Vergessene Legenden (7) – Ernst Kalwitzki
Deutschland 28.März.2017 Marcel Grün 0
Im Laufe der 1930er und frühen 1940er Jahre dominierte Schalke 04 den deutschen Fußball. Zwischen 1933 und 1942 stand die Mannschaft in neun von zehn Meisterschaftsendspielen und konnte dabei sechsmal den Titel gewinnen, hinzu kam noch ein Sieg im Tschammerpokal 1937 (bis 1943 Name des heutigen DFB-Pokals). Als herausragende Spieler des „Schalker Kreisels“ gelten vor allem Ernst Kuzorra und sein Schwager Fritz Szepan, die neben unzähligen Toren und Vorlagen vor allem für ihr instinktives Zusammenspiel bekannt waren. Weitere Spitzenspieler der Mannschaft waren Mittelläufer Otto Tibulski, Linksaußen Adolf Urban, Mittelstürmer Ernst Poertgen und Rechtsaußen Ernst Kalwitzki. Anders als viele seiner Mitspieler sollte Kalwitzki jedoch trotz seiner unglaublichen Torquote niemals für die deutsche Nationalmannschaft spielen…
Ernst Kalwitzki stammte, ebenso wie die meisten seiner Schalker Vereinskameraden, aus Gelsenkirchen und kam dort am 3. Oktober 1909 zur Welt. Anders als Szepan und Kuzorra begann er jedoch seine Karriere bei Union Gelsenkirchen, ehe er 1933 zu Schalke 04 wechselte, die kurz zuvor das Meisterschaftsfinale mit 0:3 gegen Fortuna Düsseldorf verloren hatten. Kalwitzki konnte sich schnell einen Stammplatz erkämpfen und direkt in seiner ersten Saison die Meisterschaft gewinnen: zwar lag Schalke im Finale gegen Nürnberg bis zur 87. Minute mit 0:1 hinten, drehte die Partie jedoch noch durch Treffer von Szepan und Kuzorra zu einem 2:1. Im Folgejahr standen am Ende erneut der Gewinn der Meisterschaft durch ein 6:4 gegen den VfB Stuttgart (Kalwitzki gelang das zwischenzeitliche 5:2) und auch die Finalteilnahme im erstmals ausgetragenen Tschammerpokal, den jedoch der 1. FC Nürnberg nach einem 2:0-Sieg gewann.
Nachdem Schalke im Jahr 1936 sogar ganz titellos geblieben war (im Pokalfinale unterlag man trotz eines Kalwitzki-Tores 1:2 gegen den VfB Leipzig), gelang dem Verein 1937 als erste deutsche Mannschaft der Gewinn des Doubles aus Meisterschaft und Pokal, an dem Ernst Kalwitzki entscheidend beteiligt war: er traf sowohl beim 2:0 im Meisterschaftsfinale gegen Nürnberg, als auch beim 2:1 im Pokalfinale gegen Fortuna Düsseldorf.
Im legendären Doppelendspiel von 1938 gegen Hannover 96 war Kalwitzki ebenfalls mit einem Tor erfolgreich, aber dennoch sollten insgesamt sechs Schalker Tore in beiden Spielen nicht zum Meistertitel reichen: nach einem 3:3 im ersten Finalspiel verlor Schalke das zweite Finalspiel knapp mit 3:4 nach Verlängerung. Die Niederlage war vor allem besonders ärgerlich, weil Schalke bis zur 87. Minute mit 3:2 geführt hatte, außerdem wurde Kalwitzki in der Verlängerung ein Handelfmeter verwehrt.
Spielweise und Position
Ernst Kalwitzkis angestammte Position war die des Rechtsaußens, wobei ihm sowohl seine enorme Schnelligkeit als auch seine Dribbelstärke zugutekamen. Hinzu kam noch eine immense Torgefährlichkeit, weshalb Kalwitzki auch problemlos als Mittel- oder Halbstürmer eingesetzt werden konnte. Dennoch sollte erst der Abgang von Ernst Poertgen 1938 dafür sorgen, dass Kalwitzki auch vermehrt zentral aufgestellt wurde.
Kalwitzkis größter Tag
Am 18. Juni 1939 sollte Kalwitzki das wohl beste Spiel seiner erfolgreichen Karriere bestreiten. Im Finale um die deutsche Meisterschaft wartete mit Admira Wien ein ernstzunehmender Gegner, der jedoch an diesem Tag die wohl schwärzeste Stunde seiner Vereinsgeschichte erlebte. Kalwitzki, der an diesem Tag aufgrund einer Idee Ernst Kuzorras als Mittelstürmer spielte (der junge Hermann Eppenhoff stürmte stattdessen auf dem rechten Flügel), konnte bereits nach sieben Minuten das 1:0 erzielen und nur fünf Minuten später legte Adolf Urban das 2:0 nach. Kalwitzki gelangen binnen kurzer Zeit noch zwei weitere Tore, sodass das Spiel mit dem Halbzeitstand von 4:0 bereits entschieden war. Wer allerdings auf Seiten der Admira darauf gehofft hatte, dass es Schalke nun ruhiger angehen lassen würde, wurde bitter enttäuscht: „Ötte“ Tibulski traf bereits kurz nach der Halbzeit per Freistoß zum 5:0. Mann des Tages war jedoch eindeutig Ernst Kalwitzki, der nicht nur in der Mitte blieb, sondern auch mehrfach mit den Halbstürmern Kuzorra und Szepan die Positionen tauschte und somit die Spieler der Admira komplett aus dem Konzept brachte. Nachdem er noch zwei Tore erzielt hatte (dazu wurde zwei weitere Tore von ihm nicht anerkannt), sorgten Kuzorra und Szepan mit einem Doppelschlag kurz vor Abpfiff für den 9:0 Endstand.
Mit dem 9:0 stellte Schalke zum einen den Rekord für den höchsten Finalsieg aller Zeiten und zum anderen stellte auch Kalwitzki mit fünf Tore einen Rekord für die meisten Tore in einem Meisterschaftsendspiel auf.
Letzte Jahre bei Schalke
Auch in der folgenden Saison kam im Tschammerpokal erneut das frühe Aus in der 2. Runde, während man hingegen den Meistertitel erfolgreich verteidigen konnte. Nach einem 3:1 im Halbfinale gegen Waldhof Mannheim traf man im Finale auf den Dresdner SC, in deren Reihen mehrere aktive und ehemalige Nationalspieler wie Willibald Kreß, Richard Hofmann und der spätere Bundestrainer Helmut Schön standen. In einer Partie, die von Schalke dominiert wurde, war erneut Kalwitzki der Held, als ihm in der 27. Minute der Siegtreffer zum 1:0 gelang.
Im Anschluss an diesen Erfolg folgte allerdings eine bittere Spielzeit, in deren Verlauf Schalke sowohl das Finale um den Tschammerpokal als auch das Finale um die deutsche Meisterschaft verlor. Besonders bitter war an der Niederlage im Meisterschaftsfinale, an dem Ernst Kalwitzki nicht teilnahm, dass Schalke gegen Rapid Wien bereits 3:0 geführt hatte und am Ende unglücklich mit 3:4 unterlag, wobei von Seiten der Schalker die Leistung des Schiedsrichters harsch kritisiert wurde. Im Tschammerpokalfinale am 2. November 1941 war Kalwitzki wieder mit von der Partie, konnte jedoch die 1:2 Niederlage gegen den Dresdner SC nicht verhindern.
Das Jahr 1942 sollte schließlich sowohl das Ende des „Schalker Kreisels“, als auch das Ende von Ernst Kalwitzkis Karriere bei Schalke herbeiführen. Am 4. Juni 1942 holte Schalke nach einem 2:0 (wieder einmal hatte Kalwitzki das wichtige 1:0 erzielt, Szepan legte das 2:0 nach) gegen den First Vienna FC seine sechste Meisterschaft. Im selben Jahr konnte man außerdem noch einmal das Pokalfinale erreichen, verlor dort jedoch gegen 1860 München mit 0:2. Für Ernst Kalwitzki war diese Finalniederlage eines seiner letzten Spiele im königsblauen Trikot.
In 246 Pflichtspielen waren ihm unglaubliche 195 Tore gelungen: 113 Tore in 143 Gauligaspielen, 28 Tore in 36 Pokalspielen und 54 Tore in 66 Meisterschaftsspielen – ohne Frage eine sensationelle Karriere.
Trotz dieser unglaublichen Torquote und Karriere spielte Kalwitzki jedoch niemals für Deutschland, wofür es einen simplen Grund gab: Ernst Lehner. Der Rechtsaußen von Schwaben Augsburg war sowohl unter Otto Nerz als auch unter Sepp Herberger gesetzt, weshalb anderen talentierten Rechtsaußen wie Nürnbergs Karl Gußner oder eben Kalwitzki nie eine Chance geboten wurde. Nur ein einziges Mal, am 24. September 1939 stand Kalwitzki im Kader der Nationalmannschaft, bei der 1:5 Niederlage gegen Ungarn erhielt jedoch erneut Lehner den Vorzug.
Kriegsjahre und Karriereende
Als Folge des für Deutschland immer schlechter verlaufenden zweiten Weltkrieges wurden Ernst Kalwitzki und viele seiner Mannschaftskameraden zum Kriegsdienst eingezogen. Anders als sein langjähriger Mitspieler Adolf Urban, der 1943 an der Ostfront fiel, hatte Kalwitzki Glück und kehrte zwar verwundet, aber dafür immerhin lebendig nach Gelsenkirchen zurück. Bald schon verließ er jedoch seine Heimatstadt erneut, um ab 1945 noch für Rhenania Köln und Preußisch-Oldendorf zu spielen. 1949 beendete er seine Karriere und trainierte für kurze Zeit Wattenscheid 09.
Rückkehr zu Schalke und Lebensabend in Bremen
Wenig später zog Kalwitzki zurück nach Gelsenkirchen und wurde Platzwart des Schalker Stadions, wobei er und seine Frau eine Wohnung direkt unterhalb der Stehtribüne der Glückauf-Kampfbahn bezogen. Neben seiner Tätigkeiten als Platzwart spielte er bis 1956 für die zweite Mannschaft von Schalke und blieb auch weiterhin Ansprechpartner für Spieler, Offizielle und Fans, ehe er 1974 in Rente ging (im selben Jahr bezog Schalke auch das neugebaute Parkstadion) und mit seiner Frau nach Bremen zog. Dort verbrachte er seinen Lebensabend bei seiner Tochter und seinem Schwiegersohn Helmut Jagielski (dieser hatte selbst lange bei Schalke gespielt, ehe zu Werder Bremen wechselte und dort Meister und Pokalsieger wurde), bis er am 3. Februar 1991 im Alter von 81 Jahren starb.
Als Anerkennung seiner zahlreichen Verdienste für den FC Schalke 04 wurde Ernst Kalwitzki in die Schalker Ehrenkabine aufgenommen und in der Nähe der Veltins Arena in Gelsenkirchen ist außerdem eine Straße, der Ernst-Kalwitzki-Weg, nach ihm benannt.
Marcel Grün, abseits.at
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