Für Borussia Dortmund war die vergangene Saison schmerzhaftl, verpasste man doch trotz eines großen Vorsprunges die Meisterschaft zu holen und die Bayern vom Thron zu stoßen. Von dieser Erfahrung geprägt schienen die Verantwortlichen der Dortmunder keinerlei Zeit verschwenden zu wollen, um Botschaften in Form von Neuverpflichtungen an die Öffentlichkeit zu senden um zu demonstrieren, dass man gewillt ist, alles Notwendige für den Titel zu unternehmen und das entsprechende Spielermaterial zur Verfügung zu stellen. Speziell in der Offensive wechselten mit Hazard und Brandt zwei Hochkaräter zu den Dortmundern, die wir uns nun genauer ansehen wollen. Inwiefern werden sie das zukünftige Spiel der Dortmunder prägen und wie können sie eingesetzt werden.
Nimm 2, Zahl 1
Es war nicht der schlechteste Deal, den die Dortmunder infolge des Verkaufes von Flügelflitzer Christian Pulisic abgewickelt haben. Zwar verlor man mit dem jungen Amerikaner einen hochtalentierten Spieler, dem eine große Zukunft bevorsteht und der immer wieder mit seiner Dynamik und seinen Tempodribblings zu überzeugen wusste, doch vergoldete man den Abgang – trotz der kurzen Vertragsdauer – immerhin mit 63 Millionen Euro Transfereinahmen, was den Dortmundern einen satten Transfergewinn bescherte. In Anbetracht dessen, dass den Borussen wohl klar ist, dass man die Qualitäten von Pulisic nicht eins zu eins ersetzen wird können, entschied man sich nicht nur einen, sondern mit Thorgan Hazard und Julian Brandt gleich zwei Spieler in den Signal-Iduna Park zu lotsen, die diesen Verlust kompensieren sollen. Dabei machten die Dortmunder wie im Falle von Brandt ein ziemliches Schnäppchen, weshalb trotz dieser beiden hochkarätigen Verpflichtungen letztlich sogar noch etwas von der Pulisic-Ablöse übrigblieb.
Was auch nicht zu vernachlässigen ist, dass Pulisic kein unangefochtener Stammspieler war und meist sogar das Nachsehen gegen Guerreiro hatte und deshalb oft von der Bank kommen musste. So hat der Abgang von Pulisic auch keine verheerenden Auswirkungen auf die Mannschaft, da er nicht den Status eines Reus oder Sancho erlangte. Stattdessen kommen mit Hazard und Brandt nicht nur zwei Offensivspieler zu Dortmund, die zu den Besten ihres Fachs auf ihrer Position in der vergangenen Saison zählten, sondern aufgrund ihres Fähigkeitsprofilen auch neue Elemente in die Offensive der Borussia bringen werden.
Direktheit und Qualität im letzten Drittel als Markenkern
Wenn man sich die Scorerbilanz von Thorgan Hazard ansieht, dann spricht diese bereits für sich. Der Belgier sammelte 21 Scorerpunkte (10 Tore, 11 Torvorlagen) in der vergangenen Saison, womit er in der entsprechenden Wertung einen Platz unter den Top 10 einnahm. Aber die Statistik spricht nicht die volle Wahrheit aus, denn Hazard gelang in der Rückründe nur mehr ein einziger Treffer, auch wenn zumindest die Frequenz seiner Torvorlagen nicht abnahm (5 Stück in der Rückrunde). Vor allem in der Hinrunde, war Hazard der überragende Mann in der stark aufspielenden Mannschaft von Borussia Mönchengladbach und begeisterte die Zuschauer nicht nur mit starken Leistungen, sondern entschied dank seiner individuellen Klasse auch einige engen Spiele, wodurch die Gladbacher als Sieger vom Platz gehen konnten.
Die Wichtigkeit von Hazard unterstrichen auch letztlich seine statistischen Werte, die der Belgier erzielen konnte. Hazard sammelte nämlich 2,3 abgegebene Schüsse, gewann 2,2 Dribblings und spielte 2,2 Schlüsselpässe pro Spiel, was in Summe starke Werte sind und seine Wichtigkeit für die Offensive von Borussia Mönchengladbach unterstreicht. Vordergründig kam Hazard dabei auf den beiden Flügeln zum Einsatz, wobei er meist auf dem linken Flügel aufgestellt wurde. In dieser Rolle als inverser Flügelspieler, fühlte sich der Belgier äußerst wohl, denn mit seinen diagonalen Dribblings konnte er immer wieder mit seinem starken Fuß ins Zentrum ziehen und für Gefahr sorgen. Dabei entwickelt Hazard meist eine sehr hohe Direktheit und ist auf den Endzweck fixiert, wodurch er speziell im letzten Drittel eine Waffe ist und dem Gegner wehtun kann. Das liegt vor allem daran, dass er nicht nur über ein intelligentes Bewegungsspiel und ein gutes Raumgefühl, sondern auch über eine starke Schusstechnik verfügt, wodurch er mit beiden Füßen sehr überlegt und platziert den Ball in Richtung des Tores abfeuern kann.
Genau dieses Fähigkeitsprofil, machte ihn wohl für die Borussia aus Dortmund interessant. Mit Reus und Sancho hatte man zwar im letzten Drittel zwei hochgefährliche Akteure in den Reihen, doch danach folgte lange Zeit nichts und Pulisic und Guerreiro kamen gemeinsam nur auf ganze sechs Treffer. Das machte sich speziell in engen Spielen bemerkbar, wo die Dortmunder von der Bank wenig nachliefern konnten, weshalb es besonders gravierende Auswirkungen hatte, wenn Reus oder Sancho keinen guten Tag erwischten. Thorgan Hazard soll diese Thematik mit seinen Stärken im letzten Drittel entschärfen und Lucien Favre eine zusätzliche Option im Angriff geben, um die Qualität auch in der Breite zu heben und die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, enge Spiele zugunsten der Dortmunder auch von der Bank zu entscheiden. Sofern Hazard sein volles Potenzial ausschöpfen kann und von Favre optimal ins Team eingebunden wird, könnte dieser Plan auch aufgehen. Arbeiten muss der Belgier jedoch noch an seiner Konstanz, die er trotz seiner starken letzten Saison noch etwas vermissen ließ.
Der Alleskönner als Allzweckwaffe
Eine mindestens genauso, wenn nicht sogar noch spannendere Neuverpflichtung, stellt der deutsche Nationalspieler Julian Brandt dar. Der 23-Jährige gehört schon seit mehreren Jahren zu den besten Spielern der Liga und verzauberte die Zuschauer unaufhörlich mit seinen technischen Fertigkeiten und es war daher nur eine Frage der Zeit, bis für ihn der nächste Schritt zu einem absoluten Topverein folgt. Dabei begann die Karriere von Brandt schon mit enormen Vorschusslorbeeren, denn bereits in der Jugend von Wolfsburg machte er sich recht früh als Supertalent deutschlandweit einen Namen und gewann nicht nur die deutsche Jugendmeisterschaft, sondern konnte auch aus einer Vielzahl von Angeboten wählen und landete letztlich in Leverkusen.
Dort reifte er zu einem Spitzenspieler heran und sammelte nicht von ungefähr in den vergangenen drei Spielzeiten knappe 50 Scorerpunkte, womit er in dieser Wertung auch weit vorne anzutreffen ist. Das alleine würde wohl schon als Argument ausreichen, um eine Verpflichtung des Blondschopfs zu rechtfertigen. Doch neben den tollen Statistiken, bringt Brandt auch ein weiteres wichtiges Element nach Dortmund mit – nämlich eine unheimliche Flexibilität. Der 23-Jährige kann in der Offensive nämlich alle Positionen bekleiden und vor allem die verschiedensten Rollen einnehmen. Egal ob als Verbindungsspieler im Zentrum, inverser Flügelstürmer oder als klassischer Spielmacher, Brandt kann jede dieser Rollen ohne weiteres ausfüllen und das auf einem sehr hohen Niveau.
Der Grund dafür ist neben seiner hohen Spielintelligenz, vor allem seine technische Fertigkeit. Für Brandt stellt es eine Leichtigkeit dar, seine Gegenspieler mit Finten und Haken aussteigen zu lassen und oft wirkt es so, als hätte er ein Navigationssystem im Kopf, mit dem er seine Gegenspieler ständig beobachtet und sich auf sie entsprechend einstellt, um sie zu umspielen. Das ermöglicht ihm eben, auch unter größtem Druck den Ball behaupten zu können und eine unheimliche Pressingresistenz entwickeln zu können, um sich aus der Bedrängnis befreien zu können. Sofern der 23-Jährige Frontal und mit Tempo auf den Gegner zuläuft, darf man mit Stoßgebeten in den Himmel beginnen, denn Brandt dribbelt nicht nur problemlos seine Gegner aus, sondern trifft dank seiner Spielintelligenz vor allem oft die richtigen Entscheidungen. Wenn kein Mitspieler frei ist, versucht er die Passwinkel mit kurzen Haken und Dribblings zu ändern und die Passwege zu öffnen, weshalb seine Dribblings nicht zum Selbstzweck mutieren, sondern immer zielgerichtet sind und einem höheren Sinn unterliegen. Deshalb kommt Brandt mit 2,6 Schlüsselpässen pro Spiel auch zu so einem hohen Wert, weil er u.a. mit seinen Dribblings den Grundstein legt, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und dann im richtigen Moment seine Mitspieler einsetzt.
Besonders interessant war es zu sehen, wie der Ex-BVB Trainer Bosz ihn bei Leverkusen im Frühjahr als Achter in seine Struktur einband und seine Stärken optimal zur Geltung brachte. Das beweist auch letztlich seine Polyvalenz und Flexibilität und ermöglicht Dortmund auch, Brandt wie ein Schweizer Taschenmesser auf vielfältige Art und Weise zu nutzen. Egal ob im Zentrum oder auf dem Flügel, Brandt wird der Offensive der Dortmunder eine neue Dimension ermöglichen und vor allem gegen tiefstehende Gegner könnte er als Achter mit seiner Qualität auf engem Raum für Lösungen und Struktur im Offensivspiel der Borussia sorgen, oder als inverser Flügelstürmer in den Halbräumen sein Unwesen treiben. So oder so, könnte die Verpflichtung von Brandt der letzte fehlende Puzzlestein sein, um der Offensive nicht nur mehr Variabilität zu geben, sondern auch noch mehr Unberechenbarkeit und Kreativität. Und wer weiß, womöglich ebnet nicht nur Hazard, sondern auch vor allem Brandt den Weg zu der lang ersehnten deutschen Meisterschaft.
Dalibor Babic, abseits.at
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