Die Katze ist also aus dem Sack, der Schalker Goldjunge wechselt nach vier starken Saisonen bei S04 nach München. Er tritt dabei in die... Leon Goretzka zu den Bayern – kann das funktionieren?

Die Katze ist also aus dem Sack, der Schalker Goldjunge wechselt nach vier starken Saisonen bei S04 nach München. Er tritt dabei in die Fußstapfen von Spielern wie Olaf Thon, Thomas Linke oder Manuel Neuer, die ebenfalls diesen Vereinswechsel vollzogen. Aber wer ist der schlaksige junge Mann aus Bochum, wie wird er sich eingliedern und ist seine Verpflichtung der Beginn einer neuen Ära?

Der Junge aus dem Pott

Der Erfolgsgeschichte von Leon Goretzka begann in Bochum im zarten Alter von sechs Jahren, als er in die Nachwuchsabteilung des VfL stieß. Dort durchlief er sämtliche Jugendteams, ehe er im Sommer 2012 in den Profikader befördert wurde und dort auf Anhieb seine Qualität unter Beweis stellen konnte. Sein damaliger Trainer und Förderer, der kultige Zweitligacoach/experte Peter Neururer, attestierte dem Mittelfeldmann beinahe unerschöpfliches Potential und sah in ihm einen neuen Michael Ballack. Von seinen Fähigkeiten waren auch die Nachbarn aus Gelsenkirchen überzeugt und nahmen Goretzka im Sommer 2013 unter Vertrag.

Sie stachen dabei unter anderem Bayern München im Werben um den Youngstar aus, da der heimatverbundene Mann bei S04 seine besten Entwicklungschancen sah. Noch im Laufe seiner Debütsaison in der Bundesliga avancierte er zum Stammspieler und reifte zu einer festen Größe im Schalker Spiel. Im Frühjahr 2014 feierte er sein Debüt in der Nationalelf, konnte aber nicht mehr auf den Zug nach Brasilien aufspringen. Dennoch gedieh er nach und nach zu einem Nationalspieler, ehe ihm beim Confed-Cup im Sommer 2017 endgültig der Durchbruch gelang. Leider wurde der Bochumer immer wieder von Verletzungen gestoppt und konnte daher sein gesamtes Potential noch nicht ausschöpfen. Doch der akribisch trainierende Goretzka stellte, nachdem sich seine verletzungsbedingten Ausfälle gehäuft hatten, seine Ernährung um und verzichtet seither unter anderem auf Gluten und Schweinefleisch. Zurzeit befindet er sich Training nach seiner letzten Verletzung und könnte schon am Wochenende spielen. Dabei wird er wie gewohnt alles in die Waagschale werfen, um sein Team zu unterstützen und zu führen.

Spielstil und Spielanlage

Goretzka ist mittlerweile zum typischen Box-to-Box-Player gereift und ist ein absoluter Leithammel sowohl auf Schalke als auch im Nationalteam. Der 1,89 Meter große Mittelfeldmann ist der geborene Anführer, war bereits in diversen Jugendteams (auch in Nachwuchs-Nationalmannschaften) Kapitän und gibt auf dem Platz die Richtung vor. Trotz seines jungen Alters (Anm. Er wird im Februar 23 Jahre alt) blickt er bereits auf viereinhalb Bundesligasaisonen, zwölf Länderspiele und viele internationale Begegnungen zurück. Auf dem Platz geht er hart in die Zweikämpfe und versucht mit seiner Dynamik das Spiel nach vorne zu treiben. Sein Spielstil erinnert dabei phasenweise an Toni Kroos, wobei Goretzka mehr Tempo mitbringt. Sein früheres Manko, seine Ungefährlichkeit vor dem Tor, hat er längst abgelegt und erzielte in dieser Saison in elf Spielen vier Tore.

Der zentrale Mittelfeldmann besticht aber auch durch seine starken Laufleistungen, denn der nimmermüde Arbeiter spult knapp zwölf Kilometer pro Partie ab. In seinem Spiel merkt man auch, dass er einen unermüdlichen Offensivdrang hat, selbst wenn er als Sechser vor der Abwehr aufgeboten wird. Im zentralen Mittelfeld ist Goretzka daher polyvalent einsetzbar und kann zur Not auch über die Außenpositionen kommen, da er trotz seiner wuchtigen Statur ein unglaubliches Tempo am Ball besitzt und auch technisch überzeugt. Die Bayern bekommen mit ihm also einen zentralen Mittelfeldmann, der alle Komponenten eines modernen Achters vereint und jedem Spiel seinen Stempel aufdrücken kann.

Das Spielsystem

Der FC Bayern München hatte in den letzten Jahren mit Guardiola, Ancelotti und Heynckes drei Startrainer an der Seitenlinie, die mehrere Gemeinsamkeiten haben. Sie haben allesamt die Champions League gewonnen, wurden mit den Bayern deutscher Meister und setzten auf drei zentrale Mittelfeldspieler, wenngleich die taktische Ausrichtung immer eine andere war. Für Goretzka bedeutet das, dass er sowohl die Position von Vidal bekleiden könnte, der meist als „Wadlbeißer“ vor der Abwehr agiert, sich aber immer wieder mit in die Offensive einschaltet.

Außerdem wäre da die Position des Achters in dem jetzigen 4-1-4-1-System, welche ihm womöglich am meisten entgegenkommen würde. Gemeinsam mit Thiago, Rodriguez (sofern er über den Sommer hinaus den Bayern erhalten bleibt), Müller oder Tolisso könnte er diese Positionen bekleiden. Auch in einer 4-2-3-1-Ausrichtung könnte er die zentralen Stellungen beackern, wobei er hier wohl eher im defensiven Mittelfeld eingesetzt werden würde, da man in der Offensive mit Müller und Rodriguez zwei Spieler von Weltklasseniveau zur Verfügung hat. Aufgrund der Verletzungsanfälligkeit der Münchner Außenspieler und der ungewissen Zukunft einiger Altstars, könnte er auch auf die Seiten ausweichen. Dieses Szenario ist zwar das Unwahrscheinlichste, würde aber eine zusätzlich Alternative für den Trainer aufzeigen und das Spiel der Bayern somit noch unberechenbarer machen.  Zusammenfassend ist zu sagen, dass Goretzka aufgrund seiner Vielseitigkeit und seiner Attribute auf jeden Fall seinen Platz im Mittelfeld der Münchner finden wird.

Verjüngungskur der Bayern

Der „FC Hollywood“ befindet sich im Wandel, musste in dieser Saison seit langem wieder einen Trainer entlassen und konnte sich erst unter Altmeister Jupp Heynckes stabilisieren. Die Münchner marschieren Richtung Meistertitel, haben eine gute Auslosung im DFB-Pokal und hoffen auf ein Weiterkommen in der Champions League. Dennoch ist nicht alles eitel Wonne bei den Bayern, denn die Verträge von „Robbery“ laufen aus und bis dato ist eine Verlängerung ungewiss. Auch Rafinha und Ulreich stehen vor einem Absprung, ebenso wie die Jungstars Dorsch und Benko. Ob darin ein Indiz zu erkennen ist, dass die Bayern die Mannschaft verjüngen möchten und vermehrt (deutsche) junge Spieler fördern möchten? – möglich ist das allemal.  Dafür spricht zum einen, dass mit Süle und Kimmich zwei Spieler verpflichtet wurden, die den Bayern nachhaltig weiterhelfen und sich schnell in der Mannschaft zurechtgefunden haben. Ebenso sind Spieler a la Gnabry oder Coman ein Vorgriff auf ein mögliches Ende der Ära Robben und Ribery. Außerdem ist etwa die Hälfte der Kaderspieler der Münchner mindestens 29 Jahre alt und aus der eigenen Jugend stoßen wenige Spieler nach.

Einzig der Österreicher Friedl konnte sich schon einige Male beweisen, aber die letzten Experimente mit Spielern wie Scholl und Gaudino scheiterten. Die Zeiten, in denen man einen Schweinsteiger, einen Kroos oder einen Müller einfach mir nichts dir nichts aus dem Hut zauberte, sind vorbei. Daher ist der Rekordmeister gezwungen, sich am Transfermarkt zu betätigen und ebensolche Verpflichtungen wie jene von Goretzka zu tätigen. Mit Julian Brandt und Benjamin Heinrichs stehen zwei potentielle Neuverpflichtungen ante portas und könnten in diesem Sommer realisiert werden. Aufgrund der guten Jugendarbeit in Deutschland, dem Prestige der Bayern und ihren finanziellen Mittel stehen ihnen dahingehend Tür und Tor offen. Mit Goretzka könnte nun der entscheidende Baustein gefunden worden sein, dass sich eine neue Mannschaft um einen zentralen Mittelfeldmann zusammenfindet und somit ein neues Zeitalter einleitet, wie es damals mit der Verpflichtung von Ballack geschah.

Aussichten

Ob das Spielsystem weiterhin so bestehen bleibt und ob tatsächlich die Mannschaft mit jungen Spielern unterfüttert wird, das steht freilich noch in den Sternen, da der Trainer zur neuen Saison noch nicht gefunden wurde. Es steht nur fest, dass es ein deutscher Coach sein wird. Damit sind wohl Löw, der bereits vielzitierte Nagelsmann und Klopp in der Verlosung, wobei man bei Kovac oder Hasenhüttl das Deutschtum ein wenig ausweiten würde. Bis dato weiß man nur, dass es ein interessanter Findungsprozess werden wird, wobei Goretzka wohl bei allen Trainern eine wichtige Rolle spielen könnte. Für den talentierten Jungen aus dem Ruhrpott sieht es nach dem richtigen Schritt aus, um das nächste Level zu erreichen. Dort kann er, sofern er von übermäßigen Verletzungen verschont bleibt, eine tragende Rolle einnehmen und den Klub in den nächsten Jahren prägen. Obwohl er dabei namhafte Angebote aus Barcelona oder Madrid ausgeschlagen hatte, ist die Tür für einen großen Auslandstransfer längst noch nicht zu. Falls er doch dieser Meinung sein sollte, würde ein kurzes Gespräch mit Toni Kroos Abhilfe von diesem Gedanken schaffen. Um dem Brückenschlag zur Überschrift zu schaffen ist festzuhalten, dass Goretzka und Bayern nicht einfach nur funktionieren kann, sondern dass diese Konstellation funktionieren wird und man in München viel Freude an ihm haben wird.

Thomas Schützenhöfer, abseits.at

Thomas Schützenhöfer

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