Vor dem Start der deutschen Bundesliga an diesem Freitag sind noch eine Fragen zu den jeweiligen Vereinen offen. In dieser Vorschau wird zu jedem Bundesliga-Klub eine spezifische Frage gestellt und beantwortet.
RB Leipzig: Wie kommt die Mannschaft mit den für einen Aufsteiger ungewöhnlich hohen Erwartungen zu recht?
In Sachsen sind die Erwartungen aufgrund des finanziell potenten Sponsors respektive Vereinsbesitzer Red Bull naturgemäß hoch. Auch wenn Sportchef Ralf Rangnick nicht müde wird zu betonen, dass die Zielvorgabe lautet, eine sorgenfreie Saison zu spielen, evozieren Transfers wie Naby Keita oder Timo Werner im Umfeld durchaus höhere Ziele. Zusätzlich tummeln sich im Kader hochveranlagte Spieler wie Lukas Klostermann oder Davie Selke. Jedoch waren die Leipziger bereits in Liga 3 und 2 zum Aufstieg verdammt und konnten dort mit dem Druck umgehen. Nichtsdestotrotz findet der neue Trainer Ralph Hasenhüttl noch einige Lücken in seinem Kader vor. Die Offensive genügt sicher höheren Ansprüchen, wohingegen die auf Kante genähte Defensive den Verantwortlichen kurz vor dem Start noch Sorgen bereitet. Das Ausscheiden in der ersten Runde des DFB-Pokals gegen Dynamo Dresden baut zusätzlichen Druck auf. Falls Leipzig nicht gut aus den Startlöchern kommen sollte, wird es interessant zu sehen sein, wie viel von der in Dauerschleife propagierten Geduld im Umfeld wirklich vorherrscht.
SC Freiburg: Können die Schwächen in der Defensive behoben werden?
Nach dem Ausfall von Innenverteidiger und Leistungsträger Marc-Oliver Kempf war eigentlich der Spanier Marc Torrejon als Backup eingeplant. Dieser verletzte sich zum Leidwesen von Trainer Christian Streich jedoch kurz darauf ebenfalls. Derzeit stehen mit Manuel Gulde und dem jungen Türken Caglar Söyüncü nur zwei etatmäßige Innenverteidiger zur Verfügung, die zudem über wenig bis gar keine Bundesligaerfahrung verfügen. Keine optimale Ausgangslage also vor dem Saisonstart. Im Breisgau schwirren deshalb einige Namen von potenziellen Neuzugängen umher, Konkretes gibt es jedoch bisher nicht zu vermelden. Aus den eigenen Reihen kämen daher als temporärer Ersatz die etatmäßigen Außenverteidiger Aleksandar Ignjovski oder Christian Günter in Frage.
Eintracht Frankfurt: Kann Niko Kovac seiner Mannschaft eine Handschrift verpassen?
Im Zuge des Abstiegskampfes in der letzten Saison trat Kovac vor allem als Motivator auf, der intern für positive Stimmung und Zusammenhalt sorgte und auf dem Platz vorrangig die Defensive stärkte. Über einen kurzen Zeitraum zeigten diese Maßnahmen zwar Wirkung, schließlich hielt die Eintracht schlussendlich die Klasse, über eine gesamte Saison gesehen dürfte diese nicht gerade nachhaltige Herangehensweise jedoch wenig erfolgsversprechend sein. Zumal die SGE bereits in der Schlussphase der letzten Saison ein funktionierendes Offensivkonzept vermissen lies. Beunruhigende Tendenzen in diese Richtung offenbarten sich in der Vorbereitung und in der ersten Pokalrunde erneut. Falls der Kroate es nicht schaffen sollte, in diesem Bereich für eine nachhaltige Verbesserung zu sorgen, wird die Eintracht auch dieses Jahr große Probleme bekommen.
TSG 1899 Hoffenheim: Kann die Mannschaft endlich ihr Potenzial abrufen?
Im Vorfeld der letzten Saison galten die Kraichgauer als „dark horse“, welches durchaus in den Kampf um die internationalen Plätze eingreifen könnte. Bekanntlich kam es anders: Weder Markus Gisdol, noch Huub Stevens schafften es, die potenziellen PS der Mannschaft auf die Straße zu bringen. Folglich rutschte Hoffenheim Spieltag für Spieltag immer tiefer in den Abstiegssumpf. Erst unter Julian Nagelsmann schaffte die TSG den Turnaround und rettete sich schlussendlich souverän vor dem drohenden Gang in Liga 2. Nagelsmann gilt als das große Trainertalent im deutschen Fußball und wird allseits für seine fortschrittlichen Trainingsmethoden und seine taktische Variabilität gelobt. Unter ihm dürfte Hoffenheim einer sorgenfreien Saison entgegensehen und vielleicht sogar wirklich an den Europa League Plätzen anklopfen. Die individuelle Qualität dafür ist jedenfalls vorhanden.
SV Darmstadt 98: Wie verkraften die 98er den personellen Aderlass?
Selbst bei einem nur flüchtigen Blick auf prognostizierte Tabellen für die neue Saison fällt auf, dass die Südhessen ausschließlich den letzten Platz belegen. Neu dürfte diese Tatsache für die Mannschaft um den neuen Trainer Norbert Meier nicht sein, galt man doch ebenfalls vor der letzten Saison als komplett chancenlosen im Kampf um den Klassenerhalt. Etwas verändert hat sich die Ausgangslage jedoch trotzdem, konnte Ex-Trainer Dirk Schuster doch auf den Kern einer euphorisierten Aufstiegsmannschaft setzen. Mittlerweile hat Schuster, genau wie einige Leistungsträger, den Verein verlassen. Ersetzt wurden diese, wie in Darmstadt üblich, durch kostenfreie Leihspieler (Laszlo Kleinheisler, Sven Schipplock) und Akteure, die in ihrem alten Verein nicht mehr wohlgelitten waren (Änis Ben-Hatira). Die große Herausforderung für Meier dürfte darin bestehen, aus den zahlreichen Neuzugängen einen ähnlich verschworenen Haufen wie in der vergangenen Saison zu formen.
Werder Bremen: Wie lange hält das Vertrauen zu Trainer Skripnik?
Bereits nach der letzten Saison stand der Ukrainer trotz des Klassenerhalts schwer unter Beschuss. Innerhalb der Mannschaft betrachtete ein Teil Skripniks Arbeitsweise äußerst kritisch, wobei ihm vor allem taktische Mängel und ein fragwürdiger Führungsstil vorgeworfen wurden. Gerettet haben dürfte Skripnik seine jahrelange Vereinszugehörigkeit, oft auch als „Stallgeruch“ bezeichnet, die ihm intern eine bessere Position im Machtkampf mit Ex-Sportchef Thomas Eichin einbrachte. Eichin schien zum Saisonende nicht mehr sonderlich überzeugt von den Fähigkeiten seines Trainers und wollte Skripnik entlassen. Schlussendlich ging er jedoch als Verlierer aus diesem Kräftemessen hervor; die Vereinsführung entband Eichin von seinen Aufgaben und ersetzte ihn durch Werder-Legende Frank Baumann. Ob das Festhalten an Skripnik wirklich die beste Entscheidung war, daran bestehen nach dem Erstrunden-Aus im Pokal gegen Drittligist Sportfreunde Lotte bereits erste Zweifel.
FC Augsburg: Schafft es Trainer Schuster auch unter besseren Voraussetzungen erfolgreich zu arbeiten?
Was zunächst wie ein Paradoxon wirkt, bringt eine wohl nicht komplett abwegige Befürchtung zum Ausdruck. Schuster schaffte es in Darmstadt unter widrigen Bedingungen eine Mannschaft mit einer klaren Handschrift zu formen. Aus einer stabilen und knochenharten Defensive suchte man über lange Bälle den schnellen Weg nach vorne und überraschte mit diesem antiquiert wirkenden Ansatz viele Mannschaften. Diese Herangehensweise war vor allem der fehlenden individuellen Qualität innerhalb des Darmstädter Kaders geschuldet. Zudem konnte Schuster frei von jeglichem Druck arbeiten, denn wirkliche Erwartungen gab es in Darmstadt vor der letzten Saison nicht. In Augsburg findet der Trainer des Jahres einen deutlich besseren Kader vor, und nach erfolgreichen Jahren unter Vorgänger Markus Weinzierl ist auch die Erwartungshaltung in Augsburg gestiegen. Schafft es Schuster jedoch seinem neuen Team ebenfalls eine eigene Handschrift zu verleihen, dürfte ein Platz im gesicherten Mittelfeld drin sein.
FC Ingolstadt 04: Was kommt nach der Ära Hasenhüttl?
Eins muss man den Ingolstädter zu Gute halten: der Verein hat vor seiner zweiten Bundesligasaison einen mutigen Weg eingeschlagen. Nach dem Abgang von Ralph Hasenhüttl, dem wohl prägendsten Trainer der noch jungen Vereinsgeschichte, verpflichtete Sportdirektor Thomas Linke den Karlsruher Markus Kauczinski als dessen Nachfolger. Der gebürtige Westfale kann zwar einiges an Erfahrung als Trainer vorweisen, hat jedoch noch nie in der Beletage des deutschen Fußballs gearbeitet. Den Verlust der Leistungsträger Benjamin Hübner, Ramazan Özcan und Danny da Costa versuchen die Schanzer durch junge und unerfahrene Spieler zu kompensieren. Sonny Kittel oder Robert Leipertz beispielsweise sind zwar spannende Talente, ob sie jedoch gleich von Beginn an funktionieren, daran bestehen nicht unerhebliche Zweifel. Die Vereinsführung spricht jedoch selbstbewusst vom „Ingolstädter Weg“, der alternativlos sei. Immerhin konnte die Achse Marvin Matip, Roger und Pascal Groß gehalten werden.
Hamburger SV: Vorne hui – hinten pfui?
Die von Investor Klaus-Michael Kühne gesponserte Transferpolitik des HSV kann mit Fug und Recht als mutig bezeichnet werden, verpflichtete Sportchef Dietmar Beiersdorfer bisher doch ausschließlich Offensivspieler. In der Innen-und Außenverteidigung, sowie auf der Sechser-Position, wirken die Hanseaten qualitativ, wie quantitativ unterbesetzt. Im Angriff haben die Hamburger mit Rekordtransfer Filip Kostic und Supertalent Alen Halilovic zwar ordentlich Speed und Klasse hinzugewonnen, auf der Sechs fehlt jedoch beispielsweise noch ein echter Abräumer. Auch die Außenverteidiger Matthias Ostrzolek, Gotoku Sakai und Dennis Diekmeier stehen für biederen Durchschnitt oder Schlimmeres. In der Innenverteidigung steht mit Johan Djorou und Altklopper Emir Spahic zwar ein verlässliches Duo zur Verfügung, dahinter schaut es jedoch düster aus oder würde jemand Cleber als seriösen Bundesligaverteidiger bezeichnen? Eben! Offensivspieler scheinen Kühne, der ein Vetorecht bei Transfers besitzt, leichter vermittelbar zu sein. Dennoch muss man sich um den HSV in dieser Saison wohl keine ernsthaften Sorgen machen; was bereits einen Fortschritt gegenüber den letzten Jahren bedeuten würde.
Ral, abseits.at
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