Der SC Paderborn sicherte sich am Sonntag mit einem 2:1-Heimsieg gegen den VfR Aalen einen direkten Aufstiegsplatz in die erste deutsche Fußball-Bundesliga, was angesichts... Willkommen in der Bundesliga – das ist der SC Paderborn unter Andre Breitenreiter

SC PaderbornDer SC Paderborn sicherte sich am Sonntag mit einem 2:1-Heimsieg gegen den VfR Aalen einen direkten Aufstiegsplatz in die erste deutsche Fußball-Bundesliga, was angesichts der Voraussetzungen in der 150.000 Einwohner-Stadt eine Sensation ist. Sieht man sich die fußballerische Entwicklung an, die die Ostwestfalen durchliefen, ist dieser Erfolg jedoch die logische Konsequenz.

Der Grundstein des Aufstiegs ist fraglos die überragend starke Frühjahrssaison. Aus den 15 Spielen in diesem Kalenderjahr holte der SCP 33 Punkte – selbst der 1. FC Köln (29) biss sich an dieser Marke die Zähne aus. Dabei erzielte man 31 Tore – ebenfalls der Topwert. Große Namen findet man im Kader dennoch keine, auch der Name des Trainers versprüht zunächst wenig Glanz.

Andre Breitenreiter – der Vater des Erfolgs

Als Spieler kommt Andre Breitenreiter auf gerademal 144 Bundesligaeinsätze für den Hamburger SV, den VfL Wolfsburg und die SpVgg Unterhaching. Paderborn ist für den 40-Jährigen die erste Station als Profi-Trainer, davor betreute er drei Jahre lang den TSV Havelse in der Regionalliga Nord und arbeitete als Scout beim 1. FC Kaiserslautern. In seinem Auftreten reiht er sich nahtlos in die jüngste Reihe der deutschen Fußballlehrer-Welle ein: hohe Fach- und vor allem Sprachkompetenz, zudem demütig und ständig bemüht das Lob der Öffentlichkeit auf das gesamte Trainerteam umzuwälzen.

Seine Spielphilosophie beschreibt Breitenreiter so: „Meine Mannschaften sollen sehr variabel agieren. Ein Wechsel oder gar eine Vermischung verschiedener Systeme muss auch während eines Spiels möglich sein. Eine hohe Ballzirkulation und Effektivität beim Spiel in die Spitze sind Kernaspekte. Wir im Trainerteam entwickeln zudem stets auf den jeweiligen Gegner zugeschnittene Lösungen.“ Dementsprechend ist auch der Kader breit bzw. mit vielen unterschiedlichen Spielertypen aufgestellt.

Heimische „Stars“ und ein Ex-Häftling

Der Stamm des Teams besteht weitestgehend aus Spielern, die aus der Region kommen. Im Tor gibt es beispielsweise mit Lukas Kruse einen gebürtigen Paderborner, der dem SCP bereits 1995 beitrat. Nach kurzen Ausflügen Richtung Dortmund und Augsburg zwischen 2008 und 2010 kehrte er zu seinem Stammverein zurück und gibt einen zuverlässigen Schlussmann, der heuer besonders im Eins-gegen-Eins stark wirkte. Ebenfalls in der Universitätsstadt geboren und dem Verein seit Kindestagen treu ist Christian Strohdiek. Mit mittlerweile 26-Jahren ist der Innenverteidiger zwar nicht mehr der Jüngste, machte aber unter Breitenreiter einen großen Entwicklungssprung.

Auch Mahir Saglik, der mit 15 Toren Torschützenkönig wurde, wuchs in Paderborn auf, zog nach der Jugend allerdings zu vielen weiteren Klubs weiter. So steht neben unter anderem dem VfL Wolfsburg oder St. Pauli auch ein österreichischer Verein auf der Vita des 31-Jährigen. In der Saison 2005/2006 kickte er für die Admira (drei Tore in 23 Einsätzen). Neben dem dynamischen Stürmer gibt es mit Süleyman Koc einen weiteren Spieler mit türkischen Wurzeln.

Die Verpflichtung des 24-jährigen Flügelspielers sorgte durchaus für Aufsehen, denn er war Mitglied einer Berliner Macheten-Bande, überfiel Spielhallen und saß bis 2013 in der JVA Moabit in Berlin, einem der der härtesten deutschen Gefängnisse, hinter Gittern. Dort plagte sich der eigentlich zurückhaltend wirkende Koc angeblich sogar mit Selbstmordgedanken. Paderborn schreckte dennoch nicht zurück und verpflichtete ihn. Er integrierte sich schnell und hat sich zu einer sehr guten Alternative entwickelt.

Starke Ex-BVB-Achse und der Freistoßgott höchstpersönlich

Die tragenden Säulen sind aber andere, etwa Vize-Kapitän Uwe Hünemeier. Der Innenverteidiger wurde bei Borussia Dortmund ausgebildet, bestritt für die Schwarzgelben aber nur rund 230 Bundesligaminuten. Der 28-Jährige, der im letzten Sommer aus Cottbus kam, ist kein spektakulärer, überaus moderner Spieler, dafür aber enorm zuverlässig und vor allem torgefährlich. In seiner ersten Zweitligasaison für Energie erzielte er neun Tore, im Jahr dafür für die Dortmunder Amateure sechs. In der abgelaufenen Saison netzte er zweimal.

Ebenfalls Dortmunder Vergangenheit haben die beiden treibenden Akteure im Zentrum des flexiblen 4-1-4-1/4-4-2/4-2-3-1-Systems. Es sind dies einerseits Mario Vrancic, der die BVB Amateure 2011/2012 mit 14 Toren und neun Vorlagen in die dritte Liga führte und anschließend zum SCP wechselte, andererseits Marvin Bakalorz, der nach einem nicht zufriedenstellenden halbjährigen Gastspiel bei Eintracht Frankfurt im Winter kam. Bakalorz ist ein typischer Box-to-Box-Mittelfeldspieler, der sämtliche defensiven und offensiven Rollen im Zentrum übernehmen kann. Vrancic agiert hingegen stärker spielmachend und verfügt über eine gute Technik und ein starkes Passspiel.

Zudem tritt der 24-Jährige, der vor Kurzem verlängerte, auch gefährliche Standardsituationen, kann dies aber nicht immer zeigen, da Paderborn in Alban Meha jemanden hat, der dies in noch höherer Qualität beherrscht. Der albanische Nationalspieler war schon zu Zeiten von Roger Schmidt einer der wichtigsten Spieler in Paderborn. Zwölf seiner 23 Zweitligatore erzielte er per Freistoß, eines direkt aus einem Eckball. Wie wichtig Meha daher für sein Team ist, sah man insbesondere nach der Winterpause, als er in Köln den Siegtreffer erzielte und eine enge Partie gegen Bochum drehte. Der Spitzname „Snaiper“ ist also nicht unbegründet.

Alexander Semeliker, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

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