Thomas Tuchel beim BVB: Höhere Flexibilität mit kleinem Restrisiko
Deutschland 13.Juni.2015 Rene Maric 1
Nach vielen erfolgreichen Jahren endet mit diesem Sommer die Ära Jürgen Klopp beim BVB. Von einem schlafenden Riesen, den Topteams der deutschen Liga hinterherhinkend, wurden die Dortmunder zu einem taktischen Vorreiter, einem zweifachen Double-Sieger und einem Champions-League-Finalisten. Doch diese Saison folgte der Absturz; zwischenzeitlich fand man sich sogar auf dem letzten Tabellenplatz wieder.
Für viele gilt dies als Grund, wieso Klopp schließlich nicht mehr die Lust verspürte den Verein weiterhin als Trainer zu führen. Nach einer solchen Krise, insbesondere nach so vielen Erfolgen, kann es durchaus sein, dass schlichtweg die Leidenschaft oder das Vertrauen in die eigene Arbeit, oder die Spieler weg ist. Andererseits war die Krise natürlich in den Ergebnissen überzeichnet. Es war viel Pech dabei und die Rückrunde zeigte eine Aufholjagd, welche der BVB auf Platz 7 und im DFB-Pokalfinale (und somit als Europapokalteilnehmer) beendete.
Nun steht mit Thomas Tuchel ein neuer Trainer vor einer großen Aufgabe. Ein Vorteil: Die Aufgabe ist nicht ganz so groß, wie man glaubt.
Regression zur Mitte als guter Freund
Für viele ist der BVB noch immer in der Krise; einige sehen nach wie vor noch den dramatischen Hinrundenverlauf, obwohl wie erwähnt schlichtweg viel Pech dabei war. Fast alle statistischen Modelle setzen den BVB in dieser Saison auf einen Platz zwischen 2 und 6 in der deutschen Liga, die meisten Modelle sehen sie auf 3 oder 4. Nur Wolfsburg war besser, Leverkusen und Gladbach teilen sich in der Mehrheit der Modelle die folgenden Plätze mit minimalen Abständen auf.
Das ist für Tuchel natürlich ein Vorteil. Als neuer Trainer wird er ohnehin im ersten Jahr mehr Geduld von Fans und Medien erhalten, aber die Erwartungen werden durch den „nur“ siebten Platz im Vorjahr deutlich gedämpft sein, obwohl sie das nicht sein müssten. Anders formuliert: Wenn Tuchel den Status quo hält, wird der BVB mit hoher Wahrscheinlichkeit schon signifikant besser abschneiden als im Vorjahr.
Dennoch darf zu erwarten sein, dass Tuchel nicht den momentanen Zustand aufrechterhalten möchte und wird, sondern positive Veränderungen anstrebt. Hierbei profitiert er ebenfalls von einem ihm nicht direkt zurechenbaren Faktor.
Neue Besen kehren besser
Auch wenn es vorrangig Pech war, was zur schwächeren BVB-Saison führte, so ist ein Trainerwechsel und die damit verbundene Umbruchsstimmung aus rein psychologischer Perspektive dennoch ein positiver Vorteil. Es werden alte Abläufe und Routinen aufgebrochen, neue Strukturen eingeführt, es gibt neue Erlebnisse und Methoden, welche schlichtweg durch die Variation und die Abkehr von der Norm für positive Effekte sorgen können. Das kann schlicht beim Umgang mit jungen Spielern beginnen und beim wiedergewonnen Selbstvertrauen und Glauben an die kommende Chance für manche weniger eingesetzte Spieler sorgen.
Ein Beispiel ist Henrikh Mkhitaryan. Dieser hatte bisher einige Einbindungsprobleme, obwohl er für viel Experten einen absolut herausragenden Spieler darstellt. Passenderweise gab es vor einigen Monaten sogar Gerüchte über einen Abgang Mkhitaryans (u.a. zu Juventus), die schlagartig wieder verstummten. Tuchel soll außerdem ein großer Fan Mkhitaryans sein und diesem ihm persönlichen Gespräch eine Schlüsselrolle zugestanden haben.
Aber nicht nur für einzelne Spieler und die Psychologie kann ein neuer Trainer positive Effekte haben. So ist Tuchel zum Beispiel im Training deutlich spielformenorientierter und fokussiert sich auch auf das differenzielle Lernen, was als solches einfach einen positiven Effekt bringen könnte. Gewisse Spieler könnten den nächsten Schritt gehen und einen Entwicklungsschub erhalten.
Außerdem musste der BVB in den vergangenen zwei Saisonen zahlreiche Verletzungen unterschiedlicher Natur verkraften. Ein neues, verändertes Training mit anderer Methodik und Periodisierung könnte hier Abhilfe schaffen. Es könnte sogar für eine bessere Fitness und damit auch für eine bessere Form der Einzelspieler, sowie mehr Eingespieltheit im Kollektiv sorgen, was ebenfalls weitreichende Effekte im Saisonverlauf hätte.
Tuchel wurde aber sicherlich nicht nur geholt, um einfach als neuer Besen zu fungieren oder mit seiner Trainingsmethodik zu brillieren, auch wenn diese vermutlich top ist in Europa. Tuchel gilt auch als sehr starker Taktiker, der Dortmund durchaus in diesem Aspekt zu neuen Höhen führen könnte.
Mehr formative Flexibilität
Natürlich war und ist Klopp kein schlechter Taktiker. Au contraire, Klopp ist sogar sehr gut beim Einstudieren klarer gruppentaktischer Abläufe, besonders gegen den Ball, ist von der strategischen Ausrichtung meist sehr gut, die Mannschaften erfüllen viele Basiskriterien auf höchstem Niveau und dazu gibt es immer wieder geschickt auf Einzelspieler zugeschnittene Rollen. Vor zwei Jahren war man sogar bei eigenem Ballbesitz sehr stark, ohne die dynamische Pressing- und Umschaltspielweise zu verlieren und es gab mehrere starke Anpassungen an den Gegner.
Auch diese Saison war dies vorhanden. Mal gab es eine Raute, mal ein 4-3-3 und oft eben das 4-2-3-1. Dennoch ist Tuchel zumindest in puncto regelmäßiger Umstellungen und größerer Anpassungen innerhalb einer Woche oder gar eines Spiels Klopp überlegen; schlichtweg, weil er mehr verändert und ein größeres Repertoire an unterschiedlichen Formationen hat.
So spielte Tuchel mit seinen Mainzern gegen die Münchner Bayern einst in einer Partie vier unterschiedliche Formationen, welche schon vor dem Spiel so geplant waren. Lange Zeit davor hatte er sich gegen Dutt (damals bei Freiburg) und Klopp selbst eine regelrechte Schlacht an eher spontanen Umstellungen innerhalb eines Spiels geliefert. Nicht umsonst galt Tuchel für viele auch als Topkandidat auf die Guardiola-Nachfolge bei Bayern.
Besonders interessant könnte Tuchel diesbezüglich beim BVB werden, weil er auch vor unorthodoxen Aufstellungen und Formationen nicht Halt macht. So könnte es durchaus passieren, dass die Dortmunder vermehrt mit drei zentralen Verteidigern und zwei Flügelverteidigern in z.B. einem 5-3-2/3-5-2 auflaufen. Tuchel nutzte gegen die Bayern beispielsweise sogar ein 5-2-3 über längere Spielphasen hinweg.
Dann wären auch überraschende Aufstellungen mit Schmelzer als linkem Halbverteidiger oder nominellen Flügelstürmern wie Kevin Kampl als Flügelverteidiger möglich. Doch das könnte auch problematisch werden.
Etwas Restrisiko
Obwohl Tuchel – wie Klopp und einige andere deutsche Trainer – die strategischen Basisanforderungen des modernen Fußballs wie Pressing, Gegenpressing, Kompaktheit, etc. erfüllt und die womöglich sogar beste Trainingsmethodik der deutschen Trainer an den Tag legen kann, ist er keineswegs vor einem möglichen Misserfolg beim BVB gefeit.
Tuchel hat nämlich noch nie mit den Mainzern konstant gegen tiefstehende, kompakte und passive Mannschaften das Spiel machen müssen. Meist fand sich Tuchel in einer Underdog-Rolle wieder, die er sehr geschickt ausnutzte. Doch der BVB konnte das auch – ihr Problem in dieser Saison war eher das Offensivspiel und die Einbindung der Offensivspieler in das Ballbesitzspiel. Tuchel könnte hier ähnliche Probleme haben wie Klopp. Allerding sei dazu gesagt: Klopps Probleme hier werden bis heute überschätzt und ein so kompetenter Trainer wie Tuchel sollte ebenfalls Lösungen finden, vielleicht sogar eben bessere und konstantere.
René Maric, www.abseits.at
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