Der 23-jährige gebürtige Berliner Jerome Boateng wechselte in diesem Sommer von Manchester City zum FC Bayern München, mit der Aussicht endlich auf seiner Lieblingsposition... Innenverteidiger oder Außenverteidiger – wo liegt die Zukunft des Jerome Boateng?

Der 23-jährige gebürtige Berliner Jerome Boateng wechselte in diesem Sommer von Manchester City zum FC Bayern München, mit der Aussicht endlich auf seiner Lieblingsposition als Innenverteidiger eingesetzt zu werden, um sich so auf dieser Position auch in der deutschen Nationalmannschaft zu etablieren. Drei Monate später gilt er als der zukünftige Rechtsverteidiger in Deutschland. Was ist „schief“ gelaufen?

Berlin, Hamburg, Nationalteam

Wir schreiben den 31.07.2007. Hertha BSC Berlin unter Trainer Falko Götz gastiert in Hannover und ein junger Mann namens Jerome Boateng gibt als Rechtsverteidiger sein Bundesligadebüt. Berlin geht sang und klanglos mit 5:0 unter.

Das erste Bundesligaspiel des hoffnungsvollen Jungstars war im Nachhinein betrachtet kein Fingerzeig für das Leistungsvermögen von Jerome Boateng, vielmehr sprach sich sein Talent in der Bundesliga schnell herum und so wechselte er bereits nach nur zehn Bundesligaspielen zum Hamburger SV. Dort hatte er oft mit Verletzungen zu kämpfen, gab jedoch am 10.10.2009 gegen Russland sein Debut für die deutsche Nationalelf – ebenfalls auf der rechten Verteidigerposition. Diese bekleidete er auch beim HSV die meiste Zeit, wobei sich –für sein junges Alter verständlich – Licht und Schatten oft abwechselten. Jedoch sah Boateng schon in diesen Anfangsjahren die Innenverteidigung als seine favorisierte Position an.

Der bisher größte Erfolg – Europameister mit der U21

Der damalige U21-Nationaltrainer Horst Hrubesch schätzte dies wohl gleichermaßen so ein, lies er Boateng doch bei der Europameisterschaft 2009 in Schweden in allen Spielen auf seiner Lieblingsposition ran – mit großem Erfolg. Boateng avancierte während dieses Turniers zu einem der Leistungsträger und spielte teilweise überragend. Hier kamen zum ersten Mal über einen längeren Zeitraum die Stärken Boatengs zum Vorschein, die ihn zu einem Verteidiger modernster Prägung machen: Zweikampfstärke, Schnelligkeit und Beweglichkeit (obwohl er mit 1,92m auch ein großartiger Kopfballspieler ist), Antizipation und gute Spieleröffnung. Diese Fähigkeiten ließen auch Europas Topclubs aufhorchen, jedoch entschied sich Boateng für einen Verbleib in Hamburg.

Wechsel zu Manchester City oder das verlorene Jahr

Die folgende Saison verlief für Boateng mehr als durchwachsen. Im Kicker reichte es am Ende der Saison nur zu einem eher durchschnittlichen Notenschnitt von 3,52. Ausschlaggebend war sicherlich die mangelnde Konstanz von Boateng im Tagesgeschäft Bundesliga – aber auch die Tatsache, dass er wieder einmal mehr als gewünscht auf der Außenverteidigerposition eingesetzt wurde und sich der HSV auch in dieser Saison als ein höchst unstabiles Gebilde darstellte. Nichtsdestotrotz bleibt sein herausragendes Talent unbestritten, so konstatierte Matthias Sammer: „Seine Bewegungen wirken mitunter etwas unruhig und staksig, und wer ihn nicht kennt, neigt dazu, in der Innenverteidigung eine vermeintlich sicherere Variante zu wählen. Aber wenn man Jerome vertraut, ist er der perfekte Innenverteidiger.“ Dem neureichen Emporkömmling Manchester City war er deshalb auch 12,5 Millionen Euro wert. Nachdem Boateng während der WM 2010 ebenfalls die ungeliebte Außenverteidigerposition bekleiden musste, ließ er sich wohl von der Aussicht endlich konstant auf seiner Wunschposition eingesetzt zu werden, von einem Wechsel zu Manchester City überzeugen. City-Coach Roberto Mancini gab Boateng nämlich während den Verhandlungen die Zusicherung, auf seiner Lieblingsposition eingesetzt zu werden.

Gleich zu Beginn verletzte sich Boateng jedoch zum wiederholten Male und geriet so von Anfang an ins Hintertreffen gegenüber seiner hochkarätigen Konkurrenz. Falls Boateng spielte, wurde er zu allem Übel in fast schon gewohnter Weise auf rechts eingesetzt. Seine taktische Flexibilität schien sich endgültig vom Segen in einen Fluch zu verwandeln. So stieß der FC Bayern bei seiner Suche nach Verstärkungen für die Abwehr bei Boateng auf offene Ohren, als man ihm die Position in der Innenverteidigung des deutschen Rekordmeisters offerierte.

Goldene Zukunft im roten Dress?

Nach einem tendenziell sportlich eher verlorenen Jahr und langem Transferhickhack wechselte Boateng in diesem Sommer für geschätzte 15 Millionen zum FC Bayern. Die Chancen, endlich auf seiner Lieblingsposition eingesetzt zu werden, schienen in München so groß wie nie; leistete sich die vorherige Innenverteidigung mit Daniel van Buyten und Holger Badstuber in der vergangenen Saison doch einige Aussetzer. Zudem wechselte Philipp Lahm auf die linke Außenposition, während man für rechts den Brasilianer Rafinha von CFC Genua verpflichtete. Da Rafinha aber gleich zu Beginn, aufgrund des Trainingsrückstandes, einige körperlichen Defizite aufwies, musste Boateng in den Vorbereitungsspielen teilweise wieder auf der rechten Außenverteidigerposition aushelfen. Bei seinem Bundesligadebüt für den FC Bayern in der Innenverteidigung war Boateng unglücklicherweise im Verbund mit Manuel Neuer gleich für die 0:1-Auftaktniedelage gegen Mönchengladbach verantwortlich.

Nach einer durchschnittlichen Leistung am 2. Spieltag gegen Wolfsburg musste Boateng aufgrund des Heynckes‘schen Rotationsprinzip im nächsten Spiel beim 3:0-Sieg über den HSV 90 Minuten auf der Bank platznehmen, während die Konkurrenten van Buyten und Badstuber eine gute Leistung ablieferten. Dieses Gespann begann auch im nächsten Spiel, wodurch Boateng einmal mehr auf rechts geschoben wurde. In den nächsten Spielen ließ Heynckes Boateng auch nicht konstant auf seiner Wunschposition ran. Zweimal durfte Boateng innen ran, einmal wurde er gar nicht eingesetzt und zweimal wieder auf der rechten Verteidigerposition. Seine Leistungen scheinen darunter jedoch nicht zu leiden, hat Boateng doch bisher einen kicker-Schnitt von 2,86, welcher für einen Abwehrspieler durchaus als überdurchschnittlich zu bewerten ist.

Bei den drei insgesamt gesehen besten Leistungen von Boateng in dieser Saison, lässt sich eine leichte Tendenz zur Außenposition erkennen. Sein bestes Spiel in der Innenverteidigung lieferte er eindeutig in der Champions League gegen seinen Ex-Verein Manchester City ab, bei dem er schlichtweg überragend agierte. Die noch besseren Leistungen zeigte er jedoch als Rechtsverteidiger. Gegen seinen Heimatverein Hertha BSC und im Länderspiel gegen die Türkei interpretierte er die die Rolle des Außenverteidigers fast perfekt: Mit Schnelligkeit und viel Offensivdrang schaltete er sich immer wieder gefährlich ins Spiel nach vorne mit ein, wobei er durch seine Zweikampfstärke auch in der Defensive seine Seite im Griff hatte.

Fazit und Ausblick

Boateng spielt bisher eine gute Saison, wobei fast egal scheint, auf welcher Position er eingesetzt wird. Diese Flexibilität ist einstweilig natürlich eine Behinderung der Ambitionen von Boateng, konstant auf der von ihm geliebten Position des Innenverteidigers eingesetzt zu werden. Für den FC Bayern und die Nationalmannschaft ist er jedoch gerade deswegen Gold wert.

Trotz der überraschend guten Leistungen von Daniel van Buyten wird Boatengs Zukunft beim FC Bayern wohl in der Innenverteidigung liegen. In Sachen Spielverständnis und Beweglichkeit hält Boateng, gerade auf Champions-League-Niveau, die Trümpfe gegenüber dem Belgier in seiner Hand, sodass über kurz oder lang kein Weg an Boateng vorbei führen wird.

In der Nationalmannschaft liegt die Lage fast ebenso klar auf der Hand. Bundestrainer Joachim Löw hat in seiner Amtszeit bisher noch nicht das passende Pendant zu dem gesetzten Philipp Lahm gefunden. In der Innenverteidigung streiten sich mit Mats Hummels, Per Mertesacker, Holger Badstuber oder auch Benedikt Höwedes vier Spieler um die zwei freien Plätze. Aus diesen Gründen könnte Boatengs Zukunft in der Nationalmannschaft auf rechts liegen, hat er doch in den letzten Spielen dort mehr als überzeugt und wurde von seinem Mitspieler Thomas Müller sogar, wenn auch nicht ganz ernst gemeint, mit Barcelonas Dani Alves verglichen. Dieser Vergleich ist natürlich noch etwas zu hoch gegriffen.

Ob Jerome Boateng jemals in die erste Riege der Verteidiger vorstoßen kann, wird zu großen Teilen auch davon abhängen, wie er mit seiner Rolle als Wanderer zwischen den Welten zu Recht kommt.

Ral, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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