Was ist bloß mit Hannover 96 los? Nach dem sensationellen vierten Platz in der Vorsaison beißen sich die Niedersachsen im Spitzenfeld der Liga fest.... Hannover am vermeintlichen Weg zu einer großen Nummer

Was ist bloß mit Hannover 96 los? Nach dem sensationellen vierten Platz in der Vorsaison beißen sich die Niedersachsen im Spitzenfeld der Liga fest. Dafür gibt es viele Gründe, wir listen die entscheidenden auf. Immerhin ist 96 mit Emmanuel Pogatetz (29), Samuel Radlinger (19) und Daniel Royer (21) eine der größten „Außenstellen“ des österreichischen Fußballs.

Ein entscheidender Faktor im Spiel der Niedersachsen ist das zielgerichtete Angreifen. „Entscheidend sind die ersten Kontakte nach dem Ballgewinn“, sagte Mirko Slomka im Sommer. Seine Zehn-Sekunden-Regel entspringt der Annahme, dass eine Mannschaft in etwa diese Zeitspanne benötigt, um nach dem Ballverlust geordnet auf den kommenden Angriff reagieren kann. Das geht deshalb so schnell, weil der Trainer in der Defensive anders agieren lässt. Während viele Teams sich auf Doppeln und Verschieben konzentrieren, denkt Slomka sofort an einen möglichen Angriff. Dadurch leidet die Zweikampfstatistik. Die 96er sind mit lediglich 47,3 Prozent gewonnen Zweikämpfen gut zehn Prozent hinter den Führenden FC Bayern und Werder Bremen. Dadurch ergibt sich aber ein Vorteil: Es sind genügend Spieler da, die angespielt werden können. Das Tor von Mohammed Abdellaoue in der 68. Minute am vergangenen Samstag steht für diese Philosophie. Kobiashvili setzte Neuzugang Diouf ein. Dessen guter Pass bringt den Goalgetter am Strafraum aus seiner Sicht halblinks in Position. Acht Sekunden nach Kobiashvilis Pass aus dem linken Halbfeld der eigenen Spielhälfte zappelte das Runde im Tor.

Training als wichtiger Faktor

Die Kontertaktik ist ein Faktor des Trainings. Neben dem eisernen Durchziehen des riskanten Abwehrtrainings rund um Emanuel Pogatetz achtet Slomka penibel darauf, dass keine Routine einreißt. Während die Überraschungsteams des Vorjahres in der harten Realität ankamen, stehen die Chancen für Hannover gut, wieder international vertreten zu sein. Mainz 05 liegt als Vorjahresfünfter nur vier Punkte vor dem Relegationsplatz, der Sechste Nürnberg liegt einen Punkt dahinter. Der 1. FC Kaiserslautern steht derzeit auf dem Relegationsplatz. Doch die Spieler der Niedersachsen wissen oft nicht, welches Training ansteht. Dadurch wird die Spannung hochgehalten. Die Hannover-Spieler sind darüber hinaus recht fit, wie die Verteilung der Tore zeigt. Sowohl in der Anfangs-, als auch in der Schlussviertelstunde werden Treffer erzielt. In der Zeit zwischen der 16. und der 30. Minute erzielten sie sieben Tore, fühlen sich hier am wohlsten. Eine Schwachstelle ist die „Wechselzeit“ zwischen 60. und 75. Minute.

Effektivität als Trumpf?

Von den Schüssen, die auf das Tor gehen, landen 57,1% im Tor. Nur Schalke 04 und Bayer Leverkusen sind besser. Darüber hinaus erzielen Abdellaoue und Co. die richtigen Treffer. Sogar der Tabellenletzte aus Freiburg erzielte mehr Tore, machte aber nur 16 Punkte. Tabellennachbar Hoffenheim hat mit 22:24 dieselbe Torstatistik, aber mit 24 Zählern sechs weniger. Nur zwei Mal konnten die Gegner mehr als zwei Tore erzielen. Gegen Stuttgart setzte es am fünften Spieltag ein 0:3, der VfL Wolfsburg konnte 4:1 gewinnen. Die zwei weiteren Niederlagen in Köln (0:2) und Mönchengladbach (1:2) waren denkbar knapp. Podolski schoss das zweite Tor in der 86. Minute. Die sieben Saisonsiege wurden nur mit einem Tor Unterschied eingefahren. Nur gegen Werder Bremen erzielten die Niedersachsen beim 3:2 mehr als zwei Tore. Unbestreitbar ist nach dem dritten zu-Null-Spiel allerdings auch, dass auch Glück dazugehört. Nicht zuletzt das Spiel in Berlin bewies dies.

Kritik an Slomkas System

Ansehnlich ist das Spiel der Hannoveraner nicht immer. Es ist schwer, durchzukommen, aber sie verwehren sich, zu dominant aufzutreten. Die Topteams, die auch die Tabelle anführen, spielen schöneren und spektakuläreren Fußball. Noch dazu fehlen, wie auch Präsident Kind neulich betonte, die großen Namen. Slomka macht seine Sache sehr gut, aber es fehlt dem Spiel der Glanz. Noch dazu war die Auslosung des Rückrundenauftaktes dankbar. 0:0 in Hoffenheim, dann die knappen 1:0-Siege gegen die Abstiegskandidaten aus Nürnberg und Berlin. Das Erzielen weniger Tore kann auch schnell ins Gegenteil umschlagen und die spielstarken Teams, die derzeit hinter Hannover stehen, haben das Potential, wieder oben mitzuspielen. Zumindest Stuttgart, der HSV und Wolfsburg sind vom spielerischen und finanziellen Potential über den Niedersachsen anzusiedeln.

Auch wenn derzeit so gut wie alles für die Pogatetz-Elf läuft, braucht es auf Dauer außergewöhnliche Leistungen. Zu diesen gehören auch die Spieler und die bekommt Sportdirektor Jörg Schmadtke nicht, wenn er nur 1,8 Millionen Euro in die Hand nimmt. Das war die maximale Summe, die vor und während der Spielzeit 2011/12 bezahlt wurde. Will Hannover dauerhaft oben mitspielen, müssen die Götzes, Reus’ und Müllers in den eigenen Reihen gesucht werden, denn im Fall eines Transfers werden zweistellige Millionenbeträge fällig. Kinds Vorstoß unter der Woche, bei Srdjan Lakic hätte man „früher aufstehen müssen“, schlägt in diese Kerbe. Denn spätestens im Sommer werden sich die Gegner wohl endgültig auf diese 96er eingestellt haben…

Georg Sander, abseits.at

Georg Sander

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