Nachdem seine Karriere als Profifußballer schon vorüber schien, versucht Kevin Pannewitz seine vielleicht letzte Chance zu nutzen.
Kevin Pannewitz ist 1,85 Meter groß und wiegt 124 Kilogramm. Für sein täglich Brot, und das seiner Familie, bringt er für den Lieferdienst eines großen Händlers Waschmaschinen oder Kühlschränke zu dessen Kunden. Kevin Pannewitz kann also gut und gerne als ein Durchschnittsbürger bezeichnet werde. Gut, ein paar Kilos hat er vielleicht zu viel auf den Rippen. Aber wer in diesem Punkt unfehlbar ist, der werfe das erste Schnitzel.
Was den 25-Jährigen jedoch von den Max Mustermännern dieser Welt unterscheidet, ist seine sportliche Vergangenheit. Im Alter von 17 Jahren galt Pannewitz nämlich als eines der größten Talente des deutschen Fußballs. Damals gab er sein Profidebüt für Hansa Rostock in der zweiten Liga. Auch zu den Lehrgängen der deutschen U19-Auswahl wurde er berufen. Doch wo es anderen an dem nötigen Talent für höhere Weihen im Profifußball fehlt, mangelte es dem Defensivspieler an etwas anderem: der Disziplin.
„Ich bin an mir selbst gescheitert, ich habe den Kampf gegen mich verloren“, sagte Pannewitz der Bild am Sonntag. Viel zu oft habe er den Verlockungen durch Fast Food und Süßigkeiten nachgegeben, sich zu sehr auf sein Talent verlassen. „Ich hätte jemanden gebraucht, der 24 Stunden auf mich aufpasst“, sagt er. Immer wieder wurden Gewichtsprobleme offensichtlich. Diese hatten ihre Ursachen nicht nur lukullische Ausschweifungen; auch Besuchen im Stripclub und exzessiven Alkoholgenuss war Pannewitz in jungen Jahren nicht abgeneigt. Nichtsdestotrotz spielte Hansa mit ihm meist besser als ohne Pannewitz. Zu oft saß er jedoch aus disziplinarischen Gründen auf der Tribüne. Der Boulevard taufte ihn „Wannewitz“.
Zum endgültigen Bruch mit Hansa kam es nach der Saison 2011/12. Rostock stieg aus der zweiten Liga ab. Pannewitz wurde zu einem Gesichter des Niedergangs: beim vorentscheidenden 0:5 gegen den FSV Frankfurt ließ er die Gegenspieler mehrmals davonziehen. Sein großes Talent blieb jedoch weiterhin offensichtlich.
Irgendwo in Wolfsburg dachte sich zu dieser Zeit ein gewisser Felix Magath wohl: „Den bekomme ich hin!“ Und wer, wenn nicht „Quälix“ und sein „Hügel der Leiden“ wären prädestiniert, Pannewitz die Flausen auszutreiben? Für eine sechsstellige Summe wechselte er zu Magath und Wolfsburg. Doch auch hier wurde allen Beteiligten schnell klar: Pannewitz und Profifußball – das passt nicht zusammen; der VfL Wolfsburg trennte sich von ihm. Und nach einem anschließenden Intermezzo in der Regionalliga, hieß die fußballerische Realität für Pannewitz plötzlich: 6. Liga in Berlin. Aber auch hier saßen noch vereinzelt Scouts aus dem Profibereich auf den Tribünen. Vielleicht kommt der Junge ja doch noch zur Besinnung, dachten sie sich wohl. Nach ein paar Jahren kam dann keiner mehr.
Pannewitz wurde in der Zwischenzeit Vater. Eine Familie mit dem kargen Gehalt eines Amateurfußballers zu versorgen, erwies sich als überaus schwierig. So arbeitete Pannewitz hauptberuflich u.a. als Hausmeister; auch beim Berliner Reinigungsdienst hatte er sich beworben. Der Bauch wuchs währenddessen weiter – genau wie die Gewissheit, sein großes Talent verschwendet zu haben.
Doch ausgerechnet die Beschimpfungen durch seinen Schwager, gaben Pannewitz den Anstoß, sein Leben ändern. Timmy Tiehle ist Stürmer beim Traditionsklub FC Carl Zeiss Jena, mittlerweile wieder in der dritten Liga – und damit im Profifußball – angekommen. Nach einer Niederlage im Jänner schimpfte Thiele in seiner Wut vor sich hin. Dabei traf sein Zorn auch seinen Schwager. „Er war echt bedient und hat mich angefaucht, dass ich doch 30 Kilo abnehmen soll, weil man mit mir nicht verloren hätte.“, erzählt Pannewitz. Und der nahm sich diesen Ausbruch tatsächlich zu Herzen: statt Cola und Pizza gab es fortan nur noch Wasser und Suppe. Thiele versprach, falls Pannewitz auf ein für einen Profifußballer annehmbares Gewichtslevel kommt, würde er ihm ein Probetraining bei Jena verschaffen.
Immerhin bei 90 Kilogramm steht die Waage mittlerweile. Im Vergleich zu den über 120 Kilogramm zuvor, ein echter Fortschritt. Ein paar Kilo muss er laut Jena-Coach Mark Zimmermann noch abnehmen. Pannewitz gibt selbst zu, dass einige Werte noch nicht die eines Profifußballers entsprechen. Doch er ist dankbar für die Chance, wieder auf diesem Niveau Fußball spielen zu dürfen. Ob es für einen Vertrag bei Carl Zeiss reichen wird, das werden die nächsten Wochen zeigen. Bei seinem Testspiel-Debüt wusste er jedenfalls zu überzeugen!
Ral, abseits.at
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