Jeden Sonntag wollen wir in dieser neuen Serie einen Blick in die Vergangenheit werfen: Wir spielen sozusagen einen Zuckerpass in den Rückraum und widmen... Wiederholung in Zeitlupe (10) – Die Eisernen in der Ersten (KW 21)

Jeden Sonntag wollen wir in dieser neuen Serie einen Blick in die Vergangenheit werfen: Wir spielen sozusagen einen Zuckerpass in den Rückraum und widmen uns kurz und bündig legendären Toren, Spielen, Fußballpersönlichkeiten, Ereignissen auf oder neben dem Platz und vielem mehr. Wir wollen Momente, Begebenheiten, Biografien im Stile von Zeitlupenwiederholungen aus dem TV nochmals Revue passieren lassen. Gedanken machen wir uns dabei über Vergangenes, das in der abgelaufenen Kalenderwoche stattgefunden hat. Dieses Mal drehen wir das Rad der Zeit um zwei Jahre zurück und erinnern uns an den 27. Mai 2019, als der 1. FC Union Berlin erstmals in seiner Vereinsgeschichte in die Bundesliga aufgestiegen ist…

Endlich erste Liga – Knorke, Köpenick, Konkurs.

Mein größter Moment war der Aufstieg mit Union in die Bundesliga. Das wurde auch standesgemäß drei Tage am Stück gefeiert.“, meint Felix Kroos, Ex-Union-Spieler. Mit heiterer Schiffsfahrt, Besuch beim Bürgermeister und reichlich „Berliner Kindl“ feierten die „Eisernen“ den ersten Bundesligaaufstieg in ihrer Geschichte. Den Österreich-Bezug lieferte damals der ehemalige Rapidler Christopher Trimmel, der justament in dieser Aufstiegssaison die Kapitänsbinde übernommen hatte und bis heute bei den Rot-Weißen spielt.

Union ist ein Traditionsverein, der allerdings das Schicksal vieler Berliner Fußballmannschaften teilt: Böse Zungen behaupten, dass an der Spree ballesterisch Hopfen und Malz verloren sei: Es gibt weltweit wohl keine Hauptstadt, die auf Klubebene so schwach vertreten ist wie die deutsche. Dabei gäbe es genügend Potential – so hat man z.B. mit TeBe oder Tasmania alteingesessene Kultklubs, die jedoch sportliche Schattengewächse darstellen, Hertha, die alte Dame, machte jahrzehntelang nur als Fahrstuhlmannschaft und aufgrund von Finanzproblemen Schlagzeilen, der ehemalige DDR-Serienmeister Dynamo grundelt heute in der Regionalliga Nordost herum. Doch zurück zu den „Eisernen“: Gegründet wurden die Rot-Weißen am 17. Juni 1906 als FC Olympia Oberschöneweide von einer Gruppe Gymnasiasten. Man kickte zunächst auf einer ehemaligen Badewiese, direkt am Spreeufer. Nach dem Zusammenschluss mit dem Berliner Thor- und Fußball-Club Union 1892, der 1905 Deutscher Meister geworden war, kam der Name Union ins Spiel.

1920 schlug man seine Zelte im Volkspark Wuhlheide auf, wo man bis heute im legendären Stadion „An der Alten Försterei“ residiert. In den folgenden zwanzig Jahren wuchs „Union-Ob“ – wie der Klub genannt wurde – zu einem respektablen Fußballverein heran und konnte Berliner Meister und deutscher Vize-Meister werden. Nach dem Krieg verbot die Führung der frisch gegründeten DDR den Unionern die Reise nach Kiel zur Endrunde der deutschen Meisterschaft, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion siedelte der Großteil der Mannschaft in den Westen über und gründete dort den Verein neu.

Der im Osten verbliebene Stammklub verlebte fortan turbulente Zeiten: Man wechselte viele Male den Namen und tauschte auch das traditionelle Blau-Weiß, das einst auf die „Blaumänner“ der Spieler, die im Brotberuf als Arbeiter ihr Geld verdienten, zurückzuführen war, gegen die Berliner Stadtfarben ein.

1966 gründete man sich als „1. FC Union Berlin“ neu und beendete seine erste Saison in der DDR-Oberliga als Sechster. Vor der Wiedervereinigung gaben die Süd-Berliner hauptsächlich den Sparringpartner für den Berliner Fußball Club (BFC) Dynamo. Letzterer galt als Lieblingsverein von Stasi-Chef Mielke und wurde mit fairen und unfairen Mitteln zum Seriensieger gepusht. Union fristete dagegen ein Schattendasein, stieg auf und ab und konnte nur ab und an für eine Pokalüberraschung sorgen.

In den 90ern und 2000ern beehrte der Verein von der Oberliga Nordost-Nord bis zur 2. Bundesliga sämtliche Spielklassen. Getreu dem Berliner Motto „Arm aber sexy“ lebte Union von der Hand in den Mund, der Pleitegeier kreiste über der Alten Försterei. Geprägt von Neuanfängen und Scheitern konnte man sich erst ab 2009 dauerhaft als Zweitliga-Team etablieren. Der ganz große Coup – der Aufstieg in die Bundesliga – dauerte (gemäß alter Union-Tradition) länger als geplant: Stets platzierte man sich hinter den Relegationsplätzen, doch in der Saison 2018/19 wendete sich das Blatt: Unter Urs Fischer sammelten die „Eisernen“ eifrig Punkte und hätten schon gegen den VfL Bochum den Aufstieg klarmachen können. Doch die Rot-Weißen scheiterten und mussten zum Relegationsspiel in Stuttgart antreten.

Am 23. Mai 2019 fand der erste Teil des Showdowns statt: Der VfB Stuttgart führte früh, doch Union blieb konzentriert und konnte nur 87 Sekunden nach dem 1:0 der Schwaben ausgleichen. Mario Gomez schoss schließlich einen Berliner Verteidiger an, der unglücklich zur erneuten VfB-Führung ins Tor ableitete. Der erneute Ausgleich von Union war symbolhaft: Nach einem Trimmel-Corner war es nicht der „alte Fritz“, sondern der junge Friedrich, nämlich jener, der mit Vornamen Marvin heißt und beim Gomez‘ Tor zum Pechvogel mutiert war, der die Köpenicker erlöste. Zwei Auswärtstore – die Ausgangslage konnte schlechter sein.

Beim Rückspiel in Berlin feierten die Fans schon die Ankunft des Mannschaftsbusses und illustrierten mit ihrer Choreografie das Motto für den Nachmittag: Herz in die Hand nehmen. Doch sie sollten lange zittern: Die Gäste drückten, ein Freistoßtor wurde wegen Abseits aberkannt und ein vermeintlicher Handelfmeter nicht gegeben. Die Berliner konnten sich nur hie und da befreien und trafen die Stange. Endlich pfiff der Schiedsrichter die Partie ab und mit einer Nullnummer war der Aufstieg in die Bundesliga endlich geglückt! Die Fans explodierten und stürmten den Rasen. Das war der Augenblick auf den sie Jahrzehnte gewartet hatten. Tatsächlich war es nur ihrer Liebe und Beharrlichkeit zu verdanken, dass der Klub überhaupt noch existierte: Sie spendeten für ihre Union, rührten eigenhändig Beton für das legendäre Stadion an, blieben in Oberliga und im UEFA-Pokal „eisern“. Ihre wechselhafte Geschichte, die naturgemäß eng mit jener, der Stadt Berlin verknüpft ist, hat sie geprägt. Sie sehen sich nicht als Repräsentanten der ganzen Stadt, sondern als Köpenicker aus dem Berliner Süden, als Arbeiter, die kick-and-rush lieben, sie sind ein verschworener Haufen – gemäß der von Nina Hagen gesungenen Vereinshymne: „Wir aus dem Osten, gehen immer nach vorn. Schulter an Schulter für Eisern Union.“

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag