Der “Willi-”Ente”-Lippens-Preis” oder “Frechheit siegt” (4) – Berti Vogts
Deutschland 12.Februar.2014 Marie Samstag 0
Hier prämieren wir die schlagfertigsten und einfallsreichsten Sager von Kickern, die nicht nur auf dem Platz sondern auch verbal Spielwitz zeigten. Sprüche à la „Der FC Tirol hat eine Obduktion auf mich.“ oder „Wir dürfen nicht den Sand in den Kopf stecken.“ bleiben außer Konkurrenz. In unserer achtteiligen Serie stellen wir euch Herren vor, die auch als Satiriker gute Figur gemacht hätten. Prickelnde Spitzzüngigkeiten haben schließlich immer Saison.
Wer hat sich „Ente“ Lippens zum Vorbild genommen? Der „Urvater“ der ballesterischen Schmähbruder schleuderte dem Schiedsrichter einst auf dessen Drohung: „Ich verwarne Ihnen“ ein geistreiches „Ich danke Sie“ entgegen. Lippens flog daraufhin vom Platz, aber auch direkt in die Geschichtsbücher der kecksten Fußballeraussprüche. Viele andere folgten. Nachstehende Herren lieferten mitunter das Beste, das die deutschsprachige Kickerwelt je gehört hat…
Teil 4 unserer Serie behandelt ….
Berti Vogts – Das Gebell des Terriers
Hans-Hubert lautet sein Vorname. Die Fußballwelt kennt die deutsche Spieler- und Trainerlegende aber nur unter ihrem Rufnamen „Berti“. Bissig und kämpferisch wie ein knurrender Hund werkte der Berti einst in der Abwehrreihe, weswegen er zu seinen aktiven Zeiten auch „Terrier“ genannt wurde. Der Nordrhein-Westfale galt als Trainingsweltmeister mit großem Fleiß und Ehrgeiz und als treue Seele: 14 Jahre lang spielte Vogts als Profi für Borussia Mönchengladbach und ist somit deren Rekordspieler. Seine Karriere kann man als durchaus gelungen bezeichnen: Vogts holte mit Gladbach fünf Mal die deutsche Meisterschale, einmal den Cup und ging zwei Mal als Sieger des UEFA-Cups vom Platz. Auf internationaler Ebene wurde der Abwehrspieler Welt- und Europameister mit der deutschen Nationalelf, ehe er seine aktive Laufbahn beendete und auch auf der Bank dieselben zwei Titel nochmals einfuhr: EM-Gewinner 1996 als Trainer, Sieger der WM-Endrunde 1990 als Co-Trainer. Kurzum: Berti Vogts ist ein Kultfußballer und erfolgreicher Trainer. Doch im Gegensatz zu anderen deutschen Fußballstars wird ihm weder die gottgleiche Heldenverehrung des Kaisers zuteil, noch verfügt er über die nostalgisch-mythische Aura eines Fritz Walter. „Franz [Beckenbauer, Anmerkung] hat diese Gabe, die ich nicht habe. Wo er auftaucht, ist schönes Wetter. Ich bin halt der Berti“, weiß Vogts selbst. Es scheint, als hätte sich der Rekordspieler der Fohlenelf trotz seiner ganzen Erfolge nie wirklich in die Herzen der Fans gespielt. Vogts muss und musste stets viel Kritik einstecken, er bleibt unnahbar. Da hilft es auch nicht, dass Stefan Raab ihn 1994 mit einem eigenen Lied beglückte: „Böörti, Böörti Vogts“.
Tante Maria
Dabei verfügt der Deutsche über einige der tugendhaftesten Charaktereigenschaften: Fleiß, Selbstkritik und die konsequente Arbeit an seinen (fußballerischen) Schwächen. Als Aktiver war er der Albtraum eines jeden Angreifers: Der „Terrier“ verbiss sich in seine Attacken und verfolgte als Kettenhund jeden Stürmer auf Schritt und Tritt. Vogts, das Arbeiterkind, wurde auch selbst ein akribischer Arbeiter: Am Platz rackerte er und lief sich die Füße wund, heute, als Trainer predigt er seine eigenen Konzepte, die Vogts-Methode. Am Anfang seiner Geschichte steht jedoch ein schwieriger Start ins Leben: Der am 30. Dezember 1946 in Büttgen in Nordrhein-Westfalen zur Welt Gekommene verliert bereits im jungen Alter von 12 Jahren seinen Vater. Ein Jahr darauf stirbt auch die Mutter. Vollwaise Vogts wird von Tante und Onkel großgezogen. „Ich musste im Leben immer den harten Weg gehen und darauf bin ich stolz.“, erzählt Vogts. Dem 1,68 Meter großen Burschen bleibt damals nichts Anderes übrig. Vogts Zieheltern betreiben eine Gaststätte, wo Berti in einfachen Verhältnissen aufwächst. Tante Maria wird zum Mutterersatz und steht ihm tatkräftig zur Seite, so unterstützt sie ihn als er vom VfR Büttgen zu Borussia Mönchengladbach wechselt. Nebenbei absolviert er erfolgreich eine Lehre zum Werkzeugmacher.
Der Erfolg ist ein Hund
„Wenn ich so Fußball gespielt hätte wie Berti Vogts, so als reiner Wadenbeißer, dann hätte ich mit 18 Jahren meine Fußballschuhe verbrannt.“, behauptet Klaus Toppmöller. Friedhelm Funkel schlägt in dieselbe Kerbe: „Vogts ist doch nur ein Weltklasseverteidiger geworden, weil er wie ein Berserker ausgeteilt hat.“ Vogts Problem als Spieler ist, dass er weder zum Zauberer noch zum Spielmacher taugt. Diese Talente hat er nicht mitbekommen, stattdessen mausert er sich zum beinharten Abwehrspieler. Doch wer ihm mangelnden Respekt erweist, hat noch nicht ganz verstanden, dass man kein Spiel mit elf grazilen Ballkünstlern gewinnen kann. Es muss auch immer jemanden geben, der – mangels anderer Qualitäten – die Drecksarbeit verrichtet. Ab 1965 tut Vogt dies bei seinem Stammverein Borussia. Der „Terrier“ führt die Mannschaft als Kapitän an und erzielt 33 Tore in 419 Spielen. Gladbach ist damals einer der besten Klubs in Europa, die große Zeit genießt Vogts an der Seite seines Freundes Günther Netzer. „Wenn‘s mir schlecht geht und ich bin in Australien, ruf ich ihn an und er holt mich raus.“, beschreibt er die Freundschaft zu seinem langjährigen Kollegen und engem Vertrauten.
Rigoros verhält sich Vogts nicht nur im Zweikampf, sondern auch seinem eigenen Körper gegenüber kennt er kein Erbarmen: 1971 schleppt er sich mit einer Meniskusverletzung durch die gesamte Bundesligasaison. Er will die Mannschaft nicht im Stich lassen und wahrscheinlich auch sich selbst nicht enttäuschen. Ein Jahr später muss er verletzungsbedingt beim Gewinn des EM-Titels passen, steht aber trotzdem im Kader der DFB-Mannschaft. Sein bestes Spiel im Nationaltrikot macht er beim WM-Finale 1974. Berti nimmt Superstar Johan Cruyff aus dem Spiel und trägt so sein Scheibchen zum Triumph der Deutschen über die Niederlande bei. Von Cruyff spricht die ganze Welt, Verteidiger Vogts steht selbst nach seiner bravourösen Leistung nicht wirklich im Licht. Das Los vieler Abwehrspieler.
Er gilt als beliebter Spieler macht sich allerdings selbst oft zur Zielscheibe, indem er kabarettreife Sprüche produziert, die viele mit dem althergebrachten Klischee „minderbemittelter Fußballer“ gleichsetzen. Besonders in Erinnerung bleibt seine Antwort auf die Frage, was er denn zur Folter in der argentinischen Militärjunta anlässlich der WM-Endrunde ‘78 sage: „Ich bin mir sicher, unserer Mannschaft wird nichts passieren.“ Später glänzt er mit Aussagen wie: „Die Breite in der Spitze ist unglaublich groß.“ oder „Ich glaube, dass der Tabellenerste jederzeit den Spitzenreiter schlagen kann.“
Ein dummer Berti …
…ist der gebürtige Büttgener aber sicher nicht. Bisweilen beweist Vogts, dass sein Terrier-Gebell durchaus auch eine satirische Komponente haben kann: „Die Kroaten sollen ja auf alles treten, was sich bewegt – da hat unser Mittelfeld ja nichts zu befürchten.“. So etwa kritisiert der ehemalige Teamchef von Aserbaidschan die deutsche Nationalmannschaft.
Es mag daran liegen, dass der Blondschopf etwas sperrig und konservativ auftritt, sein Sinn für Humor wird daher von vielen nicht gleich als solcher erkannt. Im Gegensatz zu seinem Freund Günther Netzer, dessen distanzierte Art seinen Aussagen noch mehr Kurzweil verleihen, erstickt Vogts humoristische Ansätze durch seine mausgraue Erscheinung. Ob er sich bewusst war, welchen „Schenkelklopfer“ er einst geliefert hatte, als er sich zum Thema Gewalt im Stadion äußerte: „Hass gehört nicht ins Stadion. Solche Gefühle soll man gemeinsam mit seiner Frau daheim im Wohnzimmer ausleben.“ Vogt selbst ist übrigens seit 2003 geschieden. Zuvor hatte er seine Gattin noch als mögliche Biografin ins Spiel gebracht: „Wenn ich mal ein Buch schreibe, dann schreibt das meine Frau.“ Die richtige Antwort auf die Vorwürfe der Sportjournaille und selbsternannten Experten ist Vogts erfrischender Jesus-Vergleich: „Wenn ich über’s Wasser laufe, dann sagen meine Kritiker, nicht mal schwimmen kann er.“
Seine Probleme mit den Medien beginnen erst, als der Ex-Verteidiger Trainer wird. Als DFB-Jugendtrainer durchleuchtet Vogts die Nachwuchskonzepte Europas, ehe er in den Trainerstab der Kampfmannschaft wechselt. 1990 wird er als Co-Trainer Weltmeister, anschließend arbeitet er bis 1998 als Headcoach und wird 1996 Europameister. Trotz allem ist er nie unumstritten: Ihm werden begrenzte Fähigkeiten im Umgang mit gewissen Spielern zugeschrieben. 1994 kommt es bei der WM zum „Spielerfrauen-Skandal“: Einige Gemahlinnen wollen im selben Hotel, wie ihre Männer schlafen. Berti macht Zugeständnisse und lässt den Ehepaaren viel gemeinsame Zeit. Die DFB-Elf scheidet im Viertelfinale gegen Bulgarien aus und daheim ist mit dem Trainer der Sündenbock schnell gefunden. Angeblich kann ihn nur ein Telefonat mit dem, von ihm bewunderten Helmut Kohl, zum Weitermachen überreden. Dabei hatte der ehemalige Abwehrspieler klare Ansagen zur wichtigsten Nebensache der Welt gemacht: „Sex vor einem Spiel? Das können meine Jungs halten, wie sie wollen. Nur in der Halbzeit, da geht nichts.“ 1998 verlässt Vogts das Nationalteam und wird Cheftrainer bei Bayer Leverkusen. Seine weiteren Stationen heißen Kuwait, Schottland und Nigeria. Von 2008 bis 2014 ist der streitbare Deutsche Teamchef von Aserbaidschan.
„Ihr habt das deutsche Wetter mitgebracht, das passt uns gar nicht.“
ruft Berti einst seinen „Lieblingsfeinden“, den Journalisten, zu, als er sie beim Länderspiel in Baku in Empfang nimmt. Er unterrichtet sie auch über seine Freizeitgestaltung in der aserbaidschanischen Hauptstadt: „Hier gibt es eine nette Kneipe mit guten Bratkartoffeln und gutem Bier.“ Traditionsbewusst hat er es sich auch in Vorderasien mit den hiesigen Medienvertretern verscherzt. Unbekannte wollen den Gladbacher Rekordspieler nach einer Pressekonferenz anlässlich einer Niederlage gegen Kasachstan mit Wasser und Klopapier eindecken.
Eigentlich ist es beim heute 70-jährigen nie ganz klar, ob er seine Aussagen ohne großes Nachdenken trifft oder ob er seine Gesprächspartner mittels simpler Direktheit nur überraschen möchte. Ist Berti Vogts wirklich ein würdiger Nachfolger von „Ente“ Lippens? Das kann nur er selbst wissen. Sicher ist: Vogts Können, sein Ehrgeiz, seine Opferbereitschaft und sein Fachwissen haben den deutschen Fußball ein gutes Stück nach vorne gebracht und darum geht es schließlich.
Marie Samstag, abseits.at
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