“ entgegen. Lippens flog daraufhin vom Platz, aber auch direkt in die Geschichtsbücher der kecksten Fußballeraussprüche. Viele andere folgten. Nachstehende Herren lieferten mitunter das Beste, das die deutschsprachige Kickerwelt je gehört hat…
Teil 6 unserer Serie behandelt ….
Thomas Müller – Die sprechende Lederhose
Thomas Müller ist für den FC Bayern München, was einst Matthias Sindelar für Austria Wien, Uwe Seeler für den HSV und Bobby Charlton für Manchester United waren: Eine Identifikationsfigur. Eigengewächse, die womöglich noch aus dem Umland stammen, ansprechende Leistungen bringen und dem Klub nach außen hin ein Gesicht verleihen sind für Traditionsvereine wichtig. Sie liefern die notwendige Portion Lokalkolorit in der multikulturellen Fußballwelt. Auch das bayerische „Reinheitsgebot“ eines weltberühmten Klubs mit großem Anspruch verlangt nach ein paar Lederhosen-Buam, die „Mia san mia“ ohne Probleme aussprechen können.
Gallionsfiguren in den eigenen Reihen zu haben, erwartet insbesonders die Fanszene: Ein guter Spieler, egal woher er kommt, wird gefeiert, zur Legende werden aber nur jene Kicker, mit denen sich die Fans identifizieren können. Steffen Hofmann, der aktuelle Rapid-Kapitän, ist das beste Beispiel dafür, dass man nicht unbedingt die Jugendmannschaften eines Klubs durchlaufen muss, um gottgleich verehrt zu werden. Aber Hofmann macht die Tatsache, dass er in Würzburg geboren ist und Rapid einst nur als Sprungbrett zurück in die deutsche Bundesliga sah, damit wett, dass er den „Rapid-Geist“ verkörpert und dem Verein seit über zehn Jahren die Treue hält. Nicht zu vergessen sind seine außerordentlichen Qualitäten mit denen er die Hütteldorfer bislang zu zwei Meistertiteln führen konnte.
Neben Lahm, Badstuber, Götze, Schweinsteiger und Weihrauch gehört Thomas Müller zu den sechs gebürtigen Bayern in der aktuell ersten Mannschaft der „Roten“. Allerdings darf man den in Süddeutschland geborenen, aber im Ruhrpott aufgewachsenen Götze wohl eher nur als „halben“ Schwaben zählen.
Neben Mittelfeldstratege Schweinsteiger verkörpert Thomas Müller den bajuwarischen Naturburschen wohl am besten: Er redet „frei Schnauze“, schwärmt vom bayerischen Oberland und dem heimatlichen Ammersee, gibt sich jugendlich und unbekümmert, aber niemals schleißig. Ein Instinktfußballer mit dem Bayern-Gen, der den Schweinsbraten der Oma liebt. Müller ist ein Familienmensch für den, nach den Sternen zu greifen, kein Widerspruch zur heimatlichen Idylle ist.
Müllers Büro
Seit 2000 kickt der gebürtige Pähler für den FC Bayern München. Anfangs sei der Beruf Profifußballer für ihn zwar Wunschtraum, aber nicht Ziel gewesen. „Ich hab immer gespielt, um ins nächste Jahr zu kommen. Ich hab‘ mir nie gesagt: Ich muss Fußballprofi werden.“ Mit 19 Jahren wird sich der Oberbayer aber bewusst, dass eine mögliche Profikarriere doch nicht außer Reichweite ist. „Selbst nach der A-Jugend habe ich es nicht für möglich gehalten, dass es für Bayern reicht.“, räumt er aber zugleich ein. Es reicht aber. Und wie es reicht. 18 Tore schießt er in der A-Jugend und unterschreibt bei den Amateuren. Schon damals klingelt das Telefon bei den Müllers und Jürgen Klinsmann, der damalige Trainer der Münchner, lädt den noch 18-jährigen ein, die Vorbereitung gemeinsam mit den Profis zu absolvieren. Müller gibt kurz danach sein Profi-Debüt, wird aber weitestgehend bei den Amateuren eingesetzt. 36 Spiele und 16 Treffer macht er in der dritten Liga und wird in den Profikader hochgezogen.
Sein rasanter Aufstieg verläuft „zweigleisig“: Müller fährt 2010 mit den Deutschen zur Fußball-WM nach Südafrika. In sechs Spielen erzielt er fünf Tore und bereitete drei vor. Am Ende wird die DFB-Elf Dritter und der WM-Debütant Torschützenkönig. Locker und lässig gibt er sich auch in Afrika, er grüßt die Großeltern per Videobotschaft und spendiert seinem Heimatort eine Ration Freibier. Ob es ihm besondere Genugtuung bereitet ausgerechnet gegen Argentinien ein tolles Spiel zu zeigen? Bei seinem Nationalmannschaftsdebüt hatte der Trainer der Gauchos, ein gewisser Diego Maradona, den Oberbayern nicht als DFB-Spieler erkannt und sich geweigert an der Pressekonferenz teilzunehmen. Müllers Antwort kommt zeitversetzt ein halbes Jahr später: 4:0 für die Deutschen heißt es nach 90 Minuten.
„Immer Glück ist Können.“
Die Müller’sche Doppelhelix auf Klub- und Nationalmannschaftsebene nimmt so ihren Lauf. Seit damals ist der 1,86 Meter große Angreifer weder aus der Bayern-Elf noch aus dem deutschen Team wegzudenken. Stolz wie König Ludwig, unerschütterlich wie ein alpenländischer Senner, dazu spitzbübisch wie Karl Valentin beglückt Müller eine ganze Nation auch wenn er nicht auf dem Platz steht. „Ich kann leider nur Fußballspielen und deshalb sind die Interviews so, wie sie sind.“, muss er bei der WM schmunzelnd zugeben. „Thomas Müller“, der Name eines „Durchschnitts-Deutschen“, steht auch für einen außergewöhnlichen Spieler. Er ist kein „Technik-Messias“, der auch mit einer Orange jonglieren kann, kein Athlet, vor dem sich die Grashalme verbeugen, wenn er den Platz mit federndem Schritt betritt. Müller ist ein Spieler, der unberechenbar und intuitiv agiert. Er schießt mit links und rechts, macht Kopfballtore, wird aber nicht zum Zlatan Ibrahimovic. Müller ist ein effizienter Spieler, Tore sind seine Hauptaufgabe, ab und an gelingen ihm jedoch auch schöne Treffer. Der Bayer hat eine ganz klare Vorstellung, wie er seine Goals feiern möchte: „Auf die Knie geht man nur beim Torjubel.“, antwortet der Jung-Vermählte einst auf die Frage, wie er seiner Freundin den Heiratsantrag gemacht habe. Der 24-jährige ist sein eigener Typ. „Er ist der beste Spieler der Raum, Ball, Mitspieler und Gegner gleichzeitig sehen kann.“, sagt sein ehemaliger Trainer Louis van Gaal über ihn. Müller läuft, läuft und läuft, bindet so Gegenspieler und öffnet Räume.
Im ZDF-Sportstudio bezeichnete er sich selbst als „Raumdeuter“. Der Angreifer sieht seine Spezialität als eine Kombination aus Intuition, Analyse sowie Glück und ergänzt: „Wobei ich da Hermann Gerland (Bayern-Amateurtrainerlegende, Anmerkung) zitieren darf, der sagt: „Immer Glück ist Können.““ Intern wird Müller als Spaßvogel gesehen. „Manifeste“ Streiche spielt zwar Franck Ribery, Müller ist eher „verbal aktiv.“ Manchmal scheint er auch unbeabsichtigt einen Schmäh zu liefern: „We have a big breast.“, meinte er in einem auf Englisch geführten Gespräch vor dem letzten CL-Gruppenspiel gegen Manchester City. Vor dem Viertelfinalspiel gegen Juventus Turin werden Müller und Teamkollege Kroos von einem Medienvertreter gefragt, ob es nicht doch auch gut sei, dass die Bayern am Wochenende den Titel noch nicht nach München holen konnten, da so die Gier oder der Hunger nach Titeln noch nicht gestillt sei. „Ja, war gut.“, gibt der Pähler trocken zu Protokoll. Als der Reporter nachhakt und um nähere Ausführungen bittet, meint Müller: „Es war gut für uns weil jetzt die Gier und der Hunger nach Erfolg noch nicht gestillt sind.“
Großes Mundwerk, viel dahinter
„Das kann ich nicht beurteilen, ich bin kein Kriminaltechniker.“, antwortet der Spaßvogel nach dem Gewinn der Meisterschaft im Frühsommer 2013 auf die Frage, ob auf der Schale noch Fingerabdrücke der Dortmunder Mannschaft seien. Erfahrung im Titelgewinnen hat Müller jedenfalls schon: Zwei Mal wurde er deutscher Meister, ebenso oft Pokalsieger und nach zwei verlorenen Finalis gewann er 2013 auch die Champions-League-Trophäe. Die Frage auf was er sich nach anstrengenden Turnieren am Meisten freue, beantwortet er nach seiner ersten WM-Endrunde bestimmt: „Auf Ruhe und auf viel Ruhe und danach nochmal auf Ruhe und irgendwann geht’s dann wiederlos.“
Müller bleibt auch cool, als ihn ein Moderator nach Bayerns-Triple-Saison fragt, was für eine „abgezockte Sau“ er eigentlich sei. „Tierische“ Spitznamen sind kein Problem für den Offensivspieler: So bezeichnet er sich selbst als „das letzte Einhorn“, als ihm nach einem Luftzweikampf eine Beule auf der Stirn „wuchs“. „Wenn meine Nase nicht so groß wäre, dann wäre ich hübscher.“, ergänzt er dazu.
Thomas Müller kann aber noch viel mehr als nur Tore schießen oder „blöd“ reden. Einst imitierte er gekonnt Hermann „Tiger“ Gerland: „Irgendwann kommt der Sensenmann, der holt uns alle, ich komm in die Hölle, du, in den Himmel. Aber heute lassen wir die Sau raus.“ So stellt der Oberbayer 2013 Gerlands Zwiegespräch mit dem damaligen Bayern-Headcoach Jupp Heynckes anlässlich der Feierlichkeiten zum Champions-League-Sieg nach.
Mit „Wir Fußballer denken eh nur von heute bis gestern.“ lieferte „der Müller“ wieder ein klassischen „Müller“. Gerd „Bomber der Nation“ Müller hat das „Müllern“ zu einem geflügelten Wort gemacht, wenn es ums Tore schießen ging, rund vierzig Jahre später beherrscht diese Kunst der „neue“ Müller im Trikot der Bayern nicht nur auf sondern auch neben dem Platz.
Marie Samstag, abseits.at
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Marie Samstag
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