Wie schon in der vergangenen Winterpausen gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, wo die Hintergründe und Motive... Transfers erklärt: Das ist Mario Götzes Rolle beim FC Bayern München!

Mario Götze (Borussia Dortmund)Wie schon in der vergangenen Winterpausen gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, wo die Hintergründe und Motive beleuchtet werden. Wieso holt eine Mannschaft diesen Spieler? Wer ist dieser Spieler überhaupt? Was erwartet sich sein neuer Verein von ihm? Kann er die Erwartungen in seinem neuen Verein erfüllen?

Diese Fragen sollen hauptsächlich beantwortet werden. Auch die taktische Perspektive soll nicht zu kurz kommen, immerhin ermöglicht ein neuer Spieler oftmals eine Vielzahl neuer Kombinationen und Synergien, die ebenfalls kurz erläutert werden sollen.

In dieser Ausgabe blicken wir auf den skandalträchtigen Transfer des BVB-Stars Mario Götze zu den Münchner Bayern. Er soll erklärter Wunschspieler Pep Guardiolas und laut diversen Medienberichten vom katalanischen Erfolgstrainer als „neuer Messi“ in der bayrischen Mannschaft eingeplant sein.

Mario Götze – des Einen Judas ist des Anderen Messias

Selten sorgte ein Wechsel in Deutschland für so viel Aufsehen. Kurz vor dem wichtigen Halbfinalspiel Borussia Dortmunds in der Champions League gegen Real Madrid verkündete die Bild-Zeitung den Wechsel von Mario Götze zum Branchenprimus aus München. Abermals, so lautete der Grundtenor in einschlägigen Medien und Foren, versuchen die Bayern sich mit Transfers ihrer lästigen Konkurrenz entledigen.

Besonders kritisch wurde der Transfer – neben dem Zeitpunkt der Veröffentlichung in den Medien – auch deswegen gesehen, weil die Dortmunder sich als ernstzunehmender und langfristiger Konkurrent zu etablieren schienen, weil Mario Götze als „Dortmunder Jung“ aus dem eigenen Nachwuchs gilt und der BVB in der medialen Darstellung als „everybody’s darling“ propagiert wird.

Dennoch sollten in einer Auseinandersetzung mit diesem Transfer die Gefühle außer Acht gelassen und die Fakten betrachtet werden. Mario Götze wechselte zum FC Bayern und zog die Entwicklung unter Josep Guardiola jener unter Jürgen Klopp vor.

Und diese Entwicklung und die taktische Nutzung dürfte nicht nur Götzes primärer Beweggrund für den Wechsel gewesen sein, sondern auch jener der Bayern. Für viele Fans der Münchner gilt Götze nämlich als das fehlende Puzzlestück in einer hervorragend besetzten Mannschaft. Wo dieses Puzzlestück eingefügt wird, ist aber heiß diskutiert.

Eine Möglichkeit wäre es, Götze auf der gleichen Position wie beim BVB einzusetzen. Im aktuellen 4-2-3-1 der Münchner würde er sich dann statt Toni Kroos (bzw. natürlich in Rotation mit diesem) auf der Position hinter einem Mittelstürmer eingliedern. Götze stellt ansatzweise auch die Schnittstelle der Fähigkeiten zwischen Thomas Müller und Toni Kroos dar: Götze ist dynamisch, schnell, sehr gut im Pressing und gut im Deuten von Räumen (wie Müller). Gleichzeitig ist er trotzdem ein Mittelfeldspieler statt einem Stürmer, ein Ballverteiler und toller Passgeber über unterschiedliche Distanzen (wie Kroos).

Somit könnte Guardiola mit Götze im Zentrum zwischen den drei unterschiedlichen Typen wechseln und die Passmuster verschieden anlegen. Gut möglich ist aber auch, dass Guardiola auf ein 4-1-2-3 umstellt; dann könnte Götze als eine Art torgefährlicherer und etwas weniger ballsicherer Iniesta auf der offensiven Acht agieren. Seine Rolle wäre – wie bei Iniesta – die eines Nadelspielers, der in engsten Räumen den Ball behaupten und weiterleiten kann. Sowohl Kroos als auch Müller sind hier suboptimal aufgehoben. Neben dieser Position im zentralen offensiven Mittelfeld als nomineller Zehner oder offensiver Achter mit unterschiedlichen Rolleninterpretationen (Ausweichende Zehn, falsche Zehn, Nadelspieler, klassischer Spielgestalter) ist der polyvalente Götze aber auch für die Flügelpositionen eine mögliche Alternative.

Auf links könnte er die inverse Freirolle von Ribéry übernehmen, der immer wieder in die Mitte zieht und teilweise als verkappter Spielgestalter agiert. Diese Rolle würde auch Götze liegen, außerdem ist Ribéry mit seinen 30 Jahren und seiner Verletzungshistorie durchaus ein Spieler, der in den nächsten Saisons mehr Pausen benötigen könnte und langfristig aus der Stammelf rücken muss. Als diagonaler Rechtsaußen wäre Götze aber wohl im System der Münchner wie auch bei einer Umstellung auf ein System, wie es Guardiola bei Barcelona spielen ließ, verschenkt.

Darum könnte Götze vorerst als Rotationsspieler genutzt werden; manchmal spielt er auf links, manchmal im Zentrum und gelegentlich vielleicht sogar rechts, wenn es bestimmte Situationen und Gegner erfordern. Dadurch könnte Götze sich als Spieler entwickeln, die Kadertiefe der Münchner und die Rotation würde gesteigert werden, außerdem hätte Götze wohl durchgehend Einsätze. Doch eine weitere Alternative bleibt noch offen: Die Position als falsche Neun.

Schon beim BVB und bei der deutschen Nationalmannschaft spielte Götze mehrmals als Mittelstürmer. Diese Rolle legte er aber eher klassisch aus; er bewegte sich zwar viel, spielte gut mit und hatte einen großen Aktionsradius, war aber im Angriffsaufbau nicht so beteiligt, wie es Messi beim FC Barcelona unter Guardiola war. Womöglich könnte dies der nächste Schritt in Götzes Entwicklung sein, den er wegen des anderen Spielstils beim BVB und unter Klopp wohl nicht gehen hätte können.

Es würde auch die Aussage Guardiolas von Götze als „neuem Messi“ erklären; Götze könnte als tiefer spielmachender Mittelstürmer eine neue Dimension in das Spiel der Bayern bringen. Die Möglichkeiten sind enorm. Er könnte raumöffnend agieren; Robben und Müller als Flügelstürmerpärchen wären prädestiniert dafür, in die sich öffnenden Räume zu starten. Alternativ könnte auch Kroos oder Müller auf der Zehn im Wechselspiel mit Götze nach vorne gehen.

Ob und wie Götze genutzt wird, steht noch in den Sternen. Guardiola hat mit Götze einen Spieler geholt, den er mehr oder weniger auf jeder Position einsetzen kann und vielleicht auch wird. Sollte Götze noch torgefährlicher und durchschlagskräftiger werden, könnte die Position als falsche Neun wirklich eine neue taktische Dimension in sein Spiel und in das der Münchner bringen.

Guardiola könnte dann versuchen die eigene Blaupause aus Zeiten beim FC Barcelona zu kopieren – ob das die richtige Entwicklung wäre? Die Personalie Götze alleine macht den FC Bayern schon zu einem der interessantesten taktischen Projekte in der nächsten Saison. Es könnte nach dem Triple auch die passende Veränderung sein – oder jene, die ein funktionierendes Team negativ verändert.

Eigentlich kann der Transfer aber nur ein Erfolg werden. Guardiola, Bayern und Götze wirken auf den ersten Blick wie eine perfekte Kombination und Götzes Fähigkeiten auf engstem Raum sowie seine Polyvalenz dürften ihn davor bewahren ein ähnliches Schicksal wie manche anderen Talente bei den Bayern zu gehen. Dafür ist er aber vermutlich auch schlicht und ergreifend zu gut.

Rene Maric, abseits.at

Rene Maric

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