Statistikanalyse: Wo steht Julian Baumgartlinger im Vergleich zu anderen Bundesliga-Sechsern?
Deutschland 15.Juni.2013 Alexander Semeliker 0
Der 1. FSV Mainz 05 spielte eine eher unauffällige Bundesligasaison 2012/2013. Im Winter noch auf einem Europacupplatz, stürzte die Truppe von Thomas Tuchel aufgrund einer mehr als durchwachsenen Rückrunde ins Niemandsland der Tabelle ab und beendete die abgelaufene Spielzeit auf Platz 13. Meistens genauso unauffällig ist Julian Baumgartlinger. Dabei ist der ÖFB-Legionär für die Rheinhessen ein extrem wichtiger Kicker.
Im Sommer 2011 wechselte der gebürtige Salzburger um eine knappe Million Euro zu den 05ern und etablierte sich auf Anhieb in deren Kader. Nachdem er in seiner ersten Bundesligasaison noch oft ein- und ausgewechselt wurde, gilt er im defensiven Mittelfeld mittlerweile als unverzichtbar. Manche stellen sich deshalb die Frage, wie lange der 25-Jährige noch das Mainzer Trikot tragen wird. Wir blicken daher auf seine statistischen Daten und vergleichen sie mit anderen Sechsern in der deutschen Bundesliga.
Interceptions und erfolgreiche Tackles
Zu Beginn schauen wir uns die Leistungsdaten im Spiel gegen den Ball an, das anhand von Ballgewinnen gemessen wird – in diesem Fall sind das Interceptions und erfolgreiche Tackles (laut Datenquelle: „Dispossessing an opponent“). Um die absoluten Daten in ein verständlicheres Licht zu rücken, werden die ursprünglichen Daten mit dem durchschnittlichen Ballbesitz des jeweiligen Teams gewichtet. Denn je öfter der Gegner den Ball hat, umso öfter hat man selbst die Chance diesen zu erobern.
Man sieht, dass Baumgartlinger in der 20 Spieler umfassenden Stichprobe erwartungsgemäß gut abschneidet. Mit 5,9 Ballgewinnen pro 90 Minuten liegt er etwa nur marginal hinter Leverkusens Lars Bender (6,2). Was die Leistungen des Österreichers allerdings noch mehr aufwertet, ist die Tatsache, dass sich die Ballgewinne nahezu gleichmäßig in Interceptions und Tackles aufgliedern. Das unterstreicht die Annahme, dass er sowohl das Spiel gut lesen kann, was sich in den abgefangenen Pässen niederschlägt, als auch im direkten Zweikampf zuverlässig für Balleroberungen ist.
Zweikämpfe und Zweikampfqualität
Um die Fähigkeiten im Zweikampfverhalten noch näher zu verstehen, sehen wir uns im Folgenden an, wie häufig die Spieler überhaupt in das Duell mit einem Gegenspieler gehen.
Auch in diesem Fall wurden die Werte mit dem Ballbesitz gewichtet. Im Vergleich zu den anderen Spielern ist die Zweikampffrequenz bei Baumgartlinger gering. Um seine Kompetenz in Zweikämpfen zu beurteilen, ist allerdings nicht deren Häufigkeit wichtig, sondern wie oft er in diesen den Ball erobert – sie steht also im unmittelbaren Zusammenhang zum ersten Diagramm. Und in dieser Disziplin schneidet der Mainzer außerordentlich gut ab.
Alle 7,87 Zweikämpfe trennt Baumgartlinger seine Gegenspieler so vom Ball, dass er danach selbst in Ballbesitz ist – bei nur vier Spielern ist dies häufiger der Fall. Es sind dies die beiden Dortmunder Sebastian Kehl und Sven Bender sowie Sebastian Rudy und Lars Bender. Betrachtet man nur die bloße Quote an erfolgreichen Zweikämpfen wird der Österreicher (59,9%) sogar nur von Bayerns Javi Martinez (62,8%) geschlagen.
Ballkontakte
Als nächstes wollen wir uns ansehen, wo Baumgartlingers Werte im Spiel in Ballbesitz einzuordnen sind. Ausgehend von der gewichteten Anzahl an Ballkontakten und der Passfrequenz werden wir eine Brücke zum jeweiligen Spielertyp bauen und werden untersuchen, ob das allgemein vorherrschende Bild, Baumgartlinger sei ein klassischer Zerstörer, zutrifft.
Hinsichtlich der Ballkontakte bekommt man im Spitzenfeld das erwartete Ergebnis. An der Spitze stehen mit Bastian Schweinsteiger und Ilkay Gündogan die beiden dominierenden Spielmacher der abgelaufenen Saison, dahinter mit Milan Badlej ein ebenfalls spielstarker Sechser. Der Kroate vom HSV hat eine vergleichbare Rolle wie Baumgartlinger inne, zumal auch die Mainzer oft in einer 4-4-2-Rautenformation agieren. Als zentraler Sechser ist er beim Herausspielen die primäre Anspielstation im Mittelfeld. Will man die Fähigkeiten im Spielaufbau näher ergründen, sind Pässe jedoch aussagekräftiger als die bloße Anzahl an Ballkontakten.
Pässe und Passqualität
Das Bild ist scheinbar das gleiche, einige Punkte stechen allerdings ins Auge. Baumgartlinger besetzt weiterhin einen Top-10-Rang und ist nur marginal hinter dem fünftplatzierten Pirmin Schwegler. Was beim ehemaligen Austrianer jedoch negativ auffällt ist, dass seine Zuspiele nicht so oft nach vorne gerichtet sind wie bei seinen Konkurrenten. Nur 60,4% aller Pässe spielt er vorwärts – die schlechteste Quote aller 20 Akteure und ein wichtiger Faktor dafür, dass Baumgartlinger neben Martinez der einzige Spieler mit über 90% Passerfolgsquote ist. Der Grund dafür, dass sich die Plätze verglichen mit dem vorherstehenden Diagramm verschieben, liegt darin, dass nicht jeder Ballkontakt ein Pass ist.
Manche Spieler spielen den Ball am liebsten so schnell wie möglich weiter, andere tragen in lieber selbst nach vorne. In dieser Kategorie liegt Baumgartlinger im Mittelfeld, was keinesfalls negativ zu werten ist, sondern ein weiteres Indiz für seine vielseitige Spielweise ist. Selbst unter Druck kann er den Ball behaupten und ihn dann sicher weiterspielen.
Fazit
In keinem der untersuchten Bereiche schneidet Baumgartlinger schlecht ab, in vielen ist er sogar im Spitzenfeld zu finden – sowohl defensiv als auch offensiv. Demzufolge gestaltet sich das Spiel des Mainz-Legionärs als äußerst ausgeglichen und variantenreich. Der einzige Kritikpunkt ist, dass er vergleichsweise viele Sicherheitspässe spielt. Ansonsten ist Baumgartlinger eher ein Box-to-Box-Mittelfeldspieler als ein klassischer Sechser. Weitere positive Eigenschaften sind sein intelligentes Positionsspiel, mit dem er die Kompaktheit seines Teams wahrt und Passwege zustellt. Zeigt die Entwicklungskurve des 25-Jährigen weiter die gleiche Tendenz wie bisher, ist es wohl nur eine Frage der Zeit bis er die Möglichkeit hat, sich einem größeren Klub anzuschließen.
Alexander Semeliker, abseits.at
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