Mit etwas Glück gewinnt Zweiligist Holstein Kiel das erste Spiel der Relegation 2020/21 mit 1:0 beim 1. FC Köln. Matchwinner Simon Lorenz wird erst Sekunden vor seinem Treffer eingewechselt. Die Kölner stehen damit vor dem Rückspiel am kommenden Samstag (18 Uhr) bereits mit dem Rücken zur Wand.
Die Spiele in der Relegation sind meist eine eher zähe Angelegenheit. Das Hinspiel zwischen Bundesligist 1. FC Köln und Holstein Kiel aus Liga Zwei bildete da keine Ausnahme. Die Kieler hatten in dieser Partie das bessere Ende für sich und gewannen durch einen Treffer des eingewechselten Simon Lorenz mit 1:0. Aufgrund von Quarantänebestimmungen war es für Kiel das neunte Spiel innerhalb der letzten vier Wochen.
Vor Relegationsspielen wird der höherklassigen Mannschaft zumeist die bessere Ausgangslage zugeschrieben. Als Grund wird dabei in den meisten Fällen nicht nur die größere individuelle Klasse, sondern das sogenannte „Momentum“ angeführt.
Hinter diesem gern zitierten Wort verbirgt sich die Annahme, dass eben jene Mannschaft, die sich vor dem direkten Abstieg zunächst retten konnte, mit einem Erfolgserlebnis in die beiden Spiele geht. Der Gegner hingegen muss durch den verpassten Aufstieg eine Enttäuschung verarbeiten, so die Küchenpsychologie.
Kölns Trainer Friedhelm Funkel wollte vor dem Anpfiff der Partie gegen Kiel davon jedoch nichts wissen. Dieses vermeintliche Momentum zähle für ihn nicht, sagte er in das Mikrofon der übertragenden Plattform DAZN. Seinem Gegenüber Ole Werner traue er durchaus zu, die Kieler mental wieder aufzurichten, so Funkel.
Er sollte am Ende Recht behalten. Zwar hatte Kiel spielerisch wenig anzubieten, verteidigte über weite Strecken des Spiels aber sehr kompakt und ließ wenig zu. In einer von vielen Fouls und Ruppigkeiten geprägten Begegnung, waren, wie zu erwarten, die Kölner das bestimmende Team. Zur Halbzeit wies die Torschussstatistik ein deutliches 10:3 zu Gunsten des Bundesligisten aus.
Das Problem der Kölner: Viel Zwingendes war nicht dabei. Der offensiv aktivste Spieler auf Seiten des „Effzeh“ war Jonas Hector, der einen verkappten Mittelstürmer gab. Der unermüdliche Einsatz des ehemaligen Nationalspielers reichte aber nicht, um die beste Defensive der Zweiten Liga zu knacken.
Etwas Pech hatten die Kölner zudem mit den Entscheidungen des Unparteiischen im ersten Durchgang. So wertete Schiedsrichter Felix Zwayer ein Luftduell zwischen Hector und Kiels Goalie Ioannis Gelios als ein Foul des Kölners, worüber sich durchaus streiten lässt. Nach einem rüden Einsteigen von Aleksandar Ignjovski gegen Ondrej Duda, beließ es Zwayer bei einer Gelben Karte. Ein Platzverweis für den Kieler wäre hier jedoch keine Fehlentscheidung gewesen.
So kam es wie es kommen musste. Kiel, das bis zu diesem Zeitpunkt offensiv wenig zu Stande brachte, bekam zu Beginn der zweiten Hälfte einen Eckball zugesprochen. Kurz vor der Ausführung schickte Trainer Werner für Ignjovski den langen Verteidiger Simon Lorenz auf den Platz. Die Zuordnung der Kölner kam damit durcheinander und so konnte Lorenz nur 19 Sekunden nach seiner Einwechslung zur Führung einköpfen (59.). Ein Tor für Kiel hätte an diesem Abend wohl nur so fallen können.
Köln betrieb auch danach weiterhin einen großen Aufwand, war aber offensiv zu einfallslos, um wirklich gefährlich zu werden. Funkel bemängelte nach dem Spiel nicht ohne Grund, dass sich seine Mannschaft nicht genug Torchancen erspielen konnte. Ellyes Skhiri (65.) und Sebastian Andersson (84.) vergaben dabei die besten Möglichkeiten der Kölner.
Die stehen vor dem Rückspiel am kommenden Samstag nun gewaltig unter Druck. Wie frustrierend dieses Spiel für die Kölner Spieler war, zeigten die Interviews nach dem Spiel. Vor allem Kapitän Hector platzte der Kragen: „Dumme Fragen stellen können Sie gut“, blaffte er den Reporter an. Kiels Trainer Werner hingegen war die Gelassenheit in Person: „Wir können nur gewinnen, in der zweiten Liga sind wir ja schon. Wenn etwas dazu kommt, ist es gut, wenn nicht, bleibt für uns alles beim Alten.“
Der Sieg von Holstein war der erste Erfolg eines Zweitligisten seit neun Jahren. Insgesamt setzte sich seit der Einführung der Relegation 2009 nur dreimal der unterklassige Klub durch. Köln droht nun der vierte Abstieg innerhalb von 15 Jahren: denn das Momentum ist nun auf Kieler Seite.
Ral, abseits.at
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