Frau Probst aus Baden bei Wien hat viele Enkel und Urenkel. Aber nur eines ihrer Kindeskinder unterschrieb vor wenigen Tagen einen Vertrag bei Fortuna... Und Jimmy ging zum Regenbogen – Die Karriere des Erwin „Jimmy“ Hoffer und neue Hoffnung in Düsseldorf

Erwin "Jimmy" Hoffer (ÖFB, Eintracht Frankfurt)Frau Probst aus Baden bei Wien hat viele Enkel und Urenkel. Aber nur eines ihrer Kindeskinder unterschrieb vor wenigen Tagen einen Vertrag bei Fortuna Düsseldorf. Dieser frischgebackene Fortuna-Spieler heißt Erwin Hoffer und ist dafür verantwortlich, dass Frau Probst über einen gewissen Bekanntheitsgrad in Österreich verfügt. Populär gemacht hat „Jimmy“ seine Oma 2007, als er ein Teil der österreichischen U20-Nationalmannschaft war…

Diese spielte einst eine hervorragende WM in Kanada und Stürmerstar Jimmys Familie wurdedaheim medial breitgetreten. Schließlich handelt es sich bei den Hoffers noch um ein, inzwischen selten gewordenes, Exemplar der Spezies Großfamilie. Papa Helmut und Mama Verena haben zusammen neun Kinder in der Badener Haidhofsiedlung großgezogen. Dort jagte der Hoffer’sche Nachwuchs, Mädchen wie Buben, begeistert dem Ball hinterher. Erwin, Kind Nummer fünf, kam vom 1.FC Haidhof, über Tribuswinkel und Baden schließlich zu Admira Wacker nach Mödling. Dort absolvierte er seine ersten drei Profisaisonen und kam schließlich nach Hütteldorf. Zu der Mannschaft, die er immer schon verehrt hatte (Kindheitsidol: Didi Kühbauer). Schon davor hatte der zweikampfstarke Bursche, den Spitznamen „Jimmy“ erhalten. Seine Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor erinnerte seinen Nachwuchstrainer Brauneder an „Jimmy, die Tulpe“, eine von Bruce Willis gespielte Filmfigur, die als Profikiller ihr Geld verdient. Lustigerweise ähnelt der Spitzname auch einem ermordeten Gewerkschaftspräsidenten aus Amerika namens Jimmy Hoffa. Letzteres ist aber wirklich Zufall.

Jimmy spielt auf

Die Jahre bei Rapid Wien waren die bisher erfolgreichste Zeit für Erwin Hoffer. Parallel dazu begann er auch aussichtsreich Jugendnationalteams zu durchlaufen. 2006 erreichte er mit der österreichischen U19 das Semifinale bei der Europameisterschaft in Polen, 2007 schoss Hoffer im Viertelfinale der U20-WM in der 105. Minute das Siegestor gegen die USA. Danach war ebenfalls für die Österreicher Schluss, im Halbfinale musste man sich Tschechien 0:2 geschlagen geben. Erwins Weichen schienen richtig gestellt.

Das A-Team, der logische Schritt, folgte. Noch 2007 gab Hoffer sein Debüt beim 0:0 gegen Paraguay. Sein erfolgreichstes Länderspiel war wohl das 0:1 gegen Deutschland bei der EM 2008. Im Wiener Ernst-Happel-Stadion ging es damals um die Wurst: Österreich hatte noch Chancen auf das Viertelfinale, unterlag in einem mäßigen Spiel aber der DFB-Elf. Hoffer war jedoch einer der rot-weiß-roten Aktivposten, wie eine Wühlmaus rannte sich der Angreifer die Füße wund. Ohne Lohn, denn das einzige Tor erzielte Michael Ballack aus einem Freistoß und besiegelte damit Österreichs Ausscheiden.

Bei den Grün-Weißen entwickelte sich Erwin Hoffer zum Stammspieler und gehörte zum Meisterkader der Saison 2007/08. Mit Stefan Maierhofer bildete er auch in der nächsten Saison den bekannten 50-Tore-Sturm. Ihre gelungenste Vorstellung und auch die erste, bei der sie gemeinsam von Beginn am Platz standen, war das legendäre 7:0 in Salzburg. Am Ostersonntag des Jahres 2008 legten Hoffer & Co. den Bullen sieben Eier ins Nest. Der Grundstein für das Meisterstück war gelegt und Rapid konnte wenig später den Titelfeiern. Der Hobbyfischer war auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Er, Maierhofer und Mittelfeldspieler Ümit Korkmaz galten als heiße Transferaktien. „Korki“ war der erste, der wechselte. Noch vor der EM unterschrieb der Austro-Türke einen Vertrag bei Eintracht Frankfurt. Der Lange und der Schnelle blieben zunächst an Bord. Die Verteidigung des Titels gelang Rapid 2008/09 allerdings nicht. Nachdem die neue Saison schon begonnen hatte, verließ Erwin Hoffer schließlich die Hütteldorfer und wechselte zum SSC Napoli. Die Süditaliener überwiesen kolportierte fünf Millionen Euro nach West-Wien, die nicht allesamt beim SK Rapid landeten, zumal zahlreiche Berater und auch Jimmy selbst an der Ablösesumme mitschnitten.

„Man muss einfach den Schritt probieren und schauen ob‘s funktioniert“, sagte der damals 22-Jährige und wechselte an die Seite von Fabio Quagliarella und Ezequiel Lavezzi. Wohl gemerkt „an die Seite“ dieser beiden Nationalspieler. Zwar traf das „Kopfballungeheuer“ (Größe: 176 cm) in seinem ersten Pflichtspiel mit der Stirn für die Hellblauen, danach blieb er jedoch meistens Zuschauer. Ganze acht Spiele absolvierte Erwin Hoffer, bis sein Kontrakt im August 2013 beendet wurde.

Italienisch für Anfänger

In seiner neuen Heimat lernte Jimmy zunächst echte italienische Freude kennen. Nämlich jene, die rot, motorisiert und mit einem schwarzen Pferdchen versehen ist. Seinen Audi Q7 aus der Rapid-Zeit tauschte der Spieler gegen einen Sportwagen der Marke Ferrari. Sportlich sah es aber anders aus. Der Trainer, der ihn geholt hat (Roberto Donadoni) musste wenige Monate nach Hoffers Wechsel Napoli verlassen und auch das Management wurde ausgetauscht. Doch bis dahin, hatte Hoffer immerhin drei Monate Zeit gehabt sich auf und neben dem Platz einzuleben.

Man muss kein besonderer Italienkenner sein um zu wissen, dass das Erlernen der Sprache in Italien unglaublich wichtig ist. Für Fußballer sogar noch bedeutender. Die Kommunikation auf dem Spielfeld muss fehlerfrei funktionieren und auch für die Integration in das Team sind flüssige Gespräche das A und O. Die romanischen Länder sind stolz auf ihre Eigenheiten, für Fremdsprachenkenntnisse sind sie nicht gerade berühmt. Erwin Hoffer auch nicht. Italiens Sport-Gazetten fragten sich im November 2009, was Hoffer denn in Italien wolle, ohne ein Wort Italienisch oder Englisch zu sprechen.

Das Land, wo die Zitronen blühen, ist ein hartes Pflaster. Davon kann auch Austria-Offensivspieler Marko Stankovic ein Lied singen. Dieser wechselte einst in die Serie B zu Triestina und sagt heute: „Italien muss man sich zwei Mal überlegen. Als Berater würde ich einem jungen Spieler davon abraten.“ In dieselbe Kerbe schlägt auch Sascha Pichler (AC Florenz): „Die ersten Monate sind sehr schwer. Du musst so schnell wie möglich die Sprache lernen, damit du kein Außenseiter wirst.“ Beide Spieler berichten vom Zusammenhalt der Einheimischen, Neue sind nur bedingt willkommen. Man muss sich rasch anpassen und sich ins Zeug legen. Dazu gehören neben den ballesterischen Fähigkeiten eben auch „socialskills“: Sprache lernen, Mentalität akzeptieren.

Für Stankovic hat sich der Wechsel von Sturm Graz an die Adria nicht ausgezahlt. Nach 22 Spielen und 0 Toren heuerte er bei Austria Wien an, wo er drei mittelprächtige Jahre erlebte. Stanko war meistens Einwechselspieler, erst heuer kommt er richtig zum Zug. Die Konsequenzen verlorener Zeit am Stiefel? Jürgen Säumel war sogar vier Jahre in Italien tätig. Erst bei Turin und dann bei Brescia. Auch er selbst gab zu, dass die südeuropäische Republik eine schwierige Station wäre, weil viele Entscheidungen nicht nachvollziehbar sind. Säumel ist nach seiner Heimkehr zu Sturm Graz seit diesem Sommer vereinslos. Dafür war sein Italienaufenthalt wohl nicht ausschlaggebend, eher der Verletzungsteufel, denn der Steirer hatte immer wieder Muskel- und Knieblessuren.

Trotz allem haben Säumel und Stankovic das vollbracht, was Hoffer nicht geschafft hat. Bis heute spricht Jimmy so gut wie kein Italienisch. Berater Hagmayr und sein Schützling dachten wohl, diese Hürde wäre einfach zu nehmen. Aber hier geht es nicht darum dem Pizzabäcker ein fröhliches „Ciao“ nachzurufen, sondern taktische Anweisungen genau zu befolgen. Denn Taktik und Sprache sind nun mal die Eckpfeiler des italienischen Fußballes.

Sprich mit mir!

Wer Interviews mit Erwin Hoffer aus seiner Zeit bei Rapid Wien gesehen hat, der weiß, ein polyglotter Redenschwinger ist Jimmy nicht. Man sah einen sehr nervösen jungen Mann, der oft hilflos um Worte rang und dem schon der Wechsel vom Dialekt ins Hochdeutsch, Probleme zu bereiten schien. Auch heute noch, nach diversen Engagements bei bundesdeutschen Vereinen, hat man oft Mitleid mit Journalisten, die sich bemühen ein paar Worte aus Jimmy herauszuquetschen. Ein Interview mit dem Stürmer ist für das Gegenüber oft wie das Lesen von Franks Parteiprogramm: Man weiß einfach nicht, was er will.

Schwamm drüber, schließlich muss man kein mehrfacher Doktor sein um eine Sprache zu lernen: Herbert Prohaska hat es ja an der Adria in der Vergangenheit auch geschafft. Auch der gebürtige Simmeringer stammt aus einfachem Milieu und verunfallt des Öfteren mit dem Umgang von Dativ und Akkusativ, dennoch konnte sich „Schneckerl“ in Italien behaupten. Schließlich war er der erste Legionär bei Inter Mailand seit ewigen Zeiten und konnte danach noch mit dem AS Roma die Meisterschaft holen. Hoffer scheiterte, warum auch immer, an der lingua italiana. Es mag schon sein, dass es ihm als introvertiertem Menschen schwer fällt eine Sprache zu lernen, seine Schulzeit wird auch schon lange vorbei sein, sodass er richtiges Strebern nicht mehr hinbekommt oder nie hinbekommen hat. Schließlich meinte Jimmy in einem Interview, auf die Frage nach seinem Lieblingsbuch, er habe noch nie im Leben eines gelesen. Das sagt sein Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll auch. Naja, fast: Pröll meinte, das einzige Buch, das er fertig gelesen habe, sei Karl Mays „Der Schatz im Silbersee“. Doch weg von Herbert und Erwin. Eigentlich dürften, all diese Erklärungsversuche keine Hindernisse sein. Ein Marko Arnautovic hat, ob seiner kurzen Zeit bei Inter, es auch geschafft halbwegs en italiano zu parlieren. Und der ist ebenso weder Leseratte noch Bücherwurm. Warum Hoffer hier so kläglich versagte, bleibt ein Rätsel.

Als im Kurier geschrieben stand, Jimmy bekäme pro Tag eine Stunde Italienischunterricht, mussten viele nicht nur schmunzeln, sondern herzhaft lachen. Die Zahl der Unterrichtsstunden ist zwar nicht entscheidend, vielmehr sollte die Umgebung das Klassenzimmer sein, eine Stunde Pauken am Tag klingt aber schon nach Augenauswischerei. Vielleicht hätte Hagmayr, der Hoffer ja gut kennt, einsehen müssen, dass das Erlernen einer sehr schönen, aber auch schwierigen Sprache den Stürmer (noch) überfordert. Ein Klub in Deutschland wäre vielleicht die richtige Adresse gewesen. Das Ausland generell, stellte für den jungen Mann, der eingebettet in eine Großfamilie im idyllischen Wiener Umland lebte, vielleicht eine zu große Herausforderung dar. Auch Jimmys Langzeitbeziehung zu seiner damals schwangeren Freundin scheiterte kurz nach seiner Abreise.

Grau, teurer Freund, ist alle Theorie. Und grün des Lebens goldener Baum.

Nicht nur die Umgebung und die Sprache waren also für Hoffer neu. Im italienischen Fußball steht Taktik an oberster Stelle. Bei Rapid in der Pacult-Ära war diese relativ prioritätslos. Erwin Hoffer kam also in eine völlig neue Welt. „Verschieben“ statt Torabschlüsse standen beim Training am Programm. Ein weiteres Problem für einen Instinktfußballer wie Jimmy?

Hoffer ist ein Spieler, der von seiner Schnelligkeit lebt. Eine torgefährliche Sprintrakete, dem das Anpassen in taktische Konzepte vollkommen neu war. Im Nationalteam waren zweckdienliche Überlegungen ebenso hintenangestellt. Der damalige Teamchef Constantini erntete für seinen „Taktik ist überbewertet“-Sager heftige Kritik. Aber aus dieser Realität kam Jimmy, seine Übersiedlung nach Italien war für ihn wohl wie ein Flug auf den Mond.

Der bessere Fußballer bleibt an der Adria auf der Bank, wenn ein Anderer die taktischen Vorgaben des Trainers besser umsetzt. Bei seinen wenigen Aufritten für Napoli blieb der Angreifer meistens ein Fremdkörper. Was genau passiert ist, weiß nur er selbst. Hat das Handgeld, das Rapid seinem Stürmer auf die Kralle packte, seine Wirkung getan und Hoffer unterschrieb unüberlegt bei den Neapolitanern? Immerhin hatte er noch gesagt, er wechsle nur, wenn die Chance bestehe zu spielen. Die Chance bestand. Jedoch war sie klein. Hoffer hätte sich ruck-zuck anpassen müssen, auch der SSC wollte ihm Zeit geben: „Wir erwarten keine Wunderdinge“. Aber der Mann, der das im Juli sagte, war im Oktober Geschichte bei Napoli: Roberto Donadoni musste seinen Hut nach einer Talfahrt nehmen. Für Hoffer ging diese Talfahrt weiter. Aber nur in Napoli.

Zur Saison 2010/11 wurde Hoffer in die Pfalz vergeliehen. In 24 Spielen schoss er fünf Tore für den 1. FC Kaiserslautern, danach sollte er Eintracht Frankfurt wieder in die Bundesliga zurückschießen. Die Zeit in Kaiserslautern war für Hoffer wieder ein kleiner Aufstieg. Zwar wurde ihm verboten mit seinem Ferrari beim Training aufzukreuzen, mit vier Toren und zwei Vorlagen in den ersten fünf Spielen feierte er aber einen fulminanten Einstand. Mit seinen Zähnen bezahlte er ein beherztes Einsteigen in einem Testspiel gegen den SC Hauenstein, am Ende seines Leih-Engagements hatte Hoffer 24 Spiele und fünf Tore auf seinem Konto.

Bei Frankfurt hatte Jimmy in den ersten fünf Spielen wieder seinen Stammplatz auf der Bank. Aber im Endeffekt machte Jimmy rund zehn Spiele mehr als in Kaiserslautern und erzielte auch genauso viele Tore zusätzlich. Trotz Kaufoption konnten sich die Frankfurter die Dienste des Badeners nicht leisten, der Leihvertrag wurde jedoch abermals verlängert.

Bis zum Jänner 2013, dann kehrte Erwin Hoffer wieder nach Süddeutschland zurück. Bei den „roten Teufeln“ traf er seinen Freund und Ex-Kollegen Christopher Drazan. Im Interview mit FCK-TV kicherten die Beiden, was das Zeug hält und erzählten von ihrer Bubenfreundschaft. Am Platz waren sie jedoch nur selten zusammen. Drei Tore konnte Hoffer in 14 Spielen erzielen, dann lief die Leihe wieder aus und die Sportwelt fragte sich abermals:

„Quo vadis, Jimmy?“

Und da meldete sich Großmutter Probst zu Wort. In der Zeitschrift News äußerte sie sich zu Erwins Napoli-Vertrag: „Jetzt haben’s ihn so lange runtergetragen, da wär er dumm, die Kohle nicht noch ein Jahr zu kassieren.“Denn während Hoffers Marktwert seitdem Napoli-Wechsel eine Talfahrt begann, füllte sich sein Bankkonto mit Euronoten.

Erwin hörte aber dieses Mal nicht auf Omas Rat: Napoli, Fortuna und er selbst waren sich einig: Hoffer bekam ein neues Zuhause im Ruhrpott, die Süditaliener kassierten noch 500.000€ für ihren Transferflop. Ein Vereinswechsel war wohl für alle Beteiligten das Beste. Denn selbst wenn Jimmy in fünf Jahren so viel verdient hat, wie andere nicht in zwei Leben (O-Ton: Josef Hickersberger), förderlich für seine Karriere waren die vielen Leihgeschäfte nicht. Schlagzeilen machten in den letzten Jahren weniger Jimmys Tore und Länderspielauftritte, sondern sein Sportwagen und seine steirische Freundin.

Möge Jimmy nun in Düsseldorf einen Neustart machen. Das Toreschießen wird er ja nicht verlernt haben. Also, Glücksgöttin Fortuna, hoffeRn wir das Beste.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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