In dieser Rubrik gehen wir auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein und beleuchten Hintergründe und Motive. Wieso holt eine Mannschaft diesen Spieler?... Transfers erklärt: Darum wechseln Adrian Ramos und Ciro Immobile zu Borussia Dortmund

Borussia DortmundIn dieser Rubrik gehen wir auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein und beleuchten Hintergründe und Motive. Wieso holt eine Mannschaft diesen Spieler? Wer ist dieser Spieler überhaupt? Was erwartet sich sein neuer Verein von ihm? Kann er die Erwartungen in seinem neuen Verein erfüllen? Diese Fragen sollen beantwortet werden. In dieser Ausgabe blicken wir auf zwei Transfers von Borussia Dortmund.

Der Abgang von Borussia Dortmunds Torjäger Robert Lewandowski zum FC Bayern München steht bereits seit letztem Winter fest. Der Pole wechselt ablösefrei und hinterlässt eine große Lücke, hat er doch in den letzten drei immer mindestens 20 Saisontore in der Bundesliga erzielt. Als erste Reaktion darauf verpflichtete der BVB Dong-Won Ji, Anfang April folgte der Transfer von Adrian Ramos und nun Ciro Immobile, der Torschützenkönig der Serie A.

Die komplizierten Besitzverhältnisse in Italien

Der Wechsel von Immobile stellte sich vor allem deshalb als schwierig heraus, weil die beiden Turiner Vereine Torino und Juventus jeweils 50% der Transferrechte am Spieler hielten. Ein derartiges Teilhabe-Modell ist allerdings in Italien nichts Besonderes, denn alleine in der Serie A waren in der letzten Saison über 160 Spieler Teil einer sogenannten Comproprietà. Das Modell soll vor allem jungen Spielern zugutekommen, die bei ihren Stammvereinen nicht regelmäßig zu Einsätzen kommen.

Anders als bei einer herkömmlichen Leihe soll durch das Verkaufen von Anteilen der Transferrechte auch der „ausleihende“ Verein angespornt werden, sich intensiver um die Ausbildung des Spielers zu kümmern. Diese Comproprietà hat allerdings ein Ablaufdatum, denn spätestens nach zwei Jahren muss ein Verein wieder vollständiger Besitzer sein. Üblicherweise verhandeln die Vereine aber bereits nach dem ersten Jahr. Neben der Möglichkeit, für einen der beiden Vereine zu spielen, gibt auch die Option, den Spieler an einen dritten weiter zu verleihen.

Das war beispielsweise auch bei Immobile der Fall. Juventus verkaufte im Jänner 2012 die Hälfte der Rechte an Genoa, der Stürmer spielte im Frühjahr allerdings leihweise weiterhin für Pescara in der Serie B. Nachdem Immobile bei Genoa in der Saison 2012/2013 nicht überzeugen konnte, kaufte Juve die Anteile wieder zurück, jedoch für eine niedrigere Summe, und schloss anschließend mit Torino eine neue Comproprietà ab. Dort spielte sich der 24-Jährige ins Rampenlicht und es kam zur erwähnten komplizierten Verhandlungssituation.

Das ist der Punkt, an dem es unübersichtlich wird. Neben der Möglichkeit, mit beiden Vereinen zu verhandeln, hätte es für den BVB nämlich auch die Möglichkeit gegeben, dies nur mit einem der beiden zu tun. Wie erwähnt wird nämlich nach Ablauf der Comproprietà nach einem Jahr erneut darüber verhandelt, wo der Spieler künftig spielen soll. Können sich die beiden Eigentümer nicht einigen kommt es zu einer Blind-Auktion, bei der diese ein Gebot beim italienischen Verband abgeben müssen. Der Höchstbieter bekommt den Zuschlag und muss die entsprechende Summe an den anderen Verein abtreten.

Dies wäre im Fall von Immobile für Juve und Torino insofern mit erheblichen Risiko verbunden gewesen, als man wohl viel Geld auslegen hätte müssen, ohne die Garantie zu haben den Spieler weiterverkaufen zu können bzw. um welche Summe. Daher musste man eine Lösung finden, mit der alle Parteien zufrieden waren. Vor kurzem hat der italienische Verband entschieden, dieses Teilhabe-Modell abzuschaffen, was für den italienischen Transfermarkt aufgrund der Vielzahl solcher Verträge eine einschneidende Veränderung bedeutet.

Ciro Immobile – ein Spieler für das letzte Drittel

Immobile gilt als der „Königstransfer“ des BVB in diesem Sommer. Der Italiener erzielte in der abgelaufenen Saison 22 Tore und war damit maßgeblich am guten Abschneiden von Torino, das nach dem Ausschluss von Parma in die Europa League rutscht, beteiligt. In der 3-5-2-Formation der Turiner war Immobile dabei der Spieler mit dem höchsten Schwerpunkt. Er agierte als Zielspieler für Vertikalpässe in die Tiefe, wie auch das nachstehende Passschema aus dem Spiel gegen Chievo zeigt.

Des Weiteren erkennt man, dass Immobile nur selten aus dem Angriffsdrittel zurückfiel. Als Verbindungsspieler agierte nämlich sein Sturmpartner Alessio Cerci, der eigentlich Flügelspieler ist, als hängende Spitze aber in der abgelaufenen Saison überzeugte und die meisten Assists in der Serie A verbuchte. Dabei ist Immobile jedoch kein klassischer, statischer Neuner, sondern jemand, der über ein durchaus hohes Antizipations- und Dynamikvermögen verfügt. Am meisten ragt allerdings seine Kaltschnäuzigkeit heraus, denn mit einer Chancenauswertung von 26% liegt er sogar über jener von Lewandowski (22%).

Adrian Ramos – Durchbruch im fünften Jahr

Wie Immobile, der beispielsweise ein halbes Jahr älter als Mario Balotelli ist und erst zwei Erstligasaisonen in den Beinen hat, ist auch Ramos jemand für die Kategorie „Spätstarter“. Der Kolumbianer ist bereits 28 Jahre alt und schaffte erst in seiner fünften Saison bei Hertha BSC den endgültigen Durchbruch. Mit 16 Saisontoren war er hauptverantwortlich dafür, dass die Berliner nichts mit dem Abstieg zu tun hatten. Nur Nürnbergs Josip Drmic hatte einen höheren Anteil an den erzielten Toren seines Teams.

Das Spiel von Ramos charakterisiert sich durch ein für einen Stürmer hohes Maß an Flexibilität. In der obigen Grafik – sie zeigt empfangene und gespielte Pässe vom Auswärtsspiel in Mainz – erkennt man dabei auch den Unterschied zur Spielweise von Immobile. Während der Italiener hauptsächlich im Angriffsdrittel aktiv ist, lässt sich Ramos häufiger fallen, bindet sich ins Kombinationsspiel ein und ist auch häufiger das Ziel für lange Bälle. Im Schnitt gewinnt Ramos 6,2 Kopfballduelle pro Spiel – zum Vergleich: bei Immobile sind es 0,8.

Wer ist der Lewandowski-Ersatz?

Borussia Dortmund bekommt im Sommer also zwei – bzw. mit Ji sogar drei – verschiedene Spielertypen für die Stürmerposition. Das lässt darauf schließen, dass das Loch, das Lewandowski hinterlässt, von mehreren Spielern geschlossen werden soll. Zur besseren Visualisierung sehen wir uns die sogenannten Radar Charts, die von Ted Knutson ins Leben gerufen wurden, an. Sie geben einen kompakten Überblick über die wichtigsten statistischen Daten eines Spielers.

Man erkennt, dass Lewandowski einen sehr großen Bereich abdeckt, dementsprechend vielseitig agierte – und noch dazu in den jeweiligen Bereich sehr gute Werte aufweisen kann. Immobile ist sehr stark bei den „klassischen“ Stürmerattributen (Chancenauswertung, Tore, Schüsse etc.), während er allerdings in Sachen Passspiel und Dribbling Aufholbedarf hat. Genau diese Elemente bringt allerdings Ramos mit, der zudem herausragende Werte in der Balleroberungskategorie hat. Ein Indiz dafür, dass er ein außerordentlich guter Pressingstürmer ist.

Mit Immobile hat man also einen dynamischen Vollstrecker ins Boot geholt, der besonders im Umschaltspiel seine Stärken hat, während sich Ramos in das Kombinationsspiel und Pressing einbringen dürfte. Dass man beide gemeinsam auf dem Feld sehen wird, scheint nicht ausgeschlossen. In den letzten Wochen präsentierte sich der BVB nämlich in einem neuen System. Anstatt des bisher praktizierten 4-2-3-1, für das Lewandowski der ideale Solostürmer war, lief man zuletzt in einem flexibleren 4-4-2 auf. Einen richtigen eins-zu-eins-Ersatz für Lewandowski dürfte es also nicht geben.

Alexander Semeliker, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

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