Heute trifft das deutsche Team auf die Nationalmannschaft aus Polen. Nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft steht Teamtrainer Joachim Löw vor der Herausforderung bis zur... Die Polen warten: Die deutsche Nationalmannschaft nach der Weltmeisterschaft

Jogi LöwHeute trifft das deutsche Team auf die Nationalmannschaft aus Polen. Nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft steht Teamtrainer Joachim Löw vor der Herausforderung bis zur nächsten Europameisterschaft 2016 eine schlagkräftige Truppe zu formen – und muss dabei auf einige Weltmeister verzichten.

Dieser Artikel soll vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen Polen einen kurzen Rückblick über die Geschehnisse der letzten Monate rund um Deutschlands Fußballnationalmannschaft geben. Anhand des letzten EM-Qualifikationsspiels gegen Schottland sollen die Veränderungen im Team seit dem Gewinn der Weltmeisterschaft dargestellt werden.

Für den 54-jährigen Nationaltrainer Joachim Löw gilt es in der Post-WM-Ära nicht nur die zurückgetretenen Spieler wie Kapitän Philipp Lahm, Abwehrchef Per Mertesacker oder Torjäger Miroslav Klose zu ersetzen. Gerade und vor allem durch das Ausscheiden von Lahm wird sich der Spielcharakter der deutschen Nationalmannschaft in seinen Abläufen zukünftig wohl leicht verändern. Kramer, Gündogan oder weitere Alternativen im Mittelfeld sind im Vergleich mit dem Ex-Spielführer andere Spielercharaktere, an die der Stil der Nationalmannschaft angepasst werden muss.

Kurz ausgeführt: Deutschland bei der Weltmeisterschaft in Brasilien

Während der WM 2014 agierte die Mannschaft grundsätzlich in einem klaren 4-3-3. Auf der alleinigen Sechs kam Kapitän Philipp Lahm zum Einsatz, während die beiden Achterpositionen von Kroos und Khedira besetzt wurden. In Kombination mit den beiden recht defensiven Außenverteidigern Höwedes und Boateng, die sich meistens an der Ballzirkulation im ersten Drittel beteiligten, ergab sich schon im Aufbau eine auf Ballbesitz und Spieldominanz ausgelegte Spielweise. Dazu kamen mit den Offensivakteuren Müller, Özil, Götze oder Klose ebenfalls Spieler, mit denen ein ballbesitzlastiges Offensivspiel forciert wurde. Im Anschluss an ein sicheres Horizontalspiel wollte die Mannschaft nach Verlagerungen und anschließenden Durchbruchsaktionen zum Erfolg kommen.

Aufbaustrukturen gegen Schottland: tiefer Spielmacher und hohe Außenverteidiger

Gegen Schottland präsentierte sich die Mittelfeldaufteilung Deutschlands dergestalt, dass mit Kroos und Kramer zwei Spieler direkt vor der Abwehr agierten, während es mit Marco Reus einen nominellen Zehner gab. Innerhalb der Doppelsechs war die Aufgabenverteilung dann relativ deutlich: Mit Kroos gab es einen tiefen Spielmacher, der hin und wieder auf die linke Seite herauskippte oder direkt zwischen die beiden Innenverteidiger zurückfiel. Der Gladbacher Kramer hingegen agierte nach vorne gezogen, bot sich immer wieder auf die zentrale Schnittstelle des schottischen 4-4-2 an oder schob direkt raumlockend in den hohen Sechserraum und darüber hinaus. Hin und wieder rochierte auch Marco Reus in den linken defensiven Halbraum, oder Schürrle fiel vom linken Flügel in den Raum, der vom weit aufrückenden Außenverteidiger Durm geöffnet wurde.

Die bereits im Aufbau hohe Positionierung der Außenverteidiger Eric Durm und Sebastian Rudy öffnete nämlich immer wieder Lücken in den Halbräumen, in denen sich vor allem Kroos einige Bälle abholte. Durch diese Positionierung der beiden wurde es zudem Boateng und Höwedes in der Innenverteidigung möglich, viel mit Ball am Fuß ins Mittelfeld aufzurücken.

Etwaige Probleme mit der Stabilität bezüglich des defensiven Umschaltmoments gab es hingegen wenige. Gute Staffelungen in zentralen Bereichen des Mittelfeldes in Kombination mit einigen starken Aktionen Manuel Neuers erstickten die schottischen Konter (mehr oder weniger) im Keim.

Vertikale Offensivbewegungen im Zentrum

Die gesamten Offensivbewegungen waren im Vergleich zur WM deutlich vertikaler angelegt. Mit Mario Götze agierte im Sturmzentrum eine falsche Neun, die gar nicht so falsch war, wie es sich vermuten ließe. Viel mehr arbeitete der Ex-Dortmunder hauptsächlich im Sturmzentrum und beteiligte sich in höheren Räumen an der Ballzirkulation. Situativ gab es aber auch gegenläufige Bewegungen mit Marco Reus, wenn dieser dynamisch nach vorne schob, um im Zwischenlinienraum Lücken zu öffnen.

Ein weiteres vertikales Element kam dadurch zustande, dass Kramer immer wieder Läufe nach vorne zeigte und weit aufrückte, worauf Müller wiederum mit zurückfallenden Bewegungen reagierte und situative Positionswechsel stattfanden. Im Anschluss daran nahm Kramer eine hohe, den Zwischenlinienraum öffnende Positionierung ein, während Müller in den rechten Halbraum herausfiel. Hier besetzte er dann eine spielmachende Position hinter Kramer und dem hohen Rudy, wodurch interessante diagonale Passmuster in den Zehnerraum zustande kamen.

Hohe Präsenz in vorderster Linie durch einrückende Flügelspieler

Ein Effekt, der bereits beschriebenen hohen Positionierung der Außenverteidiger war, dass Müller und Schürrle von den Flügeln immer wieder zur Mitte driften konnten und so eine hohe Präsenz in vorderster Linie erzeugen konnten. Durch die ständige Belegung der beiden schottischen Innenverteidiger schafften es die Deutschen vermehrt offene Räume im Zwischenlinienraum zu erzeugen.

Durch die eingenommenen Offensivstaffelungen und die hohe Präsenz in vorderster Front wirkte das Offensivspiel des Teams vertikaler als noch während der WM. Offene Räume zwischen den schottischen Viererketten konnten so immer wieder gut mit vertikalen Zuspielen bespielt werden, die teilweise sogar aus der Innenverteidigung kamen.

Starker Linksfokus mit Verlagerungen auf die rechte Seite

Generell lässt sich zum deutschen Offensivspiel sagen, dass die Mehrzahl der Angriffe gegen Schottland über die linke Seite vorgetragen wurde. In Verbindung mit der etwas linksseitigen Positionierung von Marco Reus ergaben sich hier immer wieder Halbraumüberladungen, die den gegnerischen Defensivverbund zum weiten Einrücken zwangen.

Gegen eben diese Einrückbewegungen der Polen verlagerte man dann immer wieder über die Räume hinter Schürrle oder Durm auf die gegenüberliegende Spielfeldseite. In der Regel war es hier Rudy, der sich hoch und breit positionierte, um nach Seitenwechseln anspielbar zu sein. Diese unterschiedliche Einbindung von Durm und Rudy auf den defensiven Außen dürfte wohl der deutlichste Unterschied in deren Spielweise gewesen sein.

Toni Kroos fehlt im Pressing

Im Unterschied zur WM agierte das deutsche Nationalteam gegen den Ball in einem mehr oder weniger klaren 4-4-2, das in der Regel als 4-2-3-1 interpretiert wurde und bei dem Marco Reus die Sicherung des gegnerischen Sechserraums übernahm.

Dabei gab es weniger variable Herausrückbewegungen aus der Formation zu sehen als noch bei der WM. Hier fehlte vor allem Toni Kroos in vorderster Linie, der noch beim Gewinn der Weltmeisterschaft besonders im Timing beim Herausrücken stark war und einen wesentlichen Faktor bezüglich der starken Defensivauftritte darstellte.

Fazit

Ein zentraler Gesichtspunkt der rückblickenden Betrachtung der ersten Länderspiele in der Post-WM-Ära ist die Tatsache, dass dem Team natürlich noch einige wichtige Spieler fehlen. In den nächsten Wochen und Monaten werden vermutlich u.a. Bastian Schweinsteiger, Ilkay Gündogan und Holger Badstuber nach längeren Verletzungspausen zurückkehren. Genauso werden Mesut Özil und Lukas Podolski von den „Gunners“ oder Mats Hummels von Borussia Dortmund wieder zur Verfügung stehen.

Berücksichtigt man das Fehlen dieser Spieler kommt die Phase, in der sich die Nationalmannschaft gerade befindet, mehr oder weniger einer Überbrückungsperiode gleich. Löw muss System und Taktik diesbezüglich zum einen an sein vorhandenes Spielermaterial anpassen, wobei zum anderen fraglich ist, ob sich der Stil der Mannschaft, mit dem man in Sao Paolo den WM-Titel feiern konnte, so weiter umsetzbar ist. Hier scheinen die letzten beiden Spiele dann doch schon ein kleines Indiz dafür zu sein, dass dem nicht so ist.

Tobias Robl

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