Transferflut im Breisgau: Der SC Freiburg steht vor einem schweren Sommer
Deutschland 3.Juni.2013 Alexander Semeliker 0
Der SC Freiburg war das Überraschungsteam der abgelaufenen Bundesligasaison. Obwohl die Breisgauer über äußerst beschränkte Ressourcen verfügen, qualifizierten sie sich für die Europa League. Den Traum vom Champions-League-Playoff mussten sie erst im letzten Saisonspiel mit einer 1:2-Niederlage gegen den FC Schalke 04 begraben. Aufgrund dieser unglaublichen Saison fahren die Konkurrenten die Fühler aus und wildern nun beim Sport-Club.
Als Christian Streich den SC Freiburg Ende Dezember 2011 übernahm war der Verein am Boden. Mit 13 Punkten war man Tabellenletzter und dem nicht genug, musste man auch Toptorjäger Papiss Demba Cisse zu Newcastle ziehen lassen. Trotz der prekären Lage nahm der ehemalige Nachwuchstrainer einen Schnitt vor, sortierte Routiniers aus und setzte auf Jugendspieler, die er teilweise selbst betreute. Im Sommer verstärkte man das Team punktuell und entwickelte jeden einzelnen Spieler individuell weiter.
Die Bürde des „Kleinen“
Zwar spielten die Breisgauer im Frühjahr 2012 eine hervorragende Rückrunde, in der sie 27 Punkte holten, dennoch waren sie für viele nicht die schönste Braut – von der Zeit davor ganz zu schweigen. Deshalb mussten sie bei der Verpflichtung von Spielern Eingeständnisse machen, die sich in erster Linie als Ausstiegsklauseln bemerkbar machen, deren Höhe für die meisten Bundesligisten keine Hürde darstellen. So waren dem SCF in dieser Hinsicht bei den Abgängen von vier von fünf Leistungsträgern die Hände gebunden. Max Kruse, erst vor der Saison vom FC St. Pauli gekommen, wechselte für die festgeschriebene Ablösesumme von 2,5 Millionen Euro zu Borussia Mönchengladbach.
Der VfL Wolfsburg sicherte sich für das gleiche Geld – beim VW-Klub ohnehin in Massen vorhanden – die Dienste von Daniel Caligiuri, der in seiner vierten Profisaison den Durchbruch schaffte. Der vielseitige Johannes Flum machte ebenfalls Gebrauch von seiner Ausstiegsklausel – 2,2 Millionen Euro waren es bei ihm – und schloss sich Eintracht Frankfurt an. Zudem vermeldete Werder Bremen kürzlich, Cedric Makiadi aus seinem Vertrag herausgekauft zu haben, für kolportierte drei Millionen Euro. Auch bei Jan Rosenthal, dessen Vertrag auslief,konnten die Verantwortlichen des SC Freiburg nur zu schauen, da Eintracht Frankfurt in den Augen des Spielers attraktiver war.
Zwei Neuzugänge bisher fix
Unterm Strich erweitern alleine diese Transfers das Budget um rund 10,2 Millionen Euro. Hinzu kommen Überschüsse aus den letzten Saisonen sowie garantierte Einnahmen aus der Europa League und allfällige Prämien. Die Kriegskasse des SC scheint also gut gefüllt zu sein. Auf dem Transfermarkt hielt man sich bisher dennoch zurück. Zu vorschnellen Aktionen will man sich nicht drängen lassen, wie Präsident Fritz Keller erklärt: „Mit Neuzugängen kommen wir, wenn es so weit ist.“ Fixiert bzw. offiziell vermeldet hat man bisher erst zwei bzw. drei neue Spieler.
Mike Hanke kommt ablösefrei von Borussia Mönchengladbach, Sebastian Kerk wird von der U19 hochgezogen. Einzig für Felix Klaus legte man bisher Geld auf den Tisch; wie viel, wurde von beiden Vereinen offiziell nicht kommuniziert. Medien spekulieren mit circa 1,3 Millionen Euro. Von den Spielertypen der Neuzugänge her zeichnet es sich daher ab, dass Streich seine Spielphilosophie weitergehen will. Sowohl der 20-jährige Klaus als auch der 19-jährige Kerk sind dynamische Flügelspieler, dievor allem aufgrund ihrer Jugend viel Entwicklungspotenzial besitzen.
Die Defensive zusammenhalten
Hanke bringt zum einen viel Erfahrung mit, zum anderen die nötigen Voraussetzungen, um das Angriffsspiel schnell zu verinnerlichen. Ähnlich wie Lucien Favre bei Gladbach setzt auch Streich auf eine 4-4-2-Grundformation mit beweglichen und tiefen Spitzen. Zwar gilt der ehemalige Nationalspieler nicht als eiskalter Vollstrecker, mit seinen Ausweichbewegungen schafft er aber Räume für nachstoßende Mitspieler. Besonders Freiburgs Außenspieler ziehen dann gerne mit Tempo in Richtung Strafraum. Viel wichtiger als die offensiven Automatismen sind aber die defensiven Abläufe. Als positives Beispiel sei hier Borussia Dortmund genannt. Vom offensiven Stamm der Meistermannschaft der Saison 2010/2011 stand mit Kevin Großkreutz im Champions-League-Finale nur ein einziger Spieler in der Startelf.
Die Defensive war Freiburgs Prunkstück– nur zwei Mannschaften kassierten weniger Gegentore (40). Anders wäre ein derartiger Erfolg bei gerade einmal 45 geschossenen Toren auch nicht möglich gewesen. Umso wichtiger ist es, dass der Stamm der Hintermannschaft zusammengehalten wird – und hier stehen die Chancen besser als in der Offensive. Einzig bei Pavel Krmas und Mensur Mujdza, deren Verträge 2014 enden, steht man unter Zugzwang, wenn man noch weitere Transfererlöse erzielen will. Das ist aktuell aber nicht das Ziel des Sport-Clubs. „Wir brauchen kein Geld mehr“, so Keller,„wir brauchen eine schlagkräftige Mannschaft.“
Wichtig ist, dass Streich bleibt
Die Arbeitspapiere der übrigen, von den Topklubs gejagten Youngsters wie Matthias Ginter oder Oliver Sorg laufen noch bis mindestens 2015 und beinhalten keine Ausstiegsklauseln. Auch Jonathan Schmid, der hierzulande aufgrund seiner herausragenden Saison in aller Munde ist, steht noch bis übernächsten Sommer unter Vertrag, hat keine Ausstiegsklausel und wird wohl der einzige Offensiv-Stammspieler sein, der auch nächste Saison das Freiburger Trikot tragen wird. Doch auch wenn Schmid gehen sollte, ist Streich davon überzeugt, eine schlagkräftige Truppe aufstellen zu können.
„Hier geht jetzt nicht alles den Bach runter“, sagte er. „Wir haben noch Spieler, die auf einem guten Weg sind.“ Zudem gab er ein klares Bekenntnis zum Klub ab, dessen Status als Ausbildungsverein er längst akzeptiert hat, und verlängerte seinen 2014 auslaufenden Vertrag. „Kein Geld der Welt, keine ökonomischen Dinge können das aufwiegen“, gibt er eine Liebeserklärung ab, die nicht zuletzt wegen seinem alemannischen Dialekt gut ankommt. Auch hier sei der BVB mit Jürgen Klopp als Vergleich genannt. Es ist nämlich vielmehr der Trainer, der einen derartigen sportlichen Höhenflug steuert.
Alexander Semeliker, abseits.at
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