Transfers erklärt: Darum wechselt Kevin Kampl zu Borussia Dortmund
Deutschland 23.Dezember.2014 Alexander Semeliker 0
Gestern gab Borussia Dortmund die Verpflichtung von Kevin Kampl bekannt – ein Transfer, der hierzulande viel Resonanz erzeugte. Der 24-Jährige verdiente die letzten zweieinhalb Jahre sein Geld bei Red Bull Salzburg und zählt für manche sogar zu den besten Spielern, die je in Österreich spielten. abseits.at nimmt diesen Transfer daher genauer unter die Lupe.
Darüber, dass Kampl die Bullen verlassen würde, waren sich die meisten Beobachter spätestens nach dem letzten Spiel der Herbstsaison im Klaren, als er sich mit Tränen in den Augen von den Zuschauern verabschiedete. Mit dem Wechsel zum BVB macht der Slowene nun den nächsten Schritt, der für alle Parteien logisch scheint.
Kampls Rolle bei Red Bull Salzburg
Kampl wird von vielen vor allem aufgrund des drohenden Abgangs von Marco Reus im Sommer als dessen Nachfolger gesehen. Tatsächlich stimmt das Bewegungsprofil der beiden in einigen Punkten zusammen, andererseits gibt es Aspekte, in denen sie sich grundlegend unterscheiden. Die meiste Zeit in Salzburg agierte Kampl am Flügel – wie Reus beim BVB. Jedoch wurden ihm teilweise extreme Freiheiten eingeräumt und er bewegte sich durch sämtliche Offensivräume – insbesondere sein Fokus auf die Halbräume war sehr markant.
Auch bei Reus gab es eine Zeit, in der er sich sehr frei bewegen konnte – nämlich in der Saison 2012/2013, wo diese Läufe von Mario Götze ergänzt wurden und der BVB so immer enorm gefährlich wirkte. Götze konnte mit seiner herausragenden Technik den Ball auf engstem Raum und unter großem Druck verarbeiten, was im Verbund mit Reus‘ Direktheit zum Tor eine große Durchschlagskraft erzeugte. Diese Zeiten sind aber, nicht nur aufgrund von Götzes Wechsel nach München, vorbei und Reus agiert mittlerweile wieder positionstreuer.
Bei Kampl wurde der Drang in die Kombinationsräume hingegen immer größer, vor allem nachdem zunächst Roger Schmidt und dann Sadio Mane die Salzburger verließen. Auch der Senegalese rückte enorm stark ein, wurde nach seinem Wechsel nach England aber mit einem etwas anderen Spielertyp ersetzt: Massimo Bruno. Der Belgier ist vielmehr ein Spielmacher als ein Flügeldribbler und so musste Kampl seinen Aktionsradius vergrößern, war quasi überpräsent. Mit ÖFB-Teamspieler Marcel Sabitzer am Flügel wurde dies sogar noch schlimmer.
Adi Hütter, der aktuelle Trainer der Salzburger, stellte dann während der Herbstsaison die Grundformation um: aus dem flachen 4-4-2/4-2-4/4-2-2-2 wurde ein durchaus klassisches 4-4-2 mit Mittelfeldraute. Bruno bekleidete die Zehnerposition, was seinen Qualitäten besser entgegenkommt, Kampl agierte als linker Achter – wohl die Rolle, in der er seine Stärken am besten einbringen kann. Mit dem ebenfalls pendelnden Christoph Leitgeb als rechtem Achter hatte man auch auf dieser Seite ein großes Kombinationspotenzial in engen Räume, weshalb Kampl vertikaler agieren konnte.
Die obige Grafik zeigt eine Gegenüberstellung der beiden Rollen anhand der Heatmaps aus den Spielen gegen Sturm Graz und Austria Wien. Bei den Niederlagen agierte Kampl horizontal – hauptsächlich im Zwischenlinienraum – bei den Siegen am Ende des Herbstes setzte er mit seinen Vertikalläufen Akzente.
Überlegenheit in der österreichischen Liga
Diese Vielseitigkeit und die langen Läufen aus den tiefen Zonen sind auch zwei Hauptunterschiede zwischen ihm und Reus, der sich hauptsächlich zwischen den Linien bewegt. Das bedeutet jedoch nicht, dass derartige Bewegungen bei Kampl wirkungslos blieben. Im Gegenteil, diese Eigenschaft war in der letzten Rekordsaison sogar ein wichtiger Baustein für den Erfolg. Kampl war seinen Gegenspieler in der österreichischen Bundesliga mehr oder weniger in allen Bereichen überlegen und konnte in den seltensten Fällen isoliert werden.
Diese Überlegenheit zeigte sich aber weniger in den finalen Momenten der Angriffe. So kommt Kampl in 109 Pflichtspielen für die Salzburger auf 29 Tore – zum Vergleich bei Reus sind es beim BVB 48 in 104. Der slowenische Internationale glänzte vielmehr als „Einfädler“ und ist der uneingeschränkter Assist-Assist-Champ der Liga – eine Tatsache, die auch auf das oben ausgeführte Bewegungsprofil zurückgeht. Kampl holte sich aus der Tiefe immer wieder die Bälle und zog das Spieltempo anschließend mit seinen Vertikaldribblings schnell an.
Diese waren dabei weniger spektakulär, sondern eher einfach aufgebaut, dennoch technisch sehr sauber. Er drehte sich nach vorne, trat mit zwei, drei Ballkontakten schnell an und suchte dann meist einen Doppelpass bzw. orientierte sich nach dem Abspiel sofort nach vorne, attackierte etwaige Freiräume. Mit einer derartigen Dynamik war der Großteil der gruppentaktisch mangelhaft ausgebildeten Spieler schlicht überfordert und sie trafen falsche oder überhaupt keine Entscheidungen und wurden ausgespielt. Ähnlich war es bei Kampls Positionsspiel: besetzte er den Halbraum, konzentrierten sich zu viele Gegenspieler auf ihn; ging er auf den gegenüberliegenden Flügel um diesen zu überladen, war er hingegen komplett frei.
Hinzu zu dieser Überlegenheit im taktischen Bereich kam selbstverständlich Kampls hohe individuelle Klasse. Seine Dribblings waren nicht nur aufgrund der Dynamik kaum zu unterbrechen, sondern auch wegen seiner Ballführung und Körperhaltung. Kampl neigt seinen Körper beim Dribbling stark über den Ball, wodurch er eine gute Balance hat und den Ball dementsprechend gut kontrollieren kann. Spektakuläre, raumgreifende Pässe sah man von Kampl kaum, stattdessen zeigte er seine technischen Fähigkeiten auf engem Raum als Nadelspieler und im schnellen Verarbeiten von Zuspielen.
Auch in puncto Schnelligkeit, Athletik und Ausdauer konnten Kampl viele Gegenspieler nicht das Wasser reichen. So gab es beispielsweise Versuche, ihn mit einer Manndeckung aus dem Spiel zu nehmen. Zu Beginn klappte das halbwegs gut, weil sich Kampl nicht drehen und seine Dribblings nach vorne anbringen konnte. Aufgrund seines weiträumigen Bewegungsspiels ließen die Kräfte aber schnell nach und Kampl konnte im besagten Spiel zwei Toren erzielen, weil ihm sein Gegenspieler schlicht nicht folgen konnte.
Herausragende Pressingbewegungen
Kampls Athletik wurde in Salzburg aber vielmehr im Pressing genutzt, wo er zudem seine außerordentlichen Fähigkeiten im Leiten des gegnerischen Ballbesitzes zeigte. An dieser Stelle sei ein Beispiel aus einem früheren Artikel angeführt und zitiert.
„Ajax hat den Ball auf der rechten Seite, muss dort aufgrund des guten Pressings nach hinten zum Torhüter spielen. Entscheidend ist hierbei, dass Kevin Kampl vom rechten Flügel zunächst weit eingerückt ist. Er orientiert sich nicht zum Außen- sondern zum Innenverteidiger, wodurch einerseits der Druck auf den Ballführenden erhöht wird und andererseits dem Gegner der Raum, in den man ihn leiten will, geöffnet wird.
Danach löst sich Kampl vom Innenverteidiger, welcher dann vom zweiten Stürmer übernommen wird, und läuft den Torhüter in hohem Tempo an. Wieder lässt er den Passweg nach außen bewusst offen. Allerdings bewegt er sich so, dass er beim Pass bogenförmig ohne viel Tempo zu verlieren auf den Linksverteidiger weiterlaufen kann. Als dieser an den Ball kommt ist die Distanz nur mehr gering und der Druck enorm groß, da auch Salzburgs Rechtsverteidiger aufgerückt ist.“
Probleme des BVB und Möglichkeiten des Kampl-Transfers
Gerade aufgrund seiner Fähigkeiten im Pressing, seinen leitenden Bogenläufen und seiner Athletik scheint er sehr gut zum Spiel von Borussia Dortmund zu passen, das die Westfalen in der Hinrunde aber nur selten gemäß ihren Vorstellungen durchbrachten. Nur aufgrund der Tatsache, dass sie ein Tor mehr als der SC Freiburg geschossen haben, überwintern sie nicht auf dem letzten Tabellenplatz. Die Probleme des BVB sind vielschichtig und sollen an dieser Stelle nur kurz gestreift werden.
Ein wesentlicher Faktor ist eine gewisse Pseudo-Flexibilität der Borussia. In der Vorbereitung ließ Jürgen Klopp sein Team in einer breiten Vielfalt an Grundformationen spielen, letztlich versteifte man sich aber zunehmend wieder auf das alte 4-2-3-1, das aber an einigen Stellen bröckelte. Damit hatten die Dortmunder bereits gegen Ende der letzten Saison zu kämpfen, was Klopp mit einer Umstellung auf ein flexibles 4-4-2 beantwortete. Die tragenden Säulen dieses Systems fehlten dem BVB jedoch in der Hinrunde weitestgehend – vor allem die beiden Sechser, Nuri Sahin und Oliver Kirch, die sehr gut harmonierten.
Sahin agierte dabei in einer, für ihn untypischen Box-to-Box-Rolle mit einem hohen Schwerpunkt, was Kampl wie auf dem Leib geschneidert scheint – zumal er athletischer als Sahin ist. Andererseits käme er auch als Flügelspieler in Frage, insbesondere deshalb, weil es beim BVB keinen Spieler gibt, der Kampl so stark ähnelt wie Henrikh Mkhitaryan. Der Armenier konnte im genannten Zeitraum auch seine bisher besten Leistungen im BVB-Trikot abrufen. Als nominelle Flügelspieler würden sie sich auf die offensiven und defensiven Halbräume konzentrieren, könnten für viel Dynamik sorgen.
Die beiden könnten aber auch in einem Dreiermittelfeld auf den Halbpositionen funktionieren. In einem 4-3-3 bzw. 4-1-4-1 hätte man in Reus und Pierre-Emerick Aubameyang zwei diagonal agierende Flügelspieler, die im zweiten Drittel breit bleiben könnten, während man dennoch eine große Präsenz und viel Potenzial auf der Zentralachse aufbieten könnte. Andererseits wäre auch ein 4-3-1-2 möglich, in dem Kampl, wie erwähnt, seine Stärken im Vertikalspiel wohl am besten einbringen könnte.
Mit Kevin Kampl haben sich die Borussen jedenfalls einen sehr flexibel einsetzbaren Akteur ins Boot geholt, der auch je nach Spielanforderung unterschiedliche Rollen übernehmen kann. Auch hinsichtlich möglicher Abgänge im Sommer könnte sich dieser Transfer als wichtiger Schritt herausgestellt haben. Kampl könnte, wie dargelegt, nämlich nicht nur die Reus-Position übernehmen, sondern auch Aufgaben von Ilkay Gündogan im Zentrum.
Alexander Semeliker, abseits.at
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Alexander Semeliker
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