St. Pauli steckt endgültig im Keller fest, Aue atmet auf, harte Zeiten für Gartler
Deutschland 21.September.2014 David Kühhas 0
Neben der heimischen tipico Bundesliga und der deutschen Eliteliga ist wohl keine Spielklasse für Marcel Koller derart interessant wie die 2. deutsche Bundesliga. Schließlich tummeln sich dort in zahlreichen Klubs (potentielle) Nationalteamakteure, denen es genau auf die Beine zu schauen gilt. Auch in der 41. Saison reißt der Boom rund um die Liga nicht ab, die extrem ausgeprägte Ausgeglichenheit verleiht der 2. deutschen Bundesliga ihren Reiz.
Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt
Der Hamburger Fußball steckt in der Krise. Was den einst großen HSV anbelangt, ist dies weder eine überraschende noch eine neue Erkenntnis. Im Vorjahr entging der Bundesliga-Dino nur denkbar knapp dem erstmaligen Abstieg aus der ersten Liga, heuer musste Coach Slomka bereits nach drei Runden seinen Hut nehmen. Auch einige namhafte Neuzugänge konnten bislang nicht die Trendwende herbeiführen, Kapitän van der Vaart und Co. steuern geradewegs auf eine neuerlich äußerst turbulente Spielzeit zu.
Als weitaus überraschender ist es anzusehen, dass sich die Situation im Lager der „Kiezkicker“ ähnlich trist darstellt. Anstatt im prognostizierten Aufstiegskampf mitzumischen, findet sich St. Pauli nach sechs Spieltagen im Tabellenkeller wieder.
Bei St. Pauli ist ordentlich Feuer am Dach
Nach einem durchaus ansehnlichen Remis gegen Hasenhüttls Überraschungsteam Ingolstadt zum Ligastart lief abgesehen von einem Kampfsieg gegen Sandhausen gar nichts mehr zusammen. Vor allem die Defensive des Kultklubs war ein ums andere Mal allzu leicht verwundbar, der VfR Aalen zeigte die Schwächen mittels schneller, geradliniger Angriffe nach Balleroberung gut auf. Die SpVgg hatte im Duell in der trolli-Arena fast schon ihren Spaß, servierte Tschauner und Co. mit 3:0 ab, St. Pauli wirkte heillos überfordert. Der schwache Auftritt, bei dem die Abwehr nur selten Herr der Lage war, sich grobe Schnitzer leistete und so der Sieg der „Kleeblätter“ gut und gerne auch höher hätte ausfallen können, veranlasste Sportchef Azzouzi dazu, die Reißleine zu ziehen. Coach Vrabec war nicht mehr zu halten. Nun soll es mit Thomas Meggle der nächste Trainer-Rookie richten. Dieser hat bei der knappen 1:2-Niederlage gegen die Münchner „Löwen“ nach Schlusspfif mit einem Rempler gegen den vierten Offiziellen Florian Heft für Aufsehen gesorgt und eine Sperre von zwei Matches ausgefasst.
Erhoffter Trainereffekt blieb aus, Talfahrt geht ungebremst weiter
Mit der unglücklichen Niederlage gegen die Moniz-Elf, leicht überlegene „Kiezkicker“ mussten sich effizienten Sechzgern beugen, war die Talsohle nicht erreicht. Der angeknockte Gegner kam für bis dato desolate Auer gerade recht. Die Veilchen dominierten die Begegnung, fanden bereits vor Lönings Führungstreffer beste Chancen vor und schlugen schließlich die immer wieder kehrenden Einladungen der Hamburger nicht aus. Die Fehlerorgie schmerzte Meggle wohl richtig, Aue hingegen rackerte und kämpfte, lieferte zwar definitiv keine Glanzvorstellung ab, meldete sich aber im Abstiegskampf zurück. Mit Leidenschaft und Einsatz kauften die Erzgebirgler St. Pauli die Schneid ab, deren Offensivaktionen des Öfteren zu umständlich und verkrampft wirkten. Natürlich hätten Nöthes abgefälschter Versuch aus der Distanz und Verhoeks Riesenchance per Kopf dem Spiel eine andere Wendung geben können, doch vor allem das Verhalten vor dem spielentscheiden 0:2 treibt wohl jedem St. Pauli-Sympathisant die Sorgenfalten auf die Stirn und ist eines Zweitligisten nicht würdig.
Müller kann völlig unbedrängt am Sechzehnereck Benatelli bedienen, der auf Löning weiterleitet. Der routinierte Mittelstürmer lädt Kringe, Daube und Thorandt auf ein Tänzchen ein, dreht sich um die eigene Achse und legt wieder auf Rico Benatelli zurück. Dieser hat keinerlei Mühe den bemitleidenswerten Tschauner zu überwinden und die Vorentscheidung herbeizuführen. Vier Pauli-Akteure in unmittelbarer Ballnähe verabsäumen es Lönig von der Kugel zu trennen oder zumindest sein Zuspiel auf den Torschützen zu verhindern. Ein derartig lasches und konfuses Zweikampfverhalten im eigenen Sechzehner bleibt eben nur selten folgenlos.
Moralinjektion für Erzgebirgler unter kräftiger Mithilfe von St. Pauli
Das schöne 3:0 aus Sicht der Veilchen war nur noch Draufgabe. Der erste Sieg beim zweiten Auftritt unter Neo-Coach Tomislav Stipic gibt Männel und Kollegen den Glauben an sich selbst zurück. Das Team mit der reiferen und abgeklärteren Spielanlage trug in diesem Krisengipfel den Sieg davon. Aue ziert zwar immer noch das Tabellenende, ist mit seiner Situation allerdings vertraut und nun endlich in der neuen Saison angekommen. Der Kampf um den Klassenerhalt war absehbar und wird von den Erzgebirglern auch angenommen. Natürlich schlugen die Veilchen aus der großen Verunsicherung der St. Pauli-Akteure Kapital und profitierten von groben Schnitzern der Gäste.
Auf der Suche nach Selbstsicherheit und Selbstvertrauen
Für Thomas Meggle heißt es nun, sein Team aufzurichten, den Akteuren wieder Selbstvertrauen einzuimpfen. Natürlich ist es alles andere als leicht, wenn die ambitionierten Ziele vorerst verfehlt werden, man den Aufstieg anpeilt und sich fürs Erste in der untersten Tabellenregion einpendelt. Die Hamburger sind nun endgültig unsanft am harten Boden der Realität aufgeschlagen und müssen schleunigst wieder in die Spur finden. Am besten glückt dies selbstredend mit Siegen. Angesichts der kommenden schweren Aufgaben könnte es ansonsten schnell böse enden.
Abstiegs- statt Aufstiegskampf hieße dann die Devise. Noch ist es nicht zu spät, dieses Szenario abzuwenden. Das Erfolgsrezept für dieses Unterfangen lautet: die Defensive stabilisieren, die Effizienz erhöhen und punkten, punkten, punkten!
Rene Gartler und die Schattenseiten des Legionärsdaseins
Ex-Ried-Kicker Gartler hätte sich seinen Einstand bei seiner ersten Station als Legionär mit Sicherheit anders vorgestellt. Anfangs im 4-5-1 beziehungsweise 4-4-2-System von Coach Alois Schwartz noch gesetzt, gelang ihm immerhin der Treffer gegen St. Pauli. Sein Team agierte insgesamt allerdings zu ungefährlich und nach vorne zu wenig durschlagkräftig. Der Erfolg für Sandhausen blieb aus, in den ersten vier Saisonpartien konnte lediglich ein Punkt erobert werden. Schwartz modifizierte daraufhin gegen Greuther Fürth sein Spielsystem, setzte auf ein 4-2-3-1 und beorderte den schnellen und agilen Andrew Wooten anstelle des 28-jährigen Wieners in die Spitze. Just der Mann, für den der Österreicher weichen musste, erzielte sowohl gegen den Aufstiegsaspiranten als auch gegen den VfR Aalen das siegbringende 1:0. Gut für Sandhausen, schlecht für Gartler. Bis auf weiteres dürfte er keine allzu guten Karten auf einen Stammplatz haben. Er kam bei beiden Siegen nur mehr zu extrem kurzen Einsätzen in den Schlussminuten, vornehmlich um noch etwas Zeit von der Uhr zu nehmen. Getreu dem Motto: „Never change a winning team“ wird der Neo-Legionär wohl vorerst einmal in den sauren Apfel beißen müssen. Andererseits, ist Fußball bekanntlich ein schnelllebiges Geschäft und das Blatt wendet sich oft rascher, als man denkt.
David Kühhas, abseits.at
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