Routiniert und zweikampfstark – das ist Ildiz‘ Konkurrenz beim 1. FC Nürnberg
Deutschland 8.Februar.2013 Alexander Semeliker 0
Einen Tag vor dem Schließen des Transferfensters gab der SK Rapid Wien den Transfer von Muhammed Ildiz zum 1. FC Nürnberg bekannt. Für den deutschen Bundesligisten, so dessen Sportvorstand Martin Bader, habe sich die Möglichkeit ergeben, Ildiz schon in der Winterpause zu verpflichten – und nicht erst im Sommer, wie es zunächst angedacht war. Doch wie gut stehen die Chancen, dass er sich beim „Club“ durchsetzt? abseits.at wirft einen Blick auf seine Konkurrenten.
Aktuell rangiert der 1. FC Nürnberg zwar nur auf dem 14. Tabellenplatz, der Punkteabstand zu den internationalen Rängen ist aber kleiner als zum Relegationsplatz 16. Trotz beschränkter Mittel und ständigem Verlust der Leistungsträger – Diekmeier, Gündogan, Ekici, Schieber, Wollscheid, Hegeler, Didavi – halten sich die Franken in den letzten Jahren konstant in der ersten Liga. In der Winterpause verloren sie obendrein mit Dieter Hecking auch noch einen kompetenten Trainer. Sein Nachfolger, Michael Wiesinger, hat Heckings Philosophie aber weitestgehend übernommen. Im zentralen Mittelfeld setzt er dabei auf ein Trio, das je nach Gegner unterschiedlich ausgerichtet und besetzt ist.
Timmy Simons – der Stratege
Der wichtigste Stabilisator im FCN-Mittelfeld – egal ob mit einer 4-1-4-1- oder 4-2-3-1-Grundordnung gespielt wird – ist Timmy Simons. Der 36-jährige Belgier hat enorm viel Erfahrung – zahlreiche Champions League-Spiele für den PSV Eindhoven sowie über 90 Teameinberufungen – und ist der Ruhepol im Zentrum der Franken. „Timmy ist ein Vorbild für alle meine jungen Spieler. Es ist unglaublich, wie fit er noch ist“, sagte Hecking vor seinem Abgang zum VfL Wolfsburg.
In der letzten Saison war Simons beispielsweise der einzige Bundesligaspieler, der über 400 Kilometer auf dem Rasen zurücklegte. Diese beeindruckende Zahl ist aber kein Wunder, verpasste er seit seinem Wechsel 2010 nur mickrige 36 der insgesamt 7920 Minuten. Die Wichtigkeit Simons‘ zeigt sich aber auch in der Statistik: kein Nürnberger Zentrumspieler gewinnt mehr Zweikämpfe und keiner erobert mehr Bälle. Zudem zeugen knapp 83 Prozent angekommene Pässe und nur vier direkte Ballverluste während der laufenden Saison von einer enormen Ballsicherheit. An ihm ist kein Vorbeikommen.
Hanno Balitsch – der Allrounder
Etwas versetzt neben Simons agiert meist Hanno Balitsch. Der 32-Jährige hat ebenfalls schon einiges von der Fußballwelt gesehen, absolvierte für den 1. FC Köln, Bayer Leverkusen, Mainz 05, Hannover 96 und Nürnberg über 300 Bundesligaspiele. Blickt man nur auf die statistischen Zahlen, kommt man zu dem Schluss, dass Balitsch seinem Nebenmann Simons sehr ähnlich ist. Allerdings hat der einmalige deutsche Teamspieler eine andere Reichweite. Simons‘ Fokus liegt im Zentrum, von wo aus er strategische Pässe spielt und zur Unterstützung auch auf die Seiten ausweicht. Wie man in der nebenstehenden Grafik erkennen kann, sind die Aktionen von Balitsch stärker gestreut und reichen weiter in die Hälfte des Gegners hinein.
Diese Flexibilität ist neben der leidenschaftlichen und kämpferischen Spieleweise seine größte Stärke. So half er zum Beispiel auch schon als Außenverteidiger aus. Balitsch wechselte vor einem Jahr ins Frankenland nachdem er bei Leverkusen nicht die gewünschte Wertschätzung erhielt. „Grundsätzlich kann ich nicht nachvollziehen, dass man einen Spieler aussortiert, dem man nichts vorwirft“, sah er sich als Bauernopfer. Für Sportvorstand Bader war damals, ähnlich wie bei Ildiz, klar, wenn so ein Spieler „auf dem Markt war, mussten wir uns einfach um ihn bemühen.“
Markus Feulner – der Gescheiterte
Die beiden bisher genannten Spieler sind sowohl auf als auch abseits des Rasens wichtige Stützen, an denen es bisher kaum ein Vorbeikommen gab. Je nach Ausrichtung wird das Mittelfeldzentrum um einen Spieler ergänzt. Will der Trainer die Defensive stärken, so setzt er meist auf Markus Feulner. Auch er hat mit seinen 30-Jahren schon einiges erlebt. Mit dem FC Bayern München holte er 2003 das Double, mit Borussia Dortmund 2011 die Meisterschale. Allerdings spielte er bei allen drei Titeln nur eine untergeordnete Rolle. Auch beim 1. FC Köln, für den er von 2004 bis 2006 seine Schuhe schürte, konnte er nicht wirklich überzeugen und so kann lediglich seine Zeit bei Mainz 05 als sehr positiv herausgestrichen werden.
Mit sieben Toren und 16 Vorlagen schoss er die Rheinhessen 2008 in die Bundesliga, ehe er danach zum BVB wechselte, wo er kaum Fuß fassen konnte. Auf dem Feld charakterisiert sich das ehemals hoch gehandelte, aber oft verletzte Talent ähnlich wie Balitsch durch seine Vielseitigkeit. Feulner kann im Mittelfeld sowohl im Zentrum als auch auf den Seiten agieren und gab ebenfalls schon das eine oder andere Mal den rechten Außenverteidiger. In Nürnberg, so scheint es, fühlt sich der gebürtige Oberfranke wieder wohl.
Hiroshi Kiyotake – der Flankengott
Der Durchbruch von Shinji Kagawa bei Borussia Dortmund hat zahlreiche weitere Japaner in die Bundesliga geschwemmt, unter anderem auch Hiroshi Kiyotake. Für eine Million Euro wechselte der 23-Jährige zu Saisonbeginn vom Ex-Kagawa-Klub Cerezo Osaka in deutsche Liga und schlug zu Beginn voll ein. Fünf Scorerpunkte (ein Tor, vier Assists) errang er in seinen ersten vier Bundesligaspielen, danach wurde es allerdings etwas still um Nürnbergs flinke Nummer 13. Erst gegen Ende der Hinrunde kam er wieder etwas in Fahrt, ehe in der Wintervorbereitung kleinere Probleme auftraten.
Die kalten Temperaturen dürften Nürnbergs Topscorer nicht liegen – wie er über Twitter andeutete – weswegen er im Training etwas durchhing. Zum Rückrundenstart gegen den HSV musste er deshalb erstmals auf der Ersatzbank platznehmen. Doch die Wichtigkeit von Kiyotake für das Nürnberger Spiel ist nicht nur aufgrund der Scorerstatisitk augenscheinlich. Neben kreativen Impulsen aus dem Spiel heraus sind in erster Linie seine Standards und Flanken eine sehr gefährliche Waffe. Setzt Wiesinger auf 4-1-4-1 hat Kiyotake seinen Platz auf einem der beiden Flügel, im 4-2-3-1 agiert auf der Zehnerposition und rückt im Pressing nach vorne.
Wo ist Platz für Ildiz?
Letzterer Spieler ist für Ildiz nur dann von Bedeutung, wenn man ihn in Nürnberg als offensiven Mittelfeldspieler sieht. Bei Rapid spielte er stets auf einer der beiden Sechserpositionen, ist aber vom Spielstil her ein offensiver denkender Spieler als etwa Simons oder Balitsch und agiert aber gleichzeitig tiefer als Kiyotake. Will Wiesinger also beispielsweise ein defensiv- bzw. tiefer orientiertes Zentrum, macht eine Hereinnahme von Ildiz durchaus Sinn. Je nach Position von Balitsch würde dies dann eine 4-1-4-1- oder 4-2-3-1-Formation darstellen. Bei all diesen Überlegungen muss jedoch auch die Frage aufgeworfen werden, ob Ildiz überhaupt schon bereit für einen Sprung in eine der besten Ligen Europas ist – sowohl was das Sportliche als auch das Mentale betrifft.
Die Tatsache, dass man ihn mit einem Viereinhalbjahresvertrag bis 2017 ausgestattet hat zeigt, dass man den Transfer beim 1. FC Nürnberg als langfristige Anlage sieht. Auf dem Youngster herrscht kein Zeitdruck. Er hat genügend Zeit sich zu entwickeln, womit das erste Problem zunächst abhakt ist. Entscheidender ist, ob und wie sich Ildiz in Nürnberg einleben wird. So wie etwa Nuri Sahin gilt er als Mensch, der ein familiäres und vertrautes Umfeld braucht um Topleistungen abrufen zu können – ein weitaus schwierigeres Problem. Kurz nach seiner Ankunft gab Ildiz nämlich bereits zu, dass er schon jetzt seine Familie, seine Freunde und die Stadt Wien vermisse.
Alexander Semeliker, abseits.at
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