Werder Bremen im Aufwind: Warum Skripniks Ideen und die neue Bremer Raute greifen
Deutschland 10.Februar.2015 Rene Maric 1
In dieser Saison galt der SV Werder Bremen lange Zeit als einer der größten Abstiegskandidaten. Der Kader verlor in den vergangenen Jahren seit den erfolgreichen Zeiten mit vielen CL-Teilnahmen stetig an Substanz. Der in der Hinrunde entlassene Trainer Robin Dutt gilt zwar fachlich als sehr gut, konnte seine Ideen allerdings nicht umsetzen und nutzte das Spielermaterial bei den Werderanern nicht adäquat. Als sein Nachfolger wurde passenderweise Viktor Skripnik präsentiert, der beim SVW intern die Jugendabteilungen als Trainer durchlief und bewusst langfristig für diese Rolle ausgebildet wurde. Die Ergebnisse gehen seither nach oben. Doch wie konnte Skripnik dies so schnell erreichen und was hat er geändert?
Thomas Schaafs Musterschüler
Viele Jahre stand Werders Spielsystem unter dem Zeichen von Thomas Schaaf. Mit ihm feierten die Werderaner große Erfolge, etablierten sich lange Zeit als größer Konkurrent des Branchenprimus Bayern München und hatten eine unverkennbare Spielidentität. In ihrem 4-3-1-2 agierten sie sehr offensiv, pressten meist relativ hoch und spielten ein offensives, auf Technik und Kurzpassspiel ausgelegtes Offensivsystem. Die Raute mit einem Zehner, meist sehr offensiv besetzten Halbspielerpositionen und einem abräumenden, aber technisch zumindest soliden Sechser wurde zum Markenzeichen von Schaafs Werder.
Einer der Spieler Werders in diesen Jahren war Viktor Skripnik. Skripnik spielte häufig als linker Verteidiger, war aber auch auf der Sechs, der linken Halbposition der Raute und in der Innenverteidigung ein fähiger Spieler. Dadurch ermöglichte er Schaaf flexible Umstellungen und galt wegen seiner sympathischen Art als Fanliebling bei Werder. Acht Jahre verbrachte Skripnik an der Weser, die letzten fünf davon mit Schaaf als Trainer.
Nun ist Skripnik selbst Trainer bei Werder. Nach eigener Aussage hat er von Schaaf gelernt und betrachtet diesen als seinen Mentor. Die Gemeinsamkeiten auf dem Platz sind unverkennbar.
Werders neue Raute
Wie auch sein Vorbild und ehemaliger Trainer spielt Skripnik zumindest auf dem Papier in einer Raute. Allerdings variiert Skripnik die Besetzung und Interpretation der Raute. So gab es auch Partien mit nomineller Raute, die allerdings eher als ein 4-3-2-1 (statt eines 4-3-1-2) zu beschreiben ist.
Diese Tannenbaumformation wurde dann mit einer etwas breiteren, den Raum horizontal besetzenden Dreierreihe im Mittelfeld und einer flexiblen Doppelzehn (aus Junuzovic und Aycicek) gespielt. In anderen Partien war es wiederum ein 4-3-1-2, welches aber immer mal wieder leicht asymmetrisch interpretiert wurde.
Österreichs Legionär Zlatko Junuzovic schob dann auf der linken Halbposition etwas höher, während Fritz sich zurückfallen ließ und den einzigen Sechser bei der Absicherung von eigenen Angriffen unterstützte. Damit sollte die linke Seite verstärkt überladen werden.
Gegen schwächere Gegner nutzten sie unter Skripnik auch ein 4-1-3-2, welches aber anders als bei Dutt nicht mit klassischen Flügelstürmern, sondern den relativ kombinationsstarken, verkappten Zehnern Junuzovic und Bartels besetzt wurde. Außerdem haben sich die Bewegungen innerhalb der Formationen zum Positiven verändert.
Sauberere Abläufe und bessere Umsetzung
Im Vergleich zu Dutt-Zeiten ist eine Verbesserung in der vertikalen Kompaktheit deutlich, dazu werden im Aufbauspiel die Halbspieler besser eingebunden und es gibt öfter 4-3-1-2-Strukturen. Insgesamt sind die gruppentaktischen Bewegungen deutlich harmonischer geworden. Die Spieler bewegen sich passender zueinander, lassen dadurch weniger Räume zwischen sich offen und besetzen den Raum intelligenter.
Das Pressing ist zum Beispiel kollektiver und abgestimmter, die Verschiebebewegungen der Abwehr- und Mittelfeldketten ist sehr gut geworden und im Offensivspiel haben sich die Staffelungen auch verbessert. So gibt es eine bessere Anbindung der Halbpositionsspieler im Aufbau, auch dank der häufigeren 4-3-1-2-Strukturen statt des unter Dutt oft genutzten 4-1-3-2.
Mithilfe dieser besseren Staffelung und einer veränderten Spielphilosophie greift Werder auch seltener zu langen Bällen zurück. Das Spielen von langen Bällen gilt als verpönt unter Skripnik. Dadurch kamen teilweise sogar sehenswerte Kombinationen auf engem Raum zustande, eine davon führte sogar zur Bartels-Vorlage zum 1:0 gegen Bayer Leverkusen an diesem Wochenende.
Auch die etwas instabile Strafraumverteidigung durch z.T. unpassendes Herausrücken oder Probleme in der Abstimmung bei Zweikämpfen und beim Absichern wurde nach der Winterpause behoben. Die Verpflichtung von Vestergaard erwies sich hierbei als hilfreich. Ohnehin ist Skripniks große Stärker auch die bessere Nutzung des spielerischen Potenzials.
Verbesserte Rollenverteilung
Wie im bisherigen Artikel schon erwähnt, wurde mit den Rollen von Aycicek und Junuzovic hinter den Stürmern, der Verpflichtung Vestergaards und der anderen Einbindung der zentralen Mittelfeldspieler viel erreicht. Auch Galvez‘ Versetzung als Aufbauspieler in die Innenverteidigung aus dem defensiven Mittelfeld erwies sich sowohl für die Ballzirkulation als auch für das Defensivspiel als hilfreich. Die Rückkehr Bargfredes und seine Aufstellung als Sechser ist ebenfalls ein weiterer Erfolgsfaktor. Auch di Santo profitiert von diesem veränderten Umfeld und zeigt bessere Leistungen im Sturmzentrum.
Dank seiner Zeit als Jugendtrainer in Bremens Nachwuchsabteilung kennt Skripnik außerdem die Jugendspieler und baut sie passend ein. Lorenzen, der ein ausweichender Mittelstürmer mit guter Athletik ist, wurde beispielsweise ebenso genutzt wie der torgefährliche Selke, der im Sturm als arbeitender und körperlich präsenter Mittelstürmer agiert. Aycicek auf der Zehn ist ebenfalls wichtig. Er ist gut in engen Räumen, kreativ, passstark und stark in der Arbeit gegen den Ball (u.a. 6 Tacklings gegen Paderborn).
Diese Entwicklung der Jugendspieler und der vermehrte Einbau talentierter Nachwuchsspieler dürften auch in den nächsten Monaten weitergehen. Wie einst sein Mentor Thomas Schaaf dürfte Skripnik vermehrt mehr Ballbesitz und Spielkontrolle anstreben. Dafür benötigt er allerdings noch einen weiteren spielstarken, strategisch und technisch guten zentralen Mittelfeldspieler. Mit Julian von Haacke – der leider in letzter Zeit unter einigen Verletzungen litt – steht ein enorm talentierter Spieler dafür bereit.
Langfristig könnte auch Rechtsverteidiger Zander in die Mannschaft rücken. Er erinnert an eine rechtsfüßige, jüngere Version von Daley Blind, der ebenfalls in der Innenverteidigung agieren kann. Zander ist aufbaustark und variabel in der Entscheidungsfindung.
Ansonsten muss Skripnik bis zum Sommer aus dem Kader das machen, was möglich ist. Bisher geschieht dies über die gruppentaktische Sauberkeit, etwas Konterfußball, paar Kombinationsansätze und individuelle Leistungen. Und: es funktioniert.
Rene Maric, abseits.at
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