Wie schon in der vergangenen Sommertransferperioden gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, und beleuchten die Hintergründe und... Transfers erklärt: Darum wechselte Chicharito zu Bayer 04 Leverkusen

Javier Hernandez Chicharito - Mexiko_abseits.atWie schon in der vergangenen Sommertransferperioden gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, und beleuchten die Hintergründe und Motive. Wieso holt eine Mannschaft diesen Spieler? Wer ist dieser Spieler überhaupt? Was erwartet sich sein neuer Verein von ihm? Kann er die Erwartungen in seinem neuen Verein erfüllen?

Diese Fragen sollen beantwortet werden. Auch die taktische Perspektive soll nicht zu kurz kommen, immerhin ermöglicht ein neuer Spieler oftmals eine Vielzahl neuer Kombinationen und Synergien, die ebenfalls erläutert werden sollen.

Dieses Mal geht es um einen unterschätzten Transfercoup Bayer 04 Leverkusens. In Javier Hernandez holten sich die Leverkusener einen hervorragenden Stürmer, der seit Jahren unter dem Radar vieler Fußballfans fliegt.

Sir Alex Fergusons Coup

2009/10 spielte Chicharito noch in Mexiko. Bei Deportivo Guadalajara traf er in 2300 Minuten 21mal und legte neun weitere Tore auf. Sehr gute Zahlen in einer schwachen Liga, weswegen es für viele überraschend wirkte, dass ausgerechnet Englands Branchenprimus Manchester United anklopfte und den Mexikaner für 7,5 Millionen Euro verpflichtete. Die meistens Fans standen damals dem Transfer skeptisch oder komplett ohne Erwartungen gegenüber. Für ein Team wie ManUtd sind 7,5m€ nicht viel, allerdings hätte man sie natürlich besser investieren können – glaubten zumindest viele. Ob und wie man diese hätte besser anbringen können, sollte sich im Nachhinein als schwierig herausstellen.

In seiner Debütsaison traf Chicharito gleich zwanzig Mal in knapp über 2600 Minuten, dazu legte er fünf weitere Tore auf. Das entspricht einer Quote von einem Scorerpunkt pro neunzig Minuten. Natürlich ist diese Statistik etwas verzerrt. Chicharito wurde oftmals eingewechselt und drehte eben als Joker ein paar Partien; in der Endphase von Spielen fallen schlichtweg mehr Tore, dazu sind Einwechselspieler wahrscheinlicher Tore zu erzielen, weil sie frischer und somit durchsetzungsfähiger sind.

Dennoch ist ein Scorerpunkt eine herausragende Quote und sollte auch in den nächsten Jahren konstant sein. 15 Scorerpunkte in 1971 Minuten in der Folgesaison, 26 Scorerpunkte in 2047 Minuten 2012/13 und 13 Scorerpunkte in 1412 Minuten in 2013/14 sind allesamt sehr gute Werte. Trotzdem spielte Chicharito letzte Saison in den Planungen Louis Van Gaals keine Rolle und wurde zu Real verliehen, wo er in nur 855 Minuten beeindruckende 14 Scorerpunkte verzeichnete.

Die Zahlen zeigen somit zwei Dinge: Wenn Chicharito spielt, fallen Tore und Chicharito spielt nicht so viel, wie es eine solche Quote eigentlich rechtfertigen sollte. Wieso eigentlich nicht?

Unscheinbare Stärken

Viele fokussieren sich beim Betrachten eines Fußballspiels meistens auf den Ball und die Aktionen am Ball, insbesondere bei der Bewertung von Spielern. Insofern fällt Chicharito bei vielen durch das Raster, weil er nicht besonders kreativ oder spektakulär mit Ball am Fuß ist. Er fokussiert sich meistens auf schnelle Ablagen, Direktpässe und simple Aktionen mit Ball am Fuß. Im Normalfall hat Chicharito mehr Schüsse in einem Spiel als Dribblingversuche.

Das ist allerdings keine wirkliche Schwäche. Natürlich ist Chicharito kein allzu kreativer Passgeber oder ein Stürmer, der sich zurückfallen lässt und dann das Spiel aufbaut. Auch kann er im Normalfall nicht alleine und isoliert seinen eigenen Abschluss kreieren, doch meistens muss er das auch nicht. Durch seine Ablagen und schnellen Kombinationen ist er im Verbund mit seiner tollen Bewegung nämlich extrem schwer zu verteidigen.

Chicharito wurde nicht umsonst von Ferguson besonders gerne gegen mannorientiert verteidigende Mannschaften eingesetzt, wie z.B. Chelsea einige Male. Dank seines herausragendem Bewegungsspiel und seiner hohen Aktivität ist Chicharito nämlich im Stande viele Räume für seine Mitspieler zu öffnen oder sich selbst in gefährlichen Zonen freizulaufen. Ein falsches Herausrücken kann gegen Chicharito in einer gefährlichen Chance enden, weil er diese Lücken sofort mit dem richtigen Timing attackiert und den Pass fordert.

So bietet sich Chicharito beispielsweise fast immer so an, dass er mit einem Schritt nach hinten den Ball im Zwischenlinienraum erhalten und Ablagen spielen sowie danach in die Tiefe gehen oder einen Pass hinter die Abwehr direkt attackieren kann. Seine Bewegung im Strafraum ist ebenfalls toll. Er verzögert seine eigenen Läufe sehr gut und variiert die Geschwindigkeit. Dadurch ist er schwer zu verteidigen.

Dazu ist er ausgesprochen schnell und läuft sehr geschickt in die Pässe seiner Mitspieler, kann den Ball vielfach vor Gegenspielern erreichen und direkt verwerten. Ein Albtraum zum Verteidigen und trotz mangelndem Spektakel herausragend.

Die Einbindung bei Bayer Leverkusen

Ein paar der englischen Fußballexperten deuteten an, dass Chicharito nicht ins Spiel der Leverkusener passen würde; dafür sei er im Pressing und Gegenpressing nicht aktiv genug beziehungsweise er arbeite bei gegnerischem Ballbesitz schlichtweg zu wenig für das System von Ex-Salzburger Roger Schmidt. Allerdings wirkt dies oft nur so, weil Chicharito bei United – insbesondere in der Moyes-Saison – schlichtweg als vorderste Spitze nicht pressen musste. Sogar bei Ferguson war der vorderste Mittelstürmer im 4-4-1-1/4-4-2 meist aus der Defensivarbeit weitestgehend herausgenommen.

In jenen Spielen, wo höher und konstanter gepresst wurde, gab Chicharito durchaus eine gute Figur ab. Mithilfe seiner Schnelligkeit und Aktivität sollte es für ihn bei den Leverkusenern kein Problem sein die defensiven Aufgaben des Mittelstürmers zu erfüllen. Das Versperren der Passwege, das aggressive Attackieren des Ballführenden und das Zurückfallen zum Blockieren der Passoptionen von der Seite in den Sechserraum sind vergleichsweise simple Sachen, die Chicharito – wenn die Motivation stimmt, wovon auszugehen ist – problemlos in ein paar Wochen intus haben sollte.

Offensiv sollte er eigentlich von Anfang an zu Leverkusen passen. Die schnellen Ablagen, die vielen Bewegungen, das Ausweichen in die Halbräume und darauffolgende Attackieren des Raums hinter der gegnerischen Abwehr besitzt Chicharito schon auf höchstem Niveau. Theoretisch könnte er mit Kießling oder statt diesem im 4-2-2-2 Schmidts auflaufen.

Mit Kießling als Partner könnte Kießling weiterhin seine Rolle als Zielspieler für lange Bälle einnehmen, während Chicharito Ablagen und Weiterleitungen Kießlings erhält und die Räume Kießling herum attackiert. Mit z.B. Admir Mehmedi, Julian Brandt oder Hakan Calhanoglu als Mittelstürmer würde Leverkusen zwar die Anspielstation für lange, hohe Bälle nach vorne abgehen, doch man wäre enorm dynamisch und kombinationsstark in der Spitze.

Besonders mit Brandt oder Mehmedi neben Chicharito hätten die Leverkusener zwei sehr aktive Sturmspitzen, die mit den Mittelfeldspielern kombinieren und trotzdem dem Spiel an Tiefgang geben können. Fakt ist aber: Mit Chicharito hat Bayer 04 Leverkusen für relativ wenig Geld (zwischen 10 und 12 Millionen laut Medienberichten) einen fast perfekten Stürmer für ihr System gekauft.

Rene Maric

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