Es ist heute nicht mehr besonders originell oder exotisch, ein Spiel des FC St. Pauli zu besuchen. Dennoch gehört es fast zum Pflichtprogramm für... FC St. Pauli – SC Paderborn 07: Ein bunter Besuch im umgebauten Stadion am Millerntor

FC St.PauliEs ist heute nicht mehr besonders originell oder exotisch, ein Spiel des FC St. Pauli zu besuchen. Dennoch gehört es fast zum Pflichtprogramm für jeden Fußballfan. Gerade nach dem gelungenen Umbau des Stadions am Millerntor lohnt es sich. Mehr als 13.000 Zuschauer passen alleine auf die neue Gegengerade. Pünktlich zum Frühjahrsauftakt Anfang Februar 2013 konnte erstmals die gesamte neue Tribüne für die Fans des FC St. Pauli geöffnet werden. Und seitdem bleibt dort kein Platz frei – wie ein Besuch der neuen Tribüne am Ostermontag beim Spiel gegen den SC Paderborn zeigt.

Es ist Dom-Zeit in Hamburg. Das bedeutet, dass das große Volksfest hinter der Gegengeraden des FC St.Pauli stattfindet. Buntes Treiben rund ums Stadion: Leuchtende Aufschriften, Schmalzkuchen-Duft, Bierverkäufer an jeder Ecke sowie fröhliche Familien vermischen sich an diesem Tag mit den 28.278 Fans des FC St. Pauli zwischen Feldstraße und Millerntorplatz. Die „Domschänke“ ist bereits Stunden vor dem Anpfiff überaus gut besucht. Der sportliche Aufschwung im Frühjahr nach dem eher verpatzten Herbst hat auch den Geruch des Abstiegsgespenstes längst verblasen.

„NAAKIIIII!“ brüllen die Zuseher am Millerntor stellvertretend für den Nachnamen eines jeden Spielers des SC Paderborns, als der Platzsprecher die Aufstellung der Gäste abliest. Erst beim letzten Spieler der Startaufstellung stimmt der Name: Kehrt der ehemalige exzentrische St. Pauli-Stürmer Deniz Naki doch tatsächlich erstmals ans Millerntor zurück. Für regelmäßige Matchbesucher in österreichischen Stadien mag es seltsam sein, dass zu Ehren des Gästevereins vor dem Spielbeginn die Hymne des SC Paderborn abgespielt wird. Auf St. Pauli ist das kein Problem. Respekt und Toleranz gegenüber der heutigen Konkurrenz gehen soweit, dass die Paderborn-Hymne auch selbstverständlich nicht von Pfiffen übertönt wird. Dabei fällt es schwer, Gefallen an der nicht gerade mitreisenden Pathos-Schlagerhymne des SC Paderborn 07 zu finden.

Umso besser ist die Stimmung bei den Heim-Fans. Die neue Gegengerade ist bestens gefüllt und die Stimmung steht jener der Ultras hinter dem Tor um nichts nach. Die Choreographie an diesem Spieltag ist ein Statement gegen Homophobie und Sexismus. Neben bunten Tafeln werden dafür überall im Stadion bunte Luftballons verteilt, die beim Einlauf der Mannschaften unter Begleitung der Glockenschläge von „Hells Bells“ (AC/DC) auf allen Tribünen in die Höhe gehalten werden. Das Anzünden von Sternspritzern zieht ironische Rufe nach Stadionverboten nach sich. Bunt und vielschichtig sind nicht nur die St. Pauli-Fans an sich, auch die angebotene Gastronomie unter der neuen Tribüne: Von vegetarischen Ständen (Gemüse-Burger) über die klassische Stadionwurst bis zu Kaffee und Kuchen reicht das Angebot.

Das Spiel kann mit der Stimmung anfangs nicht mithalten. Nervös wirken beide Mannschaften zu Beginn. Bald legt sich aber die Aufregung und der FC St. Pauli kommt in der 1. Hälfte zu einigen guten Chancen, ohne jedoch ein Tor erzielen zu können. Einmal wird der optimale Zeitpunkt für einen Abschluss versäumt, beim nächsten Mal kann sich ein Paderborn-Spieler im letzten Moment dazwischen werfen. Doch auch Paderborn deutet – insbesondere über die Seiten – immer wieder seine Gefährlichkeit an. Diese Gefährlichkeit endet jedoch spätestens am Strafraum oder mündet in ungefährlichen Weitschuss-Versuchen.

Viel besser die zweite Halbzeit: Gleich nach Wiederbeginn kann Bartels einen schweren Patzer von Paderborn-Verteidiger Ziegler nicht nutzen und scheitert alleine vor Torhüter Kruse. Kurz darauf jedoch klappt es: Solospitze Marius Ebbers steht goldrichtig und netzt zum 1:0 für Pauli ein. Während die legendäre Pauli-Torhymne ertönt, feiert der erfolgreichste, noch aktive Zweitligatorschütze Ebbers seinen 101. Treffer in der zweiten Liga. Doch die Freude währt nur kurz: Drei Minuten später kann Paderborn nach schöner Kombination – jedoch abseitsverdächtig – ausgleichen. Wiederum zwei Minuten später muss Ebbers verletzt raus. Kurz vor Schluss schockt dann der eingewechselte ehemalige Admira-Stürmer Mahir Saglik mit seinem Treffer zum 1:2 die Fans am Millerntor. Doch der bunte Abend sollte noch nicht vorbei sein: in der 91. Minute kommt St. Pauli-Torhüter Tschauner bei einer Ecke mit in den Strafraum und köpft sensationell zum 2:2-Ausgleich ein. Ein Torwart-Treffer aus dem Spiel, wie man ihn nicht oft sieht. Nicht besser hätte man dieses Spiel beschließen können.

Auf der dicht gefüllten Gegengerade mit der Dachkonstruktion, die inzwischen über jeder Tribüne optimale Akustik gewährleistet, wurde das abwechslungsreiche Spiel 90 Minuten stimmungsfroh begleitet. „Mit der neuen Gegengeraden ist die Stimmung auf St. Pauli nun noch besser als vorher“ bestätigt der Ex-Paulianer Deniz Naki nachher in einem Zeitungsinterview. Der Umbau auf St. Pauli ist also durchaus gelungen. Es wurde in den letzten Jahren nicht nur saniert und ausgebaut, sondern es ist gelungen, den Komfort zu verbessern, ohne die ursprüngliche Atmosphäre und den einzigartigen Charme des Geländes zu zerstören. St. Pauli bleibt St. Pauli – und damit immer einen Besuch wert.

Beim Verlassen des Stadions lädt das unmittelbar angrenzende Dom-Gelände zum weiterfeiern ein. Doch wer sich nach einem bunten und aufregenden Abend im Stadion am Millerntor nach typisch norddeutschem Kontrastprogramm sehnt, der möge zum Rathaus bzw. Jungfernstieg fahren und an der kleinen Alster im Friesenkeller speisen. Nach St. Pauli zurückfahren kann man immer – und sollte man auch. Denn einen wiederholten Besuch ist der Kiez zwischen Sternschanze und Reeperbahn mit seinem FC St. Pauli auf alle Fälle wert!

Matthias Pokorny, abseits.at

Matthias Pokorny

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