Waldhof Mannheim verliert im Relegationskrimi gegen Lottes schnörkelloses Vertikalspiel
Deutschland 30.Mai.2016 Marius Kaltwasser 0
In Deutschland müssen sich die fünf Meister der Regionalligen erst in Play-Off Spielen durchsetzen, ehe sie in die eingleisige 3.Bundesliga aufsteigen dürfen. Aufgrund dieser geringen Durchlässigkeit sind die Relegationsspiele meist von äußerster Spannung, Vorsicht und Emotionen geprägt. Nachdem sich im Hinspiel die Meister aus der Regionalliga Südwest (Waldhof Mannheim) und Regionalliga West (SF Lotte) in einem chancenarmen 0:0 weitgehend neutralisierten, musste nun im Rückspiel in Mannheim eine Entscheidung fallen.
Grundformationen
Die Sportfreunde Lotte agierten in einem 4-1-4-1 System. Der wiedergenesene Rosinger ersetzte im Sturmzentrum Tankulic, welcher sich im Hinspiel oft in den Zwischenlinienraum fallen ließ um engräumige Kombinationen in den Halbräumen anzustoßen. Rosinger hingegen ist ein vertikal ausgerichteter Spielertyp, der den direkten Weg zum gegnerischen Tor sucht.
Granatowski besetzte als inverser Flügelspieler die linke Außenbahn und zog mit seinem starken Fuß in die Mitte um Abschlüsse zu suchen und dem häufig aufrückenden Linksverteidiger Al-Hazaimeh Räume zu verschaffen.
Der ballsichere Andre Dej besetzte den zentral defensiven Bereich vor der Viererkette. Ihm waren gleich zwei Aufgaben zugeteilt: Bei eigenem Ballbesitz kippte er regelmäßig zwischen die beiden Innenverteidiger ab und stellte eine 3-4-3-Formation her. Bei gegnerischem Ballbesitz verfolgte er den Mannheimer Spielmacher Förster mannorientiert und versperrte im Zwischenlinienraum Passoptionen.
Der Mannheimer Cheftrainer Kenan Kocak veränderte seine Startformation im Vergleich zum Hinspiel auf keiner Position. Der SVW trat im gewohnten 4-2-3-1 System auf. Man merkte den Waldhöfern an, dass sie gleich von Beginn an Druck machen wollten. Bei gegnerischem Ballbesitz positionierten sie sich im klassischen 4-4-2 Angriffspressing. Förster und Burgio versperrten Dej den Weg ins Zentrum und versuchten den Aufbau auf die Außen zu lenken. Erhielten die Außenverteidiger den Ball, schoben die jeweiligen Flügelstürmer sofort mannorientiert auf den ballführenden Außenverteidiger. Die beiden Achter versperrten die Halbräume.
Dabei trat allerdings ein Problem auf, welches sich bereits seit einigen Wochen durch das Spiel der Waldhöfer zieht. Förster und Burgio zeigten sich zwar klug gewählt in der Positionierung, versperrten die gegnerischen Sechser und leiteten das Spiel nach außen, konnten aber die gegnerische Aufbaulinie nicht mehr zu Fehlern zwingen. Waldhof stand zwar weiterhin kompakt und stabil, versäumten es allerdings zwingend gegen den Ball zu arbeiten. Das Zentrum war zwar weiterhin versperrt, die Mittelfeldreihe kam aber nicht mehr über lose Verschiebemechanismen heraus, anstatt immer wieder direkt in die Zweikämpfe zu kommen. Die daraus resultierende geringere Intensität erlaubte es den Sportfreunden sich häufiger aus Drucksituationen zu befreien.
Ein weiteres Problem ergab sich für die Mannheimer aus der grundsätzlichen Ausrichtung des Gegners. Lotte zeigte wenig Ambitionen einen geordneten Spielaufbau voranzutreiben. Meist wurde das Leder in der ersten Linie horizontal zirkuliert, eher der Ball lang nach vorne geschlagen wurde. Dabei verließen sie sich einerseits auf die Schnelligkeit ihres Stürmers Rosinger, andererseits auf ihre Qualität zweite Bälle einzusammeln. Insbesondere die beiden zentralen Achter Pires und Wendel agierten sehr balanciert zueinander und konnten mit Dej im Zwischenlinienraum kombinieren. Die Mannheimer kamen mit dieser Spielweise alles andere als zu Recht und zeigten sich insbesondere bei langen vertikalen Bällen anfällig. Die Abwehr wurde mit solchen vorhersehbaren Bällen zurückgedrängt und musste dann mit wenig Restpersonal die Verteidigung der zweiten Bälle bzw. Hereingaben meistern. Rosinger war es dann auch, der sich nach einem langen Ball gegen zwei Waldhöfer durchsetzen konnte und in der 26.Minute zur vorentscheidenden 0:2 Führung einnetzte.
2. Halbzeit
Waldhof Coach Kenan Kocak musste auf die veränderten Gegebenheiten reagieren, denn der SVW brauchte drei Tore um doch noch den Sprung in die 3.Liga zu schaffen. Für den unglücklichen Sechser Sebastian Gärner kam mit Mombongo ein physisch starker Wandspieler, welcher Bälle im letzten Drittel festmachen sollte. Es entstand nun eine 4-2-4 ähnliche Grundformation. Mombongo und Burgio orientierten sich in das Sturmzentrum, die beiden Flügelspieler rückten diagonal in die offensiven Halbräume während sich die beiden Außenverteidiger nun deutlich höher positionierten.
Die Sportfreunde wurden nun deutlich tiefer nach hinten gedrückt, die Mannheimer gewannen vermehrt zweite Bälle, konnten aber keine längeren Ballbesitzphasen im letzten Drittel verbuchen. Lotte bediente sich interessanter Kettenmechanismen, die stark an die Würzburger Kickers erinnern. Vereinzelt rückten Spieler aus den Ketten heraus, setzten die Waldhöfer unter Druck, während die entstandenen Löcher von den umstehenden Spielern sofort zugeschoben wurden. Auf diese Weise wurde das Herausrücken zu einem gruppentaktischen Instrument anstelle einer individuellen Reaktion. Dadurch konnten sich die Sportfreunde häufig befreien und gefährliche Konter fahren.
Waldhof Mannheim hatte keine weiteren Ideen um Torchancen zu kreieren, im Laufe des Spiels wurden die Bemühungen immer unkonzentrierter, es konnten keine aussichtsreichen vertikalen Staffelungen gebildet werden und so blieb meist nur der lange Ball, welcher die Lotter Innenverteidiger Rahn und Naubler vor keine Probleme stellte.
Fazit
Der SV Waldhof Mannheim verliert verdient gegen eine präsente Lotter Mannschaft, welche die richtige Strategie gewählt hat, um die Mannheimer Schwächen der letzten Wochen aufzudecken. Der Meister aus der Regionalliga West ließ sich von der stattlichen Kulisse (22.310 Zuschauer) nicht beeindrucken, stand sehr kompakt und war mit seiner schnörkellosen vertikalen Spielweise jeder Zeit gefährlich. Der SVW tat sich schwer offensiv vorteilhafte Verbindungen herzustellen und musste vor allem in der zweiten Hälfte immer wieder zu unkontrollierten langen Bällen greifen. Durch die mangelnde Intensität im Pressing beraubten sie sich ihrer großen Stärke, auch das Gegenpressing funktionierte nicht wie gewohnt.
Marius Kaltwasser, abseits.at
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