Halbserie eins nach Schaaf – Ups and Downs, auch unter Robin Dutt
Deutschland 25.Dezember.2013 Lennart Kühl 0
Das war’s. Die Hinrunde ist bewältigt. 17 Spiele, 19 Punkte und eine Mannschaft, die kaum zu berechnen war. Bremens neuer Trainer brach nach dem wichtigen 1:0-Erfolg gegen Bayer Leverkusen am Samstag auf der Pressekonferenz fast schon in Tränen aus. Es sind schwierige Zeiten an der Weser zu überstehen.
Thomas Schaaf und das Aus nach 14 Jahren
Es erschien fast wie ein schlechter Scherz; Thomas Schaaf war nach dem 33. Spieltag und der Rettung vor dem Abstieg im Sommer 2013 nicht mehr Übungsleiter in Norddeutschlands westlicher Hansestadt. Doch der trügerische Seitenblick auf die gesammelten Titel und erlebten Fußballfeste ist auch bis heute nicht der Weisheit letzter Schluss. Er ging als Coach einer Mannschaft, die in den letzten drei Rückrunden die Bilanz eines Absteigers vorzuweisen hatte und auch entsprechend uninspiriert über den grünen Rasen holperte. Vorbei waren die glorreichen Zeiten eines Micoud, Özil oder Diego im grün-weißen Trikot, trister Existenzkampf hatte im Norden Einzug erhalten. Auch ein 2012 in die Wege geleiteter Umbruch zeigte nur anfangs spielerische Verbesserungen, im Winter dann brach das wacklige Fundament zusammen und die Dinge nahmen ihren Lauf. Eine folgerichtige Trennung war das Ergebnis.
Mon Mon, ich bin der Neue
Ein weiteres Mal nach Otto Rehhagel musste Werder also einen großen Trainer der Vereinsgeschichte zu ersetzen wissen. Die Wahl fiel dabei auf den damaligen DFB-Sportdirektor Robin Dutt. Der wusste schon in Freiburg bei seiner bisher wohl erfolgreichsten Station mit dem großen, 16 Spielzeiten umfassenden Erbe Volker Finkes bestens umzugehen und sollte die nötige Wiederaufbauarbeit leisten. Fokus wurde innerhalb der noch durch Schaafs Hand festgesetzten Trainingslager auf die Defensive gelegt, vornehmlich das Umschaltspiel auf eben jene. Etwas, das bereits von Schaaf immer wieder in den letzten Jahren thematisiert, aber nie gut umgesetzt werden konnte. Zusammen mit seinem in der täglichen Arbeit sehr aktiven Co Damir Buric nahm er also die neue und gewiss nicht einfache Aufgabe in Angriff.
Personelle Veränderungen im Team
Ein erster Ansatzpunkt in der Umstrukturierung des Kaders waren sich schon vor Dutts Ankunft abzeichnende und auch später getätigte Transfers. Hierfür zeichnet sich vor allem auch Geschäftsführer Thomas Eichin verantwortlich. Schon vor Saisonbeginn ergriffen Abwehrrecke Sokratis (BVB) und Kevin de Bruyne (zurück zu Leih-Verein Chelsea), der in der letzten Saison wohl beste Werder-Spieler, die Möglichkeit des Wechsels. Am letzten Tag der Transferperiode folgte als prominenter Abgang der des Österreichers Marko Arnautovic, seines Zeichens ebenso hochgelobtes Talent wie für viele Anhänger Personifikation der vielen fehlgeschlagenen Transfers der letzten Jahre. Dem entgegen standen günstige Verpflichtungen wie die des Argentiniers Santiago Garcia für die linke Abwehrseite oder Luca Caldirola für die Innenverteidigung.
Erste Erfolge in ungewohnter Spielweise
Die Saison begann für das vergleichsweise junge Kollektiv überraschend gut mit zwei Auftaktsiegen und einer vom Ergebnis her knappen Niederlage in Dortmund. Dutt bediente sich dabei eines eher pragmatisch einzuordnenden, für Werder ungewohnten Fußballs, der vor allem auf die Sicherung des eigenen Kasten bedacht war. Besonders im Heimspiel gegen den FC Augsburg wurde ersichtlich, wie defensiv eine Bremer Mannschaft vor eigenem Publikum auftreten kann. Laut den Verantwortlichen sollte in den ersten Spielen um jeden Punkt gekämpft werden, nachdem ein spielerisch orientierter Ansatz im Pokal in der dritten Erstrundenblamage in Folge mündete.
Erste Gehversuche im offensiven Spiel und formative Variationen
Nach den ersten Erfolgserlebnissen versuchte Dutt dennoch nicht die Bemühungen in die eher wenig aktive Philosophie zu intensivieren, sondern den Ball und das für Werder vertraute, offensive Spiel in den Vordergrund rücken zu lassen. Hierbei zeigten sich vor allem die Bremer Außenverteidiger sehr offensiv. Neuzugang Garcia wusste mit einigen guten Vorstößen zu beeindrucken, auch Kapitän Fritz zeigte beispielsweise sehr gute Hereingaben. Eine davon führte zum 1:0 beim Sieg im Nordderby in Hamburg, wobei Werder zeitweise stark und der HSV eher unglücklich agierte. Immer wieder wechselten sich allerdings starke Auftritte mit mannschaftlichen Aussetzern ab, auch bedingt durch ein für den SVW in den letzten Jahren fast typisches Verletzungspech. Mittelstürmer Petersen und „Abwehr-Chef“ Prödl, der beim BVB oder in Stuttgart stark aufspielte, fielen über weite Teile der Halbserie aus. Auch Zlatko Junuzovic fehlt als laufstarke Option für das Mittelfeld seit längerem. Eine Stammformation konnte sich nie finden, viel mehr wurden einzelne Spieler hin- und wieder hergeschoben, allein Gebre Selassie kam bereits auf vier Positionen zum Einsatz. Hinzu kamen auch immer wieder Umstellungen innerhalb der Formation, drei Spiele wurden zum Beispiel in der unter Schaaf ungemein beliebten Mittelfeldraute absolviert. Immer weiter zum Vorschein kam im Verlauf der Saison allerdings ein weiteres Planspiel und Hauptbestandteil seines geplanten Fußballs, ein ungemein aggressives Angriffspressing. In Gelsenkirchen war man so über weite Strecken spielbestimmend und verlor letzten Endes nur wegen Schalkes Individualisten Boateng, der das Spiel mit zwei Kopfbällen drehte.
Probleme und das Debakel gegen die Bayern
Doch das über kurze Etappen gut funktionierende Pressing fordert selbstverständlich auch einen hohen Grad an Abstimmung und eine niedrige individuelle Fehlerquote. Alles Punkte, die auf das Werder in der abgeschlossenen Hinrunde alles andere als zutreffen. Viele Spieler mussten angeschlagen und/oder auf ungewohnten Positionen spielen und wirkten mit ihren Aufgaben in gewissem Maße überfordert, auch hier wäre der übermütige Garcia ein Beispiel. Gegen Mannschaften, die so etwas ausnutzen können, kann es dann schnell eine bittere Angelegenheit werden. Gegen die Bayern kam es letzten Endes zu einem erschütternden 0:7. In der ersten Halbzeit zeigten sich die Münchner sehr viel effektiver als die Werderaner, in der zweiten dann fiel das grün-weiße Kartenhaus in sich zusammen.
Ausblick auf die Rückrunde
Ein Fazit fällt aufgrund der bisherigen Inkonstanz schwer, die Bremer hatten sowohl sehr gute (Nürnberg 1. HZ) wie auch sehr schlechte (München 2. HZ) Auftritte im Repertoire. Mit vollständig wiederhergestellten Kräften ist von Seiten der Bremer sicherlich mit guten und interessanten Auftritten zu rechnen, nur müssen die Fans und Beobachter nachsichtig in ihrer Kritik sein. Man kann mit dem angestrebten System sicherlich viel aus diesem im Ligavergleich durchaus laufstarken und am Ball guten Kollektiv herausholen, nur ist es schwierig dies in derartiger Kürze gut einzustudieren.
Lennart Kühl, abseits.at
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