Transfers erklärt: Darum wechselte Sebastian Rode zum FC Bayern München
Deutschland 16.April.2014 Rene Maric 0
Wie schon nach den vergangenen Winterpausen gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, wo die Hintergründe und Motive beleuchtet werden. Wieso holt eine Mannschaft diesen Spieler? Wer ist dieser Spieler überhaupt? Was erwartet sich sein neuer Verein von ihm? Kann er die Erwartungen in seinem neuen Verein erfüllen? Diese Fragen sollen hauptsächlich beantwortet werden. Auch die taktische Perspektive soll nicht zu kurz kommen, immerhin ermöglicht ein neuer Spieler oftmals eine Vielzahl neuer Kombinationen und Synergien, die ebenfalls kurz erläutert werden sollen.
In diesem Teil geht es um die Verpflichtung von Sebastian Rode, der im Sommer ablösefrei von Eintracht Frankfurt zum FC Bayern München wechselt.
Noch ein zum Scheitern verurteiltes Talent?
Wie üblich ist bei Wechseln dieser Art sofort eine gewisse Grundsatzkritik zu hören: Bayern schnappt solche Jungtalente der Konkurrenz weg, damit sie auf der eigenen Bank verrotten und später weiterverkauft werden. Unabhängig davon, dass eine solche Vorgehensweise keinen Sinn ergeben würde, dürfte dieser Transfer ohnehin nicht in diese Kategorie fallen. Rode ist kein Jan Schlaudraff, der mit 24 nach seiner ersten guten Saison verpflichtet wurde, sondern Jungnationalspieler und Schlüsselspieler eines Bundesligisten in einer zentralen Rolle, der sich auch schon international zumindest ansatzweise zur Schau stellen konnte.
Zusätzlich gehört Rode zur neuen deutschen Spielergeneration, die körperlich, spielerisch und taktisch hervorragend ausgebildet sind. Er bestritt schon an die 100 Spiele für Eintracht Frankfurt (61 in der ersten Bundesliga), agierte dabei auch als Sechser im 4-2-3-1 beziehungsweise als Halbspieler in einem 4-3-1-2 schon in sehr wichtigen und schwierigen Positionen auf hohem Niveau. Dabei ist es sein Fähigkeitenprofil, welches für Interesse von zahlreichen Bundesligavereinen und eben dem FC Bayern sorgte.
Dauerläufer und Ballverteiler in einem
Rode entspricht dabei am ehesten dem Typus eines „box-to-box“-Mittelfeldspielers. Im 4-2-3-1 der Frankfurter in der vergangenen Saison, womit man in der Hinrunde die Liga als Aufsteiger aufmischte, übernahm er den vertikalen Part der Doppelsechs. Pirmin Schwegler war hierbei sein Partner, kippte zwischen die Innenverteidiger ab, strukturierte das Spiel und sorgte für die Ballzirkulation im ersten Spielfelddrittel. Die Räume danach gehörten aber weitestgehend Rode und den Offensivspielern.
Rode kam dabei mit viel Dynamik aus der Tiefe, versuchte immer wieder druckvoll nach vorne zu spielen und sich dann schnell wieder anzubieten. Aus den hohen Positionen suchte er direkte Pässe nach vorne oder schloss teilweise auch selbst ab. In dieser Saison spielt er eine ähnliche Rolle, doch wegen vieler Verletzungen und auch kollektiver Probleme der Frankfurter konnte er seine Vorjahresleistung nicht ganz wie gewünscht abrufen.
Für die Münchner könnte er in der kommenden Saison ebenfalls diese Position übernehmen. Mit seiner Mischung aus Laufstärke, Physis, seinen vertikalen Bewegungen ins letzte Spielfelddrittel und seinem druckvollen Passspiel würde er eine gewisse Dynamik in das Spiel der Bayern bringen, welches aktuell kein Mittelfeldspieler wirklich beherrscht. Schweinsteiger und mit Abstrichen Kroos sind eher physische Typen, doch ihre Vertikalläufe sind weniger druckvoll und konzentrieren sich eher auf die Angriffsverwertung (Kroos per Abschluss im Rückraum, Schweinsteiger per Kopfball oder Abstauber im Strafraum). Philipp Lahm, Mario Götze und Thiago Alcantara sind dynamische, bewegliche und auch dribbelnde Akteure, doch ihnen mangelt es etwas an der Physis. Rode hingegen vereinigt diese beiden Aspekte, wenn auch jeweils auf niedrigerem Niveau.
Im Idealfall kann er somit in einer ähnlichen Rolle wie Schweinsteiger in einigen Spielen agieren, wo der Vizekapitän der Bayern als offensiver Achter im 4-1-4-1 immer wieder nach vorne ging, den Strafraum besetzte, sich dort für Anspiele anbot und Räume für die Offensivspieler öffnete. Rode könnte dies auch, er mag zwar schwächer in der Ballbehauptung und im strategischen Geschick sein, dafür ist er jedoch dynamischer und ermöglicht mehr Bewegung bei dieser Spielweise.
Eine solche Rolle hat unter Josep Guardiola übrigens nicht nur Schweinsteiger bereits übernommen, sondern auch Seydou Keita, als Guardiola noch Trainer des FC Barcelona war. Keita spielte 2009/10 mehrmals als linker Mittelfeldspieler in einem asymmetrischen 4-4-1-1, in einigen Spielen kam er als zusätzliche Unterstützung am Strafraum in die Partie oder gab einen körperbetonten Achter bzw. Sechser, wenn der Gegner oder die Rotation es verlangte.
Rode könnte der Keita der Bayern werden, obgleich er ähnliche Probleme wie der Malier in puncto Ballbesitzfußball besitzt; er ist teilweise zu vertikal, zu brachial in seinem Aufrücken und manchmal zu wenig präsent im Kombinationsspiel. Doch dank seiner körperlichen Stärke und seiner Dynamik könnte er sogar ein besserer Keita werden, der manchmal auch als zusätzliche Absicherung ins Team rückte, wie es etwa auch Kollege Philipp Pelka bei Eurosport erwähnt. Rode dürfte dank seiner Schnelligkeit nämlich eine interessante Alternative auf einer anderen Position werden.
Ein neuer Rechtsverteidiger für die Bayern?
Die Stärken in Offensive und Defensive, im direkten Zweikampf, in Dynamik, Physis und im druckvollen Passspiel könnten in Guardiolas System Rode auch zu einem Rechtsverteidiger machen. Die Außenverteidiger spielen unter Guardiola entweder sehr hoch und haben eine wichtige Rolle im Kombinationsspiel oder sie rücken weit in Richtung Zentrum ein. Dieses Hereinkippen bzw. generell die Rolle des falschen Außenverteidigers wäre eigentlich prädestiniert für einen Spielertyp wie Rode.
In dieser Saison spielte zumeist der Brasilianer Rafinha auf dieser Position, der zwar dank seiner Spielintelligenz und Technik bei den einrückenden Bewegungen immer wieder gut enge Räume im Zentrum auflösen kann, aber nur wenig Gefahr in der gegnerischen Hälfte entfacht. Der Balanceseilakt zwischen Unterstützung im defensiven Mittelfeld und gefährlichen Sprints in Richtung gegnerischen Strafraum gelingt ihm nicht so stark wie David Alaba. Rafinha ist zwar wendig und quirlig, aber verfügt nicht über eine hohe Schnelligkeit wie Alaba, um nach Pässen aus seiner eingerückten Position nach vorne zu starten und sich mit überfallartigen Sprints im letzten Spielfelddrittel freizulaufen.
Mit Rode gäbe es einen technisch und körperlich starken Rechtsverteidiger, der rein von seinem Fähigkeitenprofil diese Rolle erfüllen könnte. Ins bayrische Mittelfeld bringt Rode wie erwähnt ebenfalls gewisse Qualitäten und ist durchaus ein guter Ballverteiler und Passspieler, aber kein strategisch hochwertiger Spielgestalter oder Akteur für sehr enge Räume. Darum könnte seine Zukunft eher auf der Position des Rechtsverteidigers oder als Rotationsspieler auf mehreren Positionen zu finden sein – oder doch, wie bei Schlaudraff, Baumjohann oder Kirchhoff, bei einem anderen Verein. Die Zeit wird es zeigen; und der FC Bayern kann bei diesem ablösefreien Transfer nur gewinnen.
René Maric, www.abseits.at
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