Es ist vielleicht das Bundesligafoto des Jahres: BVB-Torhüter liegt in einer Art Yoga-Position auf dem Rasen und lamentiert in Richtung seines Verteidigers Marc Batra.... Revierderby: Wo ist der Panikknopf?

Es ist vielleicht das Bundesligafoto des Jahres: BVB-Torhüter liegt in einer Art Yoga-Position auf dem Rasen und lamentiert in Richtung seines Verteidigers Marc Batra. Im Hintergrund läuft der Stürmer des VfB Stuttgart, Chadrac Akolo, alleine auf das leere Tor zu. Aufgenommen wurde dieses Foto in der in der fünften Minute des Spiels des Aufsteigers aus Stuttgart gegen Borussia Dortmund. Der Ausgang dürfte bekannt sein: Der BVB verlor mit 1:2 – und stürzte auf Platz fünf der Tabelle. Seit fünf Spielen sind die Dortmunder nun ohne Sieg, gleich vier davon gingen verloren. Vor dem Beginn des Negativlaufs hatte Dortmund noch fünf Punkte Vorsprung auf den FC Bayern; vor dem am Wochenende anstehenden Derby gegen Schalke 04  sind es neun Punkte Rückstand.

Was ist also schief gelaufen? Nun, zunächst muss festgehalten werden, dass der BVB in den ersten Saisonspielen wohl etwas überperformte, was auch dem leichten Spielplan geschuldet war. Im Moment ist das genaue Gegenteil der Fall, da Trainer Peter Bosz die eigentliche Leistungsfähigkeit des Kaders nicht auf die sprichwörtliche Straße bekommt; was auch damit zusammenhängt, dass viele Leistungsträger aktuell außer Form oder verletzt sind. Gerade in der Defensive führt dies immer wieder zu unerklärlichen Aussetzern. Exemplarisch dafür ist die eingangs erwähnte Slapstickeinlage von Batra und Bürki am letzten Spieltag. In den letzten fünf Spielen kassierte Dortmund 14 Gegentore, in den sieben Begegnungen zuvor waren es gerade einmal zwei.

Als Hauptschuldiger an der Misere – den es ja immer irgendwie geben muss – wird von vielen Medien der neue Trainer Bosz ausgemacht. Mal ist es sein riskantes System, welches von den Gegnern angeblich entschlüsselt wurde; mal ist es die mangelnde Fitness aufgrund von unzureichendem Training. Fakt ist: Viele Experten, die mit der Arbeit von Bosz seit längerem vertraut sind, waren überrascht, wie gut die Mannschaft des BVBs dessen extrem hohes Pressing zu Beginn schon verinnerlicht hatte. Bei dem Ex-Verein des Niederländer, Ajax Amsterdam, hat dies über ein halbes Jahr gedauert, bis die Spieler sich halbwegs damit zurechtfanden. Was man Bosz jedoch vorwerfen kann: Er findet derzeit keine defensiven Lösungen – sowohl bei der Heimniederlage gegen RB Leipzig, als auch beim 2:4 in Hannover waren es dieselben Lücken und freie Räume, die der Gegner ausnutzen konnte. Auch Stuttgart hatte diese zuletzt schnell ausgemacht. Den BVB aktuell defensive in Bedrängnis zu bringen ist recht einfach: Lange Bälle in den Rückraum, und schon ist die Abwehr entblößt.

Bosz trifft daran im jedem Fall eine Mitschuld. Dennoch muss sich auch die Dortmunder Führungsriege uns Hans-Joachim Watzke und Michael Zorc hinterfragen, ob auf den Abgang von Abwehrchef Mats Hummels personell adäquat reagiert wurde – bereits unter Thomas Tuchel waren Probleme beim Verteidigen offensichtlich. Der Abgang von Sven Bender vor der Saison tut daher nun doppelt weh: Erstens fehlt es dem Kader an Typen, die wie Bender auch in misslichen Lagen voran gehen; zweitens geht nun ein echter „Drecksack“ vor der Abwehr ab, der im Zweikampf auch mal dazwischen haut. Dieser Typus fehlt im Kader der Dortmunder. Ein paar erfahrene Recken würden der Mannschaft momentan sicher ganz gut tun.

Hinzu kommt, dass es gerüchtweise innerhalb des Teams zwischenmenschlich nicht immer passen soll; was jedoch von allen Beteiligten stets vehement dementiert wird. Ganz besonders sollen manchen die Eskapaden eines Pierre-Emerick Aubameyangs sauer aufstoßen, der erst zuletzt wieder vor dem Spiel gegen Stuttgart suspendiert wurde: Der Stürmer war zu spät zum Training erschienen. In diesem Fall verhält es sich wohl wie in jedem stinknormalen Büro: Wenn der Kollege, der aufgrund seiner Unpünktlichkeit stets kritisch beäugt wird, nun auch seinen Job nicht mehr gut macht, dann rumort es erst recht innerhalb der Belegschaft. Und aktuell macht der Gabuner seinen Job eben nicht gut – in der Bundesliga wartet er seit vier Spielen auf einen Treffer. Die aktuelle Schieflage belegt daher auch, wie abhängig die Dortmunder von ihrem Torjäger sind. Denn sowohl Mario Götze, als auch der junge Christian Pulisic spielen zwar eine gute Saison; ausgewiesene Vollstrecker sind sie jedoch nicht.

Der kommende Gegner Schalke entspricht dabei aktuell dem genauen Gegenteil des schwarz-gelben Erzrivalen. Denn keine Mannschaft war bislang so effizient, wie die Knappen. Zieht man den statistischen Wert der Expected Goals heran, deckt sich dieser fast Eins-zu-Eins mit den 16 erzielten Toren der Mannschaft von Domenico Tedesco. Dabei ist dem Schalker Trainer-Jungspund etwas gelungen, was seinem Kollegen auf Dortmunder Seite noch nicht gelang: Wenige Teams sind defensiv so gut gestaffelt, wie die Königsblauen. Dadurch steht Schalke momentan auf Platz zwei der Tabelle, womit sie laut den Expected Points etwas besser dastehen, als sie eigentlichen sollten. Nichtsdestotrotz hat Schalke alle Ingredienzien beisammen, um den Rivalen das erste Mal seit dem 27. September 2014 zu besiegen. Den BVB würde das noch tiefer in die Krise stürzen. Und der Job von Trainer Bosz wäre damit wohl endgültig gefährdet.

Ral, abseits.at

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