Nach nur einem Punkt aus den ersten zwei Spielen in der Rückrunde machte sich negative Stimmung breit. Besonders die Niederlage gegen den FC Augsburg... Die BVB-Krise: Von strategischen Problemen, Verbesserungen und hoher Qualität als Rettungsanker

Borussia Dortmund - Logo, Wappen Nach nur einem Punkt aus den ersten zwei Spielen in der Rückrunde machte sich negative Stimmung breit. Besonders die Niederlage gegen den FC Augsburg Mitte der englischen Woche sorgte nach dem Unentschieden gegen Bayer für Ernüchterung. Die drei Punkte in Freiburg helfen zwar im Abstiegskampf, doch es war eine Pflichtaufgabe. Erst gegen Mainz gelang der Befreiungsschlag.

Doch wie kam es überhaupt zu dieser bisher sehr schwachen Saison? Wo liegen die Ursprünge und wie war der Entwicklungsverlauf?

Pech und Verletzungsprobleme

Zu Saisonbeginn waren die Leistungen des BVB eigentlich noch sehr gut, obwohl sie sich nicht in den Ergebnissen und im Tabellenplatz widerspiegelten. Die meisten Spiele dominierten die Dortmunder, zeigten an sich die üblichen Stärken und waren lediglich nicht im Stande, die Chancen zu verwerten. Einzelne Spiele wurden schlichtweg wegen Fehlentscheidungen des Schiedsrichters, zufälligerweise ungünstig verlaufenen Aktionen (wie abgefälschte Bälle) oder etwas Pech im Abschluss verloren.

Dazu gesellten sich auch die vielen Verletzungsprobleme des BVB, welche wie in der vergangenen Saison eine der Mannschaften sind, die unter einer enormen Anzahl an Verletzungen leiden. Natürlich sind einige Verletzungen schlichtweg Pech. Allerdings trifft dies nicht auf alle zu. Meistens sind es nur Verletzungen mit direkter Gegnereinwirkung und Verletzungen am harten Gewebe, wie beispielsweise Knochenbrüche, die wirklich auf Pech in einer spezifischen Spiel- oder Trainingssituation zurückzuführen sind.

Die meisten Bänder- und Muskelverletzungen sowie einzelne Ermüdungsbrüche sind auf zu viel oder falsches Training zurückzuführen. Beim BVB häuft sich dies seit dem Abgang von Fitnesstrainer Oliver Bartlett. Gepaart mit der intensiven Spielweise und den schwierigen externen Faktoren (viele Reisen, Dreifachbelastung) entstehen dadurch die vielen Verletzungen, welche in dieser Saison neben dem Fehlen von Schlüsselspielern auch für Form- und Abstimmungsprobleme bei den eingesetzten Akteuren sorgten.

Die Bücher „The Original Guide To Football Periodisation“ von Raymond Verheijen, „Fitness in Football“ von Jan van Winckel und seinem Team sowie die Studien von Professor Jan Ekstrand zeigen, wie und weswegen Verletzungen im Fußball zustande kommen. Zwar ist es ohne Einblick in die Trainingsarbeit des BVB natürlich nicht abschließend zu bewerten – und auch bei Einblick schwer zu korrigieren –, aber die Indizien auf eine etwas unpassende Periodisierung sind im Vergleich zur restlichen Liga vorhanden.

Individuelle Mängel: Offensiv wie defensiv

Neben den Verletzungen und dem Pech kamen und kommen auch individuelle Fehler zu tragen. Zahlreiche Chancen wurden unsauber zu Ende gespielt oder sehr gute Chancen durch einen überhasteten und ungenauen Abschluss nicht verwertet. Dies gleicht sich im Normalfall langfristig zwar aus, kurzfristig kann dies jedoch zu enormen Differenzen zwischen dem eigentlich verdienten und dem letztlichen Ergebnis führen. Dieser Artikel bei StatsBomb zeigt, wie sehr diese Differenz beim BVB ausgeprägt ist: In Anbetracht ihrer Abschlusssituationen wäre eine Tordifferenz von plus 8 anstatt – 8 zu erwarten gewesen. Statistisch wäre man normalerweise mit solchen Werten im oberen Tabellendrittel zu finden.

Doch nicht nur die Offensive enttäuschte hierbei, sondern auch die Defensive. Ihr Pressing und Gegenpressing funktionierte eigentlich nach wie vor, aber auch hier erhielt man mehr Tore, als es die Statistiken prognostizieren würden.

Neben einzelnen Fehlern liegt dies aber teilweise auch an den Spielertypen und strukturellen Problemen. Besonders die Offensive hat hier in den entscheidenden Situationen und Zonen einen Mangel.

Strukturelle Probleme im letzten Drittel

Was beim „Expected Goals“-Model, einem sehr validen und verlässlichen Maß zur Einschätzung des weiteren Saisonverlaufs (besser als Schüsse, Tore oder Punkte), nicht in das Model einfließt, sind der Druck des Gegners und die eigene Staffelung beim Abschluss. Hier hat der BVB ein Problem, welches von obigen Statistiken nicht oder nur indirekt erfasst wird.

Im Strafraum mangelt es ihnen teilweise am Erspielen von passenden Abschlüssen, da sie zu früh und aus bedrängten Situationen abschließen. Unter Druck sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass man effizient abschließt. Dazu steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man gar nicht zu einem wirklichen Abschluss kommt, weil mehr Schüsse geblockt werden können.

Die taktischen Gründe sind neben zu vertikaler und abschlussorientierter Spielweise in Strafraumnähe auch bestimmte Bewegungen, insbesondere von Mittelstürmer Immobile. Der Neueinkauf aus Italien visiert in seinen Dribblings oft die falschen Räume an, verschleppt das Spiel, gibt nicht passend Tiefe und zerstört öfters auch passende Verbindungen, wodurch einige Angriffe nicht sauber zu Ende gespielt werden können.

Dennoch war dies alles bis kurz vor Ende der Hinrunde kein großes Problem.

Unpassende strategische Veränderung

Wie ausgeführt waren die zugrundeliegenden Zahlen vielversprechend. Früher oder später wäre es nach oben gegangen. Aber ungefähr seit dem zehnten und noch deutlich verstärkt seit dem dreizehnten Spieltag haben die Dortmunder aber Stück für Stück das Kombinationsspiel – insbesondere in Drucksituationen – aus ihrem Repertoire gestrichen. Sie schlagen schon früh den Ball von den Innenverteidigern lang nach vorne, überspringen damit das Mittelfeld und konzentrieren sich verstärkt auf das Gegenpressing.

Dadurch weiß der Gegner, was auf ihn zukommt und kann sich effektiv dagegen positionieren. Viele Mannschaften stehen gegen den BVB relativ tief, fangen die langen Bälle ab und kontern. Dieses Spiel mit langen Bällen ist für eine Spitzenmannschaft wie den BVB mit ihrem Spielermaterial und den gegnerischen Ausrichtungen schlichtweg unpassend. Man kann nämlich gegen einen tiefen und kompakten Gegner nie ausreichend Spieler in der gegnerischen Hälfte effektiv so positionieren, dass man aus diesen hohen Bällen konstant Angriffe erspielt. Viel eher wird man in mehr Konter hineinlaufen, was beim BVB auch ein paar Mal trotz gutem Gegenpressing der Fall war.

Darum haben die Leistungen des BVB auch abgenommen und nähern sich ihren zuvor sehr schlechten Ergebnissen an. Unter anderem die Partien gegen Köln und Paderborn waren strategisch, taktisch und spielerisch katastrophal. Deswegen wirkt der BVB auch Woche für Woche eher wie ein ernstzunehmender Kandidat für einen sensationellen Abstieg.

Fazit: Selbsterfüllende Prophezeiung

Der Abstiegskampf wird langfristig aber trotzdem kein Thema mehr sein. Dafür ist die Mannschaft trotz zwischenzeitlichem Abstiegsplatz und unpassender Strategie schlicht zu gut. Allerdings sollte sich der BVB überlegen, ob sie langfristig mit dieser extremen Kick’n‘Rush-Strategie der letzten Spiele wieder in alte Sphären gelangen können. Obwohl sie auch früher lange Bälle nutzten, so geschah dies nur punktuell und sie hatten dabei eine bessere Staffelung vorne. Des Weiteren fehlt mit Lewandowski auch der Zielspieler dafür.

Stattdessen sollte man eher versuchen, das Pressing wieder konstanter und erfolgsstabiler zu machen, während man Schritt für Schritt am Aufbauspiel arbeitet. Mehr Verbindungen in den Zehnerraum und Unterstützung des Sechserraums sowie die Nutzung des enormen spielerischen Potenzials sollten angestrebt werden.

Gegen Mainz wurde dies praktiziert, wie in der Liveanalyse nachzulesen. Man baute geduldiger auf, bewegte sich mehr, nutzte Kurzpasskombinationen, strich Immobile aus der Startelf und überlud flexibel Räume, wodurch nicht nur die Aufholjagd erfolgreich war, sondern sogar schöner Fußball geboten wurden. Wird dies weitergemacht, dann kann es schnell wieder nach ganz oben gehen; auch wenn man erst zur nächsten Saison wieder ganz oben ankommen sollte.

Rene Maric, abseits.at

Rene Maric

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