Julian Nagelsmann muss beim FC Bayern München nach 20 Monaten seinen Hut nehmen. Dem 35-jährigen Übungsleiter wurden schlussendlich die inkonstanten Leistungen seiner Mannschaft sowie... FC Bayern trennt sich von Nagelsmann: Eine komplizierte Entscheidung

Julian Nagelsmann muss beim FC Bayern München nach 20 Monaten seinen Hut nehmen. Dem 35-jährigen Übungsleiter wurden schlussendlich die inkonstanten Leistungen seiner Mannschaft sowie die mangelhafte Entwicklung einzelner Spieler zum Verhängnis. Schon seit längerem brodelte es intern gewaltig, doch möglicherweise hätte der gebürtige Landsberger die laufende Saison noch mit drei Titeln krönen können. Besonders unglücklich ist der Zeitpunkt der Entlassung. Sein designierter Nachfolger Thomas Tuchel, der international für sein gutes Verhältnis zu Topstars bekannt ist, soll nun den Neuaufbau an der Säbener Straße in die Wege leiten.

Zwei Rückschläge im ersten Jahr

In seiner ersten Saison 2021/22 gewann der 25 Millionen Euro teure Trainer-Rekordeinkauf sowohl den Supercup als auch die deutsche Meisterschaft. Der Bilanz liest sich mit wettbewerbsübergreifend 2,26 Punkten pro Partie sehr gut, dennoch verlief diese Spielzeit für die eigenen Ansprüche eher mäßig. Nagelsmann konnte seine fußballerische Idee von einem schnellem Umschaltspiel mit einer Asymmetrie im Offensivspiel – sowie einer kompakten Besetzung im Gegenpressing nie vollends im Kader implementieren. Während der Hinrunde setzte der jüngste Bundesliga-Trainer aller Zeiten bevorzugt auf eine 3-5-1-1 Formation, während er in der Rückrunde zum bewährten 4-2-3-1 System zurückkehrte.

Bereits in der zweiten Runde des DFB-Pokals kassierte der Rekordmeister eine 0:5-Klatsche gegen Borussia Mönchengladbach. In den folgenden Monaten wechselten sich einige Topleistungen mit schwächeren Auftritten ab. Von einigen Corona-Ausfällen geplagt stolperten die Münchner ins Jahr 2022 und scheiterten im Viertelfinale der Champions League vollkommen überraschend nach zwei schwachen Leistungen am FC Villarreal.

Die ersten Spannungen im Binnenverhältnis

Spätestens nach diesen enttäuschenden internationalen Darbietungen stand der ehemalige Cheftrainer von 1899 Hoffenheim und RB Leipzig verstärkt im Fokus der Bayern-Bosse. Erschwerend hinzu kam im Sommer 2022 der von einigen Störfeuern begleitete Abgang von Robert Lewandowski zum FC Barcelona. Die Verantwortlichen entschieden sich bewusst dafür diese vakante Position und setzten auf ein variables Offensivspiel, ohne Lewandowski eins zu eins gleichwertig zu ersetzen.

Stattdessen verpflichteten die Münchner mit Offensiv-Allrounder Sadio Mané vom Liverpool FC keinen klassischen Mittelstürmer. Dennoch fügte sich der pfeilschnelle Rechtsfuß nahtlos ins Angriffsspiel ein und überzeugte mit starken Auftritten – doch im Laufe der Hinrunde der laufenden Saison wurden seine Leistungen schwächer. Zudem verletzte sich der Senegalese Anfang November 2022 am Wadenbeinköpfchen.

Dennoch konnte der junge Coach die Leistungen seiner Mannschaft stabilisieren. In der Champions League gelangen den Bayern acht überzeugende Siege am Stück und in der Bundesliga blieb man nach einer Niederlage gegen den FC Augsburg im September 2022 bis zur Winterpause ungeschlagen.

Doch der Start ins Jahr 2023 misslang. Die ersten drei Ligapartien endeten allesamt mit einem Remis, nachdem sich das Trainerteam dazu entschied auf ein System mit einer Dreierkette umzustellen, häuften sich Abstimmungsprobleme und Unkonzentriertheiten im Spiel. 10 Punkte Vorsprung verspielte der FC Bayern somit auf Verfolger Borussia Dortmund. Einzige Lichtblicke zu Beginn des neuen Jahres waren der im Winter von Manchester City ausgeliehene Außenverteidiger João Cancelo sowie Eric-Maxim Choupo-Moting, der als Solostürmer glänzte. Sein angeblich schlechtes Verhältnis zu den Führungsspielern bekam durch die Entlassung von Torwarttrainer Toni Tapalović, der als enger Vertrauter Manuel Neuers galt, im Januar 2023 eine neue Dimension. Das Aus von Tapalović, dessen Entlassung Nagelsmann auf ein mangelhaftes Miteinander zurückführte, verlief nicht geräuschlos und schwächte seine Position nachhaltig.

Kein Platz für Talente

Eine weitere Hoffnung die in den Trainer-Shootingstar gesetzt wurde, war die Integration von eigenen Talenten aus dem Bayern-Campus. Doch dieses Vorhaben misslang bis auf einige Ausnahmen komplett. Der im Sommer von Ajax verpflichtete 19-jährige Mittelfeldspieler Ryan Gravenberch bekam nur wenige Einsatzminuten, sodass seine Entwicklung nachhaltig stagnierte. Weitere Talente wie Paul Wanner oder der junge französische Mittelstürmer Mathys Tel konnten bisher nur Ansätze ihrer überragenden Fähigkeiten zeigen oder sind noch zu jung um diese nachhaltig konservieren zu können.

Fazit

Der im Sommer 2021 mit einem Vertrag bis 2026 ausgestattete Nagelsmann hatte einige Höhepunkte in seiner Amtszeit und durfte insgesamt drei Titel feiern. Sein Wirken war von erfolgreichen Phasen und Rückschlägen geprägt. Allerdings beging er in manchen Situationen entscheidende taktische und zwischenmenschliche Fehler, die bei einem internationalen Topverein mit den höchsten Ambitionen auf Dauer bestraft werden. Man darf gespannt sein, wohin ihn sein Weg in Zukunft führen wird. Unter anderem gelten Tottenham Hotspur, der FC Chelsea, Paris Saint-Germain, Real Madrid und Inter Mailand als mögliche Interessenten. Nun wird sich zeigen ob Thomas Tuchel den FC Bayern ähnlich schnell zum Erfolg führen kann wie dereinst den FC Chelsea vor zwei Jahren.

Lorenz Bildstein, abseits.at

Lorenz Bildstein