Nach beinahe zwei Jahren wurde Jens Keller als Trainer des FC Schalke 04 entlassen. Durchgehend stand der Coach in diesen beiden Jahren in der... Di Matteo statt Keller (1) – Die Defizite des FC Schalke 04 unter Jens Keller

FC Schalke 04 - Logo, WappenNach beinahe zwei Jahren wurde Jens Keller als Trainer des FC Schalke 04 entlassen. Durchgehend stand der Coach in diesen beiden Jahren in der Kritik und galt ohnehin als Wackelkandidat; Präsident Clemens Tönnies sprach sogar davon, dass er ohnehin im Sommer gegangen worden wäre. Zwar hatten die Schalker vergleichsweise gute Resultate unter Keller (sie wurden Vierter und Dritter), aber dennoch ist die Entlassung verständlich. Sogar zu diesem Zeitpunkt. Die Wahl des Nachfolgers hingegen ist durchaus diskutabel. In dieser zweiteiligen Serie lassen wir zunächst die Ära Jens Keller Revue passieren und blicken dann auf die mögliche Entwicklung unter Roberto di Matteo.

Jens Keller – Jugend- statt Bundesligatrainer

Schon zu Beginn der Amtseinführung Kellers gab es Lob und Kritik. Vielfach wurde diese Entscheidung positiv gesehen, weil Keller in der Jugend große Erfolge gefeiert hatte; als er Trainer der Schalker wurde, hatte seine B-Jugend bislang jedes einzelne Spiel gewonnen und galt als beste Nachwuchsmannschaft Deutschlands. Seine Rolle als Trainer bei Schalke sollte wohl primär dazu dienen, dass die vielen hochtalentierten Jugendspieler den Sprung in die erste Mannschaft einfacher schaffen. Spieler wie Maximilian Meyer, Kaan Ayhan, Joel Matip, Julian Draxler, Sead Kolasinac, Ralf Fährmann und einige andere weniger namhafte Akteure blühten entweder unter Keller auf, oder eroberten sich in dieser Zeit einen Stammplatz.

Doch trotz des positiven Fokus auf die Jugend gab es viel zutreffende Kritik. Keller war/ist zwar ein guter Jugendtrainer, profitierte aber von den enorm starken Einzelspielern und hatte gewisse Probleme, die darum im Jugendbereich nicht wirklich auffielen.

Schwächen im taktischen Bereich

Besitzt man eine solch überlegene Jugendmannschaft wie Keller in der B-Jugend beim FC Schalke 04 (oder auch eine sehr talentierte A-Jugend in seiner Zeit beim VfB Stuttgart 2008/09), fallen taktische Mängel beim Trainer ohnehin kaum auf. Zusätzlich ist die Konkurrenz ebenfalls in diesen Jahrgängen taktisch noch nicht so ausgeprägt, wodurch eigene Schwächen durch die gegnerischen Probleme quasi kompensiert werden. Kurz gesagt: Selbst wenn Schalkes B-Jugend taktische Probleme hatte, so konnten sie sich jederzeit auf ihr Sturmduo verlassen, wo insbesondere Donis Avdijaj mit 57 Scorerpunkten in nur 2066 Minuten Spiele im Alleingang entscheiden konnte.

In der taktisch hochentwickelten Bundesliga und mit geringerer individueller Überlegenheit zeigten sich die Schwächen Kellers. Vielfach gab es schlechte Anpassungen an den Gegner; gegen die individuell stärkeren Bayern gab es eine fast symbolische Leistung. Dort spielte man Anfang März in einem passiven und komplett unstrukturierten 4-5-1, wodurch man mit 1:5 unterging – auch ein 0:10 wäre im Rahmen des Vertretbaren gewesen, hätten die Bayern sich nicht zurückgehalten. Schalke war nie präsent gegen den Ball, es mangelte ihnen an Dynamik, Intensität und Kompaktheit. Unter diesen Problemen litten sie auch in anderen Spielen und mussten sich vielfach auf simple Mechanismen wie Flügelüberladungen oder die enorme Qualität ihrer Einzelspieler verlassen. Doch sogar diese wurde ansatzweise von Keller falsch eingesetzt und eingeschätzt.

Schwächen im spielerisch-personellen Bereich

Roman Neustädter und Marco Höger waren in der vergangenen Saison die beste Doppelsechs, die der FC Schalke 04 aufbieten konnte. Die Fans sahen dies weitestgehend so, unter Experten bestand dieser Konsens und auch die Statistiken sprachen eine klare Sprache (30:10 Tore in 13 Spielen, darunter 11 Siege, bei dieser Doppelsechs Anfang September 2013). Aber Jens Keller schien dies anders zu sehen: Vielfach agierte Jermaine Jones als Stammsechser und spielte sogar in einer fokussierten Rolle, kippte ab, baute das Spiel auf und rückte dann in der Angriffsentwicklung bis an den gegnerischen Strafraum nach vorne. Seine strategischen und taktischen Schwächen schienen vom eigenen Trainer unerkannt zu bleiben, ebenso wie die positiven Synergien von Höger und Neustädter. Als Jones häufiger auf der Bank saß und letztlich im Winter von Horst Heldt verkauft wurde, ging es plötzlich bergauf mit den Schalkern, die sich phasenweise sogar auf Platz Zwei hocharbeiten konnten.

Auch Maximilian Meyers Bewegungsabläufe (zu stark orientiert in die Spitze), die Flügel generell (zu fokussiert im Aufbauspiel) oder Klaas-Jan Huntelaars Bewegungen (zu fokussiert im Zwischenlinienraum) waren Probleme, die erst nach längerer Zeit oder gar nicht korrigiert wurden. Oftmals wurden die spielerischen Probleme der Schalker aber nicht auf die taktischen Mängel und Fehleinschätzungen der eigenen Spieler zurückgeführt, sondern auf „Pech“, insbesondere im Bezug auf die vielen Verletzungen. Dabei war dies ein weiterer Schwachpunkt Kellers.

Schwächen im physischen Bereich

Die Schalker litten nicht nur unter dem Mangel einer kohärenten Spielidee und vielen unverständlichen Gegneranpassungen sowie Spielereinschätzungen, sondern auch unter den zahlreichen Verletzten – die entgegen der üblichen Meinung weitestgehend auf den Trainer und seine Trainingsarbeit zurückzuführen sind. Im Jugendbereich wird wegen dem Fokus auf die technische Ausbildung und wegen der Zeit in der Schule weniger trainiert, wodurch Verletzungen seltener sind. Desweiteren gibt es keine englischen Wochen, keine Reisen (Probleme mit Jetlag) und auch die Spiele sind weniger intensiv, während die jungen Körper noch sehr schnell und effektiv regenerieren. Auch die Trainingszahl selbst ist etwas geringer als im Profibereich, wodurch die Trainingsplanung in puncto Intensität und Volumen erleichtert wird und die Konsequenzen bei schwächerer Planung zumindest kurz- und mittelfristig weniger verheerend sind.

Im Profibereich hatte Keller aber Probleme, weil zu voluminös und zu unangepasst an externen Problemen trainiert wurde. Dadurch hatten die Schalker in der Ära Keller viel zu viele Verletzungen, die häufig auch muskulärer Natur waren und ohne Gegnereinwirkung entstanden; zwei Indizien, dass es an Übermüdung durch schlechte und nicht-fußballspezifische Trainingsübungen lag.

Fazit

Obwohl Keller in der Jugend einen passablen bis guten Job machte und zumindest die Jugendförderung, sowie einen betont souveränen und ruhigen Umgang mit den Medien als positive Markenzeichen in seiner Zeit bei Schalke geprägt hat, so zeigte er auch viele Mängel, die im Hochleistungssport nicht tragbar sind. In seinen fast zwei Jahren bei Schalke bewies er, dass er weder den enorm hohen Ansprüchen noch dem großen Potenzial des sehr jungen Kaders gerecht werden konnte. Darum haben sich die Schalker Verantwortlichen nun für eine Trennung entschieden, deren einziges Problem die Vertragsverlängerung in der vergangenen Saison war – denn obwohl Keller Saisonziel Platz 3 erfüllte, war seine Leistung schon damals absehbar auf längere Sicht nicht ausreichend.

René Maric, www.abseits.at

Rene Maric

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