Transfers erklärt: Darum wechselt Pierre Emile Højbjerg leihweise zum FC Augsburg
Deutschland 10.Januar.2015 Rene Maric 0
Wie schon in der vergangenen Winterpausen gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, wo die Hintergründe und Motive beleuchtet werden. Wieso holt eine Mannschaft diesen Spieler? Wer ist dieser Spieler überhaupt? Was erwartet sich sein neuer Verein von ihm? Kann er die Erwartungen in seinem neuen Verein erfüllen? Diese Fragen sollen hauptsächlich beantwortet werden. Auch die taktische Perspektive soll nicht zu kurz kommen, immerhin ermöglicht ein neuer Spieler oftmals eine Vielzahl neuer Kombinationen und Synergien, die ebenfalls kurz erläutert werden sollen.
In dieser Ausgabe blicken wir auf Pierre-Emile Højbjerg, den der FC Bayern für ein halbes Jahr an den FC Augsburg verleiht. Welche Rolle wird Højbjerg beim FC Augsburg spielen und wieso wird Højbjerg jetzt und ausgerechnet dorthin verliehen?
Shootingstar ohne Spielpraxis
Im September 2013 unterschrieb Højbjerg seinen ersten Profivertrag bei den Münchner Bayern. Schon seit seiner Ankunft bei den Bayern mehr als ein Jahr davor, im zarten Alter von 16 Jahren, galt er als ein kommender Star in der Bundesliga. Der ansonsten überaus kritische Trainer von Bayern München II, Hermann Gerland, sprach bereits damals von einem Supertalent. Seinen großen Durchbruch nach einzelnen Kurzeinsätzen in Test- und Pflichtspielen feierte er aber im Mai unter Pep Guardiola. Ausgerechnet im DFB-Pokalfinale gegen den BVB bei der erstmaligen Umstellung auf ein 3-4-2-1 begann Højbjerg von Beginn an.
Noch überraschend als seine Aufstellung in einem solch wichtigen Spiel war die Position, auf der er auflief. Denn obwohl Højbjerg als rechter Flügelverteidiger agierte, so ist er eigentlich für eine andere Rolle prädestiniert.
Sechser und Allrounder
Normalerweise spielt Højbjerg als zentraler Mittelfeldspieler. Er kann als Zehner, Achter und Sechser auflaufen, doch meistens agiert er als Sechser oder als defensiverer von zwei Achtern. Guardiola soll bei seiner Ankunft beim FC Bayern verkündet haben, dass Højbjerg sein neuer Busquets werden würde; was allerdings nicht ganz zu Højbjergs Spielweise passt, obwohl er durchaus als Sechser auflaufen kann.
Der Däne ist körperlich sehr stark, für einen gerademal 19-Jährigen ist er überaus robust und besitzt mit seinen 1,85m Gardemaß. Dazu ist Højbjerg ein guter Techniker und starker Ballverteiler. Seine Zuspiele kommen fast immer an, er nimmt auch scharfe Pässe sicher an und kann sich auch im Dribbling durchsetzen. Trotz seiner Größe und seinem muskulösen Körperbau ist er mobil, relativ schnell und ausdauernd. Somit kann er rein physisch und technisch die Anforderungen an jegliche Mittelfeldposition erfüllen.
Taktisch ist er allerdings noch unfertig. Seine Positionsfindung ist nicht immer ideal. Besonders als alleiniger Sechser hat er häufig Probleme. Was nur wenige wissen: Guardiola nutzte Højbjerg schon ein halbes Jahr vor dem Spiel gegen den BVB in einem Testspiel in einem Dreierkettensystem, dort aber nicht als Flügelverteidiger, sondern als tiefster und in die Innenverteidigung zurückfallender Sechser. Eine solche Rolle gab es im Weltfußball nur sehr selten; einer der wenigen Exponenten der Moderne war Sergio Busquets. Doch Højbjergs Probleme in der Positionsfindung und auch in der Entscheidungsfindung und Erfolgsstabilität unter Druck zeigten sich in diesem System besonders – Bayern verlor 0:3. Es war nämlich das Testspiel gegen Red Bull Salzburg im vergangenen Winter.
Deswegen wurde wohl das Experiment der Dreierkette und Højbjerg auf der Sechs für ein halbes Jahr ad acta gelegt. In jener Zeit wurde verstärkt an der Spielintelligenz Højbjergs in diesen komplexen und schwierigen Einzelaspekten gearbeitet. Diese Saison kam Højbjerg darum wieder häufiger in der Mittelfeldzentrale zum Einsatz, hat sich aber durch seine Erfahrungen auf anderen Positionen weiterentwickelt. Heute würde man ihm neben der Rolle des Flügelverteidigers und allen zentralen Mittelfeldpositionen womöglich sogar die Rolle des Halbverteidigers in einer Dreierabwehr zutrauen.
Dennoch kommt die Leihe genau richtig. Obwohl sich Højbjerg weiterentwickelt hat, benötigt er noch mehr um bei den Bayern in der Stammelf eine Rolle zu spielen. Alonso und Lahm kann er in der Mittelfeldzentrale nicht verdrängen, ebenso wenig wie die auf den Stammplatz schielenden Rückkehrer Javi Martinez und Bastian Schweinsteiger, obwohl ersterer vermutlich als Innenverteidiger auflaufen wird. Højbjerg benötigt aber Spielpraxis für seine weitere Entwicklung – und der FC Augsburg ist die perfekte Mannschaft dafür.
Augsburg: Ein genialer Mittelfeldpartner, strukturierter Ballbesitz, aber viel Dynamik
Unter Markus Weinzierl spielt der FC Augsburg einen beeindruckenden Fußball. Trotz einiger namhafter Abgänge wie Ja-Cheol Koo und André Hahn stellen sie eine schlagkräftige Truppe auf die Beine, welche sich seit der Rückrunde 2011/12 unumstritten als eine der acht besten Mannschaften der Bundesliga etabliert hat. Wichtig dafür sind die zentrale Achse (Klavan als Innenverteidiger, Baier als Sechser) und der Rechtsverteidiger Verhaegh.
Besonders Baier ist ein enorm unterschätzter Fußballer, der extrem aggressiv gegen den Ball arbeitet, dabei aber seinen Kopf nutzt, mit Spielintelligenz besticht und auch offensiv durch seine tolle Entscheidungsfindung und starke Technik eine Waffe für die Augsburger ist. Mit Højbjerg und Baier besitzen die Underdogs aus Bayern eine der stärksten (und unterschätztesten) Mittelfeldzentralen der Liga, welche neben aggressivem Pressing- auch intelligenten Ballbesitz- oder schnellen Konterfußball zeigen kann.
Weinzierl ist außerdem einer der besten Trainer der Liga. Unter ihm entwickeln sich die Spieler gut, das System wird häufig leicht angepasst, so variiert es zwischen 4-1-4-1, 4-4-2, 4-4-1-1 und 4-2-3-1, dazu kann Højbjerg durch sein Standing und seine Qualität trotz seiner Jugend eine tragende Rolle bei Augsburg übernehmen – taktisch, technisch und mental. Neben Baier als kongenialem Partner, Unterstützer und Mentor ist eine solche halbjährige Leihe nahezu perfekt gewählt.
Zukunftsausblick
Eine ähnliche Leihe hatte auch David Alaba bei der TSG 1899 Hoffenheim, wo er wichtige Erfahrungen und Spielpraxis sammeln konnte. Nach seinem kurzen Durchbruch unter van Gaal verschwand er eine Zeit lang von der Bildfläche, die Leihe sorgte für seine Entwicklung zu einem Weltklassefußballer. Højbjerg soll im Idealfall ebenfalls als gereifter, selbstbewusster und besserer Fußballer zu den Bayern zurückkehren und dort die zentralen Mittelfeldspieler in gehobenem Fußballeralter langsam, aber sicher beerben. Und sollte sich dort noch kein Platz für ihn frei gemacht haben, so kann Højbjerg womöglich auch als Halb- oder Flügelverteidiger auflaufen oder hätte zumindest als Option von der Bank bei gealtertem Spielermaterial deutlich mehr Einsatzzeiten als zurzeit. Auch eine neuerliche Leihe ist möglich.
René Maric, www.abseits.at
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Rene Maric
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