In Anbetracht der Tatsache, dass bisher kaum ein Bayern-Trainer der letzten Jahre zwei Saisons im Amt war, ist die Frage berechtigt: Hält der neue... Kommentar: Das verflixte zweite Jahr als Bayern-Trainer

In Anbetracht der Tatsache, dass bisher kaum ein Bayern-Trainer der letzten Jahre zwei Saisons im Amt war, ist die Frage berechtigt: Hält der neue Trainer, Vincent Kompany, zwei Jahre durch? Und warum hat sich seit Pep Guardiola kein Bayern-Trainer mehr ähnlich lange gehalten?

Der FC Bayern geht – wieder einmal – mit einem neuen Trainer in die neue Spielzeit. Vincent Kompany ist allerdings nicht der große Name, den man von einem Verein wie den Bayern erwarten dürfte. Diese großen Namen sind vor der Bestellung Kompanys aber durchaus kolportiert worden: Zinédine Zidane, José Mourinho, Ralf Rangnick, Xabi Alonso, um nur einige zu nennen. Selbst mit dem früheren Bayern-Trainer Julian Nagelsmann soll es Gespräche gegeben haben. Und als ,Krönung‘ der Posse hatte die Vereinsführung der Münchner sogar beim damaligen Noch-Trainer Thomas Tuchel angefragt, blitzte aber ab.

Nun ist es mit Vincent Kompany ein Trainer geworden, der bisher wenig Erfolge eingefahren, aber viel Lob erhalten hat. Der nunmehrige Ex-Trainer des FC Burnley hat selbigen Verein von der englischen Zweitklassigkeit wieder in die Premier League geführt, aus der er umgehend wieder abstieg. Zuvor war der Belgier rund drei Jahre bei seinem Jugendverein RSC Anderlecht am Werk, unter anderem als Spielertrainer. Dabei schauten etwa zwei dritte Plätze heraus.

Betrachtet man die Plätze, auf denen Kompanys Mannschaften gelandet sind, stellt man fest: Die Ergebnisse waren nicht übertrieben gut, aber sicher nicht unter dem Durchschnitt. Anderlecht stabilisierte er nach einem Abwärtstrend; auf seinen Abgang aus der Brüsseler Hauptstadtregion folgte der elfte Platz. Mit Burnley, das gerade aus der höchsten Spielklasse abgestiegen war, wurde er auf Anhieb Zweitligameister. Warum holt der deutsche Rekordmeister also ausgerechnet Kompany? Und warum dauerte es drei Monate, ehe er nicht nur Kompany, sondern überhaupt einen Trainer fand?

Dieser Text wird keine taktische Analyse, die darlegt, dass Vincent Kompany bisher möglicherweise unter dem Radar gelaufen ist. Stattdessen wirft er einen Blick in die jüngere Vergangenheit, der zeigen soll, dass die Säbener Straße keine Wunschadresse (mehr) ist. Und das liegt nur bedingt daran, dass die Chefetage des Vereins den ersten Platz in der deutschen Bundesliga als selbstverständlich erachtet.

Das Muster

Pep Guardiola – just jener Mann, der dem neuen Bayern-Übungsleiter Rosen streute – war der letzte Bayern-Trainer, der länger als zwei Saisonen überlebt hat. Er war von 2013 bis 2016 im Amt und verließ die Bayern nach Vertragsende. Nach ihm hielt kein einziger Coach zwei Spielzeiten durch. Bei genauerer Betrachtung wird ein noch deutlicheres Muster als dieses erkennbar.

Guardiolas Nachfolger hieß Carlo Ancelotti. Der Mann, der zwei Jahre zuvor Real Madrid zum Champions-League-Titel geführt hatte und dies 2022 sowie 2024 erneut schaffte, wurde mit den Bayern in seinem ersten Jahr Meister. Im September des zweiten Jahres wurde er, an dritter Stelle drei Punkte hinter Tabellenführer Dortmund liegend, entlassen. Punkteschnitt in seiner Amtszeit: 2,28, derselbe Wert, den er derzeit bei Real aufweist. Jupp Heynckes übernahm interimistisch und führte die Bayern zum Gewinn der Meisterschaft.

Nach Heynckes übernahm im Juli 2018 Niko Kovac, der gerade mit Frankfurt den DFB-Pokal gewonnen hatte. Kovac wurde mit den Bayern in seinem ersten Jahr Meister und Pokalsieger. Im November des zweiten wurde er nach einem 1:5 gegen Frankfurt entlassen. Die Bayern standen zu diesem Zeitpunkt an vierter Stelle und hatten vier Punkte Rückstand auf Spitzenreiter Gladbach. Kovacs Punkteschnitt: 2,26. Co-Trainer Hansi Flick sprang ein, wurde nicht nur Meister und Cupsieger, sondern holte mit der Mannschaft auch die Champions League.

Flick blieb noch eine volle Saison, wiederholte den Erfolg in der Bundesliga, schied aber in der im DFB-Pokal gegen den damaligen Zweitligisten Kiel und in der Champions League gegen Paris St.-Germain aus. Flick verließ den Verein vor Vertragsende aus eigenen Stücken. Punkteschnitt: 2,53.

Auf Flick folgte 2021 Julian Nagelsmann. Dieser wurde mit den Bayern in seinem ersten Jahr Meister und Cupsieger. Im März 2023 wurde er gekündigt, nachdem man die Tabellenführung an Dortmund abgegeben hatte. Punkteschnitt: 2,31.

Thomas Tuchel löste Nagelsmann ab. Die Bayern setzten sich in einem dramatischen Saisonfinale gegen Dortmund durch, das den Titel in der letzten Runde verspielte. Heuer beendeten die Bayern die Saison zum ersten Mal seit 13 Jahren nicht unter den ersten Zwei. Das schlug sich auch in Tuchels Punkteschnitt nieder, der nur 1,95 beträgt. Der Ex-Coach von Chelsea, PSG und Dortmund verließ den Verein mit Saisonende.

Was lief – oder läuft – schief?

Keiner der letzten sechs Bayern-Trainer hat also zwei volle Saisons in München erlebt. Drei von ihnen mussten während der zweiten Saison gehen. Einer, Heynckes, war interimistisch weniger als eine Spielzeit im Amt. Für die zwei anderen war die zweite Saison die vollständige, doch beide verließen den Verein vor Vertragsende. Es ist eher kein Zufall, dass sich dieser Prozess seit acht Jahren wiederholt. Taktische Gründe für dieses Muster mag es durchaus geben, als alleinige Erklärung reichen sie wohl nicht. Auch öffentlich geäußerte Kritik von Spielern am jeweiligen Trainer ist per se nicht ungewöhnlich: Kritik übt man für gewöhnlich dann, wenn es gerade nicht läuft. Nichtsdestotrotz könnte man das zur Schau gestellte Ausrichten von Vereinskollegen als heimliches Hobby der Rot-Blauen bezeichnen.

Als Sprachrohr der Mannschaft könnte über all die Jahre hinweg Thomas Müller gelten. Die Identifikationsfigur äußert Kritik recht häufig öffentlich – insbesondere dann, wenn es nicht nur für die Mannschaft, sondern auch für ihn schlecht läuft. Müller kritisierte Kovac ebenso wie Ancelotti, als er in deren Planungen nur eine untergeordnete Rolle spielte. Allerdings äußerten sich auch andere Spieler negativ über Ancelotti.

Was an den Zielen von Müllers Kritik überrascht, ist die Unterschiedlichkeit der taktischen Ausrichtung jener. Kovac setzt üblicherweise auf relativ strikt organisierte Teams. Ein schwer berechenbarer Instinktspieler wie Thomas Müller hat es in einem solchen System naturgemäß schwer. Fraglich ist hingegen, weshalb Müller mit Ancelotti nicht zurechtkam: Ancelotti legt zwar das Augenmerk auf eine hochstabile Defensive, doch in eigenem Ballbesitz schiebt er seinen Spielern keinen Riegel vor, sofern diese die notwendige Kreativität besitzen. Außerdem gilt Ancelotti als bei den Spielern beliebter Trainer.

Vielleicht ist es aber genau umgekehrt? Vielleicht war, um beim letzten Beispiel zu bleiben, Ancelotti gar nicht das Problem, sondern die Spieler – oder gar die Vereinsführung. „Umso verwunderlicher wirkt es, dass sich Ancelotti ausgerechnet beim FC Bayern nicht dauerhaft durchsetzen konnte, obwohl gerade der deutsche Rekordmeister seit Jahrzehnten als ,Spielerverein‘ gilt, in dem die Trainer im Normalfall vor allem darauf zu achten hatten, dass die Stimmung gut war und die Profis ansonsten irgendwie den Ball ins Tor brachten“, schrieb etwa der „Focus“ im Mai 2022.

Vielleicht ist dieses ,Prinzip Spielerverein‘ im Fall von Bayern aus dem Ruder gelaufen. Wenn Athleten wie Müller, Manuel Neuer oder Joshua Kimmich einem Klub lange – oder gar die gesamte Karriere lang – die Treue halten, bietet das Identifikationspotenzial für die Fans; der Verein (er)hält dadurch Wiedererkennungswert. Doch in den letzten Jahren konnte man den Eindruck bekommen, gestandene Spieler stünden über dem Trainer, ja mehr noch, über dem Management. Als etwa Manuel Neuer Ende 2022 verletzt ausfiel und Sven Ulreich für nicht gut genug befunden wurde, holten die Bayern Yann Sommer als Ersatz – planten aber, dass Neuer, sobald er wieder fit sein würde, den Stammplatz im Tor haben würde. Dafür nahm der Verein sogar in Kauf, dass am Beginn der Saison 2022/23 Ulreich im Tor stand, also jener Tormann, dem attestiert worden war, als Nummer eins nicht gut genug zu sein. Sommer wollte nicht die zweite Geige spielen hinter einem Konkurrenten, der mit Ende 30 schon damals auf sein Karriereende zuging und von dem man zu jenem Zeitpunkt nicht wissen konnte, wie gut er nach der Verletzung sein würde.

Fazit

Vincent Kompany geht nun in seine erste Saison als Bayern-Trainer. Während viele hiesige Trainer der vergangenen Jahre renommiertere Klubs in ihrem Lebenslauf stehen haben, sind die Bayern für Kompany der erste große Verein. Vor zehn Jahren hätte man vielleicht noch gesagt, dass jeder Trainer froh sein kann, wenn er eine Mannschaft wie die Bayern trainiert. Jetzt gilt das vielleicht nur noch für aufstrebende Neulinge wie Vincent Kompany. Angesichts der ihm attestierten taktischen Fähigkeiten scheint die größere Herausforderung, mit den Spielern klarzukommen. Dann könnte er der erste Trainer seit Guardiola sein, der bei den Bayern mehr als eineinhalb Saisonen amtiert.

Moritz Hell, abseits.at

Moritz Hell