Schweinsteiger und das Guardiola-Konzept: Die möglichen Rollen des Ur-Münchners
Deutschland 28.Februar.2015 Rene Maric 0
Bastian Schweinsteiger und Josep Guardiola – das scheint nicht perfekt zueinander zu passen; Gerüchten zufolge soll Guardiola Schweinsteiger etwas kritisch sehen, seine Ballverarbeitung findet er etwas zu langsam und seinen Aktionsradius zu weiträumig. Zahlreiche Experten sprechen in dieser Saison auch davon, dass Schweinsteiger nicht perfekt in Guardiolas Spielweise passt und auch nicht mit Xabi Alonso zu harmonieren scheint.
Das stimmt aber nur teilweise. Zwar scheinen die Abläufe mit Alonso (noch) nicht zu passen, doch für Schweinsteiger gibt es einen Platz in Guardiolas System. Es ist nur die Frage, welche Rolle und Position er in welchem Umfeld erhält. In diesem Artikel soll es darum um mögliche Einbindungsmöglichkeiten Schweinsteigers gehen.
Vorstoßender Sechser und Achter in einem flügelorientierten System
Unter Guardiola spielte Schweinsteiger bereits häufiger in einer ungewohnten und unüblichen Rolle. Im 4-2-3-1 und auch im 4-3-3 spielte Schweinsteiger oftmals als höchster zentraler Mittelfeldspieler, besetzte immer wieder den Strafraum und spielte teilweise wie ein verkappter Stürmer mit vielen Defensivaufgaben. Er hatte schon zuvor eine Rolle als Box-to-Box-Mittelfeldspieler von der Sechserposition gespielt, doch unter Guardiola fielen seine Aufgaben als Taktgeber und Spielgestalter vor der Abwehr weg und sein Aktionsradius wurde nach vorne verlagert.
Damit sollte vermutlich verstärkt seine Torgefahr, seine Kopfballstärke und seine gutes Öffnen und Besetzen von Räumen im letzten Drittel fokussiert werden. Besonders durch den Fokus auf Durchbruchsversuche über die Flügel, die Dribblings der Außenspieler und zahlreiche Flanken sollte Schweinsteiger für Unterstützung zwischen den Linien oder im Strafraum bei Kopfbällen sorgen. Allerdings hatte Schweinsteiger hier Einbindungs- und Rhythmusprobleme, weil er oftmals zu hoch stand und seine Stärken sich speziell durch das späte Nachrücken bei Angriffen in den Rücken der Abwehr entwickeln.
Deswegen sucht Guardiola nach neuen Rollen. Gegen Donezk scheiterte dies.
Schweinsteigers klassische Rolle in neuem System scheint nicht möglich
Beim Hinspiel in der Champions League vergangene Woche gab es einmal mehr die Paarung Schweinsteiger und Alonso auf der Doppelsechs. Prinzipiell kann Schweinsteiger die Rolle als Sechser ausfüllen. Mit Javi Martinez tat er es in der Triple-Saison 2012/13 herausragend, auch zuvor mit Khedira in der deutschen Nationalelf und Mark van Bommel bei den Bayern war er hier stark. Doch mit Alonso ist nur die Position und nicht der Kontext gleich.
Schweinsteiger spielte mit Martinez als freier Akteur; hielt er sich tiefer und passiver, besetzte Martinez die höheren Zonen, agierte vertikaler und öffnete Raum. Oftmals fielen dann Ribéry von links oder Kroos/Müller von der Zehn zurück. Schweinsteiger spielte somit eigentlich wie ein spielmachender, tiefer Sechser. In anderen Partien ging Schweinsteiger vermehrt nach vorne, ließ den Ball in höheren Zonen zirkulieren und wurde von Zweikampfmaschine Javi Martinez abgesichert.
Ähnliches war bei der Aufteilung mit Mark van Bommel und Sami Khedira der Fall. Alonso wiederum ist deutlich präsenter, konzentriert sich selbst auf das Aufbauspiel mit den Innenverteidigern und nutzt hier zahlreiche lange Bälle. Zwar spielte Schweinsteiger bereits öfter den höheren bzw. vertikaleren Part, doch er stand dann im Passspiel trotzdem im Fokus, erhielt die Bälle, wo und wie er sie wollte. Jetzt liegt der Fokus eben auf Alonso und den Flügelstürmern, was Schweinsteigers Bewegungsspiel taktisch nicht entspricht – und womöglich auch psychologisch suboptimal zu sehen ist. Dies könnte sich allerdings ändern, wenn Lahm zurückkehrt.
Als Partner von Lahm auf der Sechs
In der Hinrunde zeigte Alonso als Partner von Lahm auf der Doppelsechs, ob im 3-4-2-1 oder im 4-2-3-1, teilweise sehr gute Leistungen. Dies lag teilweise eben auch an Lahm, welcher für Spielertypen wie Alonso ein fast perfekter Partner auf der Sechs ist. Lahm bietet sich sehr intelligent und durchgehend unterstützend an, übernimmt aber selten die Aufgabe als primärer Spielgestalter – obwohl er es kann.
Er öffnet Räume für seinen Partner, hilft ihm unter Druck und unterstützt auch die höheren Zonen unglaublich intelligent mit fast immer optimalem Timing. Die Doppelsechs Alonso-Lahm hatte darum eine sehr gute Raumaufteilung, eine passende Rollenverteilung und funktionierte sehr gut. Wenn Lahm bald wieder zurückkehrt, könnte er womöglich wieder als rechter Verteidiger auflaufen, doch eine Doppelsechs mit Lahm als Balancegeber für Schweinsteigers fokussierte und freie Rolle als primärer Taktgeber scheint eigentlich wie geschaffen für die beiden.
Schweinsteiger ist auch strategisch etwas geschickter als Alonso in der Ballverteilung, defensiv ein bisschen souveräner und generell unter Druck besser, obgleich er vielleicht nicht ganz über die enorme Präzision bei langen Bällen des Spaniers verfügt. Bis Thiago zurückkehrt wäre eine Doppelsechs aus Lahm und Schweinsteiger somit sehr interessant, besonders in einem 3-4-1-2/3-4-2-1 mit Robben als rechtem Flügelverteidiger wie gegen die AS Roma.
Wenn Thiago kommt, wäre es allerdings möglich, dass Schweinsteiger eine andere Rolle sein Eigen nennt.
Der tiefere Achter im 4-3-3 mit vielen Positionswechseln
Mit Thiago, Lahm und Schweinsteiger gäbe es das Potenzial einer enorm spielstarken und einander ergänzenden Besetzung des zentralen Mittelfelds. Nominell könnte Lahm als Sechser auflaufen, den Ball zirkulieren lassen und seinen beiden Partnern in den höheren Zonen überlassen oder auf die zurückfallenden Bewegungen der beiden reagieren und nach vorne oder zur Seite gehen, um Räume und Passwege zu öffnen.
Schweinsteiger als nominell etwas tieferer Achter könnte sich flexibel zurückfallen lassen und das Spiel aus der Tiefe aufbauen, sich um die Ballbehauptung und -zirkulation im zweiten Drittel kümmern sowie nach vorne stoßen, um seine Torgefahr ins Spiel zu bringen. Thiago wäre wiederum für die Geniestreiche, Dribblings und tödliche Pässe im letzten Drittel zuständig. Positionswechsel wären jederzeit möglich und die genaue Staffelung und Aufgabenverteilung gegen den Ball je nach Gegner veränderbar.
In manchen Spielen hat man z.B. lieber den etwas größeren Schweinsteiger tiefer, in anderen soll er seine Laufstärke und Physis einbringen, indem er den Stürmer im Pressing unterstützt und in manchen Partien ist er eher mit Lahm als zweiter Sechser in einem 4-4-1-1-haften Pressingsystem nützlicher.
Allerdings gäbe es noch eine weitere, spezielle Rolle für Schweinsteiger, bis Lahm und Thiago zurückkehren.
Eine eigene Position wie in Hamburg
Bei der bisher beeindruckendsten Vorstellung der Rückrunde spielten die Bayern ohne Alonso und mit Schweinsteiger in einer sehr speziellen Rolle. Gegen den HSV beim 8:0 war Schweinsteiger häufig der einzige Spieler in der Mitte und agierte als alleiniger Sechser in einem 4-1-4-1/4-3-3. Alaba und Badstuber besetzten den linken Halbraum, Bernat und Lewandowski den linken Flügel, Benatia, Götze und Rafinha den rechten Halbraum, Robben den rechten Flügel – alle natürlich in unterschiedlicher Höhe. Müller pendelte zwischen den Halbräumen und unterstützte dort jeweils, meist ging er eher Richtung links.
Ziel dieser Spielweise war es, dass man auf der linken Seite überlud und den HSV dort anlockte, um dann möglichst schnell auf rechts zu verschieben und Robben in isolierte Situationen zu bringen, damit er sich möglichst einfach im Dribbling durchsetzen und für gefährliche Aktionen sorgen sollte. Schweinsteiger hatte hier eine Schlüsselrolle, er kümmerte sich um den Rhythmus, welche Seite wann attackiert werden sollte und besetzte die Mitte alleine.
Des Weiteren kippte er nicht nur regelmäßig zwischen die Innenverteidiger im Spielaufbau ab, sondern agierte vielfach auch gegen den Ball als eine Art Libero und stellte 3-4-3/5-4-1-hafte Staffelungen her; eine Rolle, welche Alonso oder sonst jemand bei Bayern bisher nur kurzzeitig bei Abstößen inne hatte.
Ob und inwiefern diese Rolle in Zukunft genutzt wird, bleibt abzuwarten. Aber sie wäre für Guardiolas Spielsystem und für Schweinsteigers Fähigkeitenprofil sehr interessant sowie überaus innovativ; eine Art moderner Libero sozusagen.
Rene Maric, abseits.at
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