Transfers erklärt: Darum wechselt Mats Hummels zum FC Bayern München
Deutschland 11.Mai.2016 Rene Maric 0
Wie schon in der vergangenen Sommertransferperiode gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers ein und beleuchten die Hintergründe und Motive. Wieso holt die Mannschaft X den Spieler Y? Was dürfen sich Fans und Verein vom neuen Spieler erwarten? Und kann er die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen?
Diese Fragen sollen beantwortet werden und auch die taktische Perspektive soll nicht zu kurz kommen: Immerhin ermöglicht ein neuer Spieler oftmals eine Vielzahl neuer Kombinationen und Synergien, die ebenfalls erläutert werden sollen.
Dieses Mal geht es um einen der zwei kürzlich bekanntgegebenen Transfers der Münchner Bayern. Der deutsche Rekordmeister sorgte für gleich zwei Paukenschläge: Von Benfica Lissabon kommt der 18-jährige Renato Sanches für 35 Millionen Euro, während vom Erzrivalen aus Dortmund deren Star-Innenverteidiger – und ehemaliger Bayern-Spieler – Mats Hummels losgeeist konnte. Auch dessen Ablösesumme dürfte bei knapp vierzig Millionen Euro liegen. In diesem Artikel geht es um den Transfer von Mats Hummels.
Zwischen Weltklasse und Sündenbock
In den letzten Jahren wurde Hummels öfters scharf kritisiert. So galt er zwar immer als potenzieller Weltklasseinnenverteidiger, dem jedoch viele Fehler im Weg stehen würden. Auch in der Nationalmannschaft hatte Hummels darum öfters das Nachsehen im Kampf um den Stammplatz neben Jerome Boateng – beispielsweise gegenüber dem Münchner Holger Badstuber. Insbesondere das Spiel mit der Abseitslinie und das Herausrücken waren dabei problematisch. Die Ursache ist hierbei relativ einfach zu erklären: In der Nationalmannschaft spielte man eher wie die Heynckes-Bayern mit mannorientiertem Verfolgen in die Tiefe bei gegnerischen Läufen und anderen Kettenmechanismen, wenn ein Mitspieler aus der Viererkette in den Zwischenlinienraum schob.
Nichtsdestotrotz wurde Hummels auch für gewisse Leistungen beim BVB kritisiert. Dies waren meist kleinere Timing-Probleme, welche durch etwas Pech und die Spielweise des BVB vereinzelt in Gegentoren resultierten und dadurch für Kritik sorgten. Grundsätzlich muss jedoch gesagt werden, dass Hummels in Anbetracht seiner Verletzungen und seines für einen Innenverteidiger noch relativ jungen Alters kein konstanter Schwachpunkt ist. Dies hat sich speziell in diesem Jahr gezeigt. Unter dem neuen Trainer Thomas Tuchel blieb Hummels weitestgehend fit und war in der Saison 2015/16 sicherlich einer der besten Innenverteidiger Europas. Auch bei der Weltmeisterschaft 2014 zeigte er starke Leistungen und war ein wichtiger Faktor beim WM-Sieg der deutschen Nationalmannschaft.
Auffällig ist, dass Hummels seine womöglich beste Saison ausgerechnet jetzt hatte, als sich die Spielweise veränderte und sich eher in Richtung Ballbesitz- und Positionsspiel verschob. Insofern sollte Hummels perfekt zum FC Bayern passen.
Erhält Hummels auch unter Ancelotti den Aufbaufokus?
Bei Tuchels BVB verlagerte sich der Fokus enorm auf Hummels. Dies war zwar schon unter Klopp der Fall, doch dort waren es primär Hummels langen, hohen Bälle, welche für die Angriffseinleitung sorgen sollten. Nun waren es viel mehr Hummels‘ Vorstöße und Flachpässe durch das gegnerische Pressing, welche einen hohen Stellenwert im Spielaufbau einnahmen. Besonders auffällig: Bei Formationen mit drei Spielern in der ersten Linie (beispielsweise einem tiefen Rechtsverteidiger oder einem abkippenden Sechser) lief Hummels sehr häufig als linker Halbverteidiger nach vorne, ging in den linken defensiven Halbraum und spielte von dort aus Pässe ins Angriffsspiel. Doch sogar bei nur einem Spieler neben sich als zweitem Innenverteidiger gab es diese Abläufe und meist suchte Hummels in diesen Situationen Pässe in den Zwischenlinienraum oder auf den Flügel.
Ob er unter Ancelotti ebenfalls einen solchen Fokus erhalten wird, ist fraglich. Bei den Bayern war es Boateng, welcher mit Sechser Xabi Alonso gemeinsam das Spiel aufbaute. In Ancelottis Teams bei Real, Milan und mit Abstrichen Paris St. Germain waren es jedoch vorrangig die Sechser, welche das Spiel gestalteten. Jedoch ist Ancelotti bekannt dafür, dass sein System anpassungsfähig ist. Wie kaum ein anderer Trainer schafft Ancelotti die Verbindung der Stärken vieler Spieler in simplen Systemen; Hummels und Boateng könnten vorrangig das Aufbauspiel übernehmen, schlichtweg weil sie so herausragend aufbauen können.
Dreier- oder Viererkette?
Allerdings kehrt Ancelotti auch selten von seiner Viererkette ab. Zwar gab es schon viele unterschiedliche Formationen, ob 4-3-2-1, 4-3-1-2, 4-3-3, 4-1-4-1, 4-4-1-1 und 4-2-3-1, doch eine Dreierkette gibt es beim Italiener nur selten. Dies deutet darauf hin, dass einerseits Benatia und Tasci keine Rolle mehr spielen und andererseits weder Martinez noch Badstuber als Stammspieler vorgesehen sind. Hummels halblinks und Boateng halbrechts dürften gemeinsam die Innenverteidigung bilden, wobei Martinez als Sechser vor ihnen auflaufen könnte. Jungstar Kimmich dürfte wiederum wieder ins Mittelfeld oder auf die Außenverteidigerposition rutschen.
Grundsätzlich besitzt diese Paarung mit Hummels und Boateng enormes Potenzial. Letzterer ist zwar deutlich athletischer, doch Hummels ist ohne Ball wegen seiner Antizipation ebenfalls hervorragend. Mit Ball am Fuß nehmen sie sich nicht viel. Boateng spielt womöglich bessere Flachpässe durch das gegnerische Pressing, Hummels wiederum besitzt einen besseren Diagonalball.
Womöglich könnten Hummels und Boateng sogar für eine Änderung im System sorgen. Mehr lange Bälle auf Lewandowski und hinter die gegnerische Abwehr sind ebenso möglich wie eine verringerte Abhängigkeit von Alonso, da nun beide Innenverteidiger Verlagerungen und pressingüberwindende Schnittstellenpässe spielen können. Dies würde womöglich eine andere Ausrichtung erlauben, beispielsweise mit zwei offensiveren Spielern, die als Doppelsechs auflaufen. Neueinkauf Renato Sanches, Thiago Alcantara, Arturo Vidal oder der schon erwähnte Joshua Kimmich wären hier Optionen. Bei einem 4-1-2-3 wären z.B. Alonso, Vidal, Kimmich und Martinez Alternativen für die Sechs. Dazu hat man schlichtweg mehr Kaderoptionen. In den letzten Jahren gab es viele Probleme in der Innenverteidigung, wo aufgrund von Verletzungen Kimmich und Alaba lange Zeit als Stammspieler firmieren mussten. Dies half zwar Kimmich bei seiner Entwicklung, doch der Neuzugang gilt eigentlich als kommender Weltklassespieler im zentralen Mittelfeld, während Alaba eigentlich dringend als Linksverteidiger benötigt wird.
Fazit: Ein guter Transfer, wenn…
… Hummels fit bleibt und sich schnell anpasst. Wegen seiner Verletzungen könnte Hummels durchaus einige Probleme haben, wenn er bei der gegnerischen Ausrichtung mit vielen Kontern, welche die Bayern oft als Gegner haben, nicht sauber verteidigen kann. Gewisse Konzentrationsmängel und athletische Probleme sind bei Hummels nämlich in diesen Phasen nach einer Verletzung nicht von der Hand zu weisen; ebenso wie eine gewisse Verletzungsanfälligkeit per se. Grundsätzlich sollte es aber kein Problem geben: Hummels besitzt viel Qualität und passt als Spielertyp wie die Faust aufs Auge.
René Maric, abseits.at
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Rene Maric
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