Aaron Ramsey: Von der Lachnummer zum Superstar?
England 31.Oktober.2013 Rene Maric 2
Zurzeit liegt der Arsenal FC auf Platz 1 der englischen Liga, nachdem er in den vergangenen Jahren eher um Platz 4 mitgespielt hatte und wegen den regelmäßigen Abgängen von Schlüsselspielern zu Saisonende fast zu einem Ausbildungsverein zu verkommen schien. Als ursächlich für den Aufschwung wird oftmals der Transfer Mesut Özils aufgeführt. Der deutsche Nationalspieler und Weltklassezehner ist aber nicht der einzige Grund dafür, schon in der vergangenen Rückrunde legte Arsenal eine tolle Serie hin: Sie holten 40 Punkte, nur United hatte in der zweiten Saisonhälfte mehr, desweiteren schafften die Gunners acht Siege in den letzten neun Partien. Ein Spieler steht sinnbildlich für den Aufschwung.
Eigentlich gilt Jack Wilshere als größtes Talent auf der britischen Insel, spätestens seit seiner herausragenden Leistung gegen den FC Barcelona 2011 wird er als kommender Weltklassespieler gesehen. Doch diese Saison ist ein anderer Jungstar ins Rampenlicht getreten, nämlich Aaron Ramsey. Für den Waliser war es aber ein steiniger Weg dorthin.
Die Erwartungshaltung an junge Spieler war hoch. Für einige war unter anderem Ramsey der Grund, wieso Arsenal in den vergangenen Jahren nicht mehr um den Titel mitkämpfte. Zu lange wurde auf Jungstars und ihre Entwicklung gewartet, es gab zu wenige Topspieler im Kader und es konnten keine geholt werden, um Wengers ominösem „Zehn-Jahres-Plan“ mit seinen jungen Akteuren nicht den Platz zu rauben. Ramsey wurde sogar als Internet-Meme berühmt: Immer, wenn er ein Tor erzielt, so hieß es, stirbt eine berühmte Persönlichkeit.Dies lag auch schlicht daran, dass er wenige Tore schoss.
In dieser Saison wäre das gar nicht mehr möglich: In nur 14 Spielen traf er schon neunmal für Arsenal. In den vergangenen zwei Saisonen kam er auf nur fünf Tore in 91 Spielen. Ursache dafür ist neben Arsenals größerer Durchschlagskraft nach vorne und den besseren Offensivstrukturen mit Olivier Giroud in Form und Mesut Özil auch eine individuelle Veränderung bei Ramsey.
Im Jahr 2010 verletzte sich Ramsey nämlich im Alter von nur 19 Jahren schwer gegen Stoke City. Ein doppelter Schien- und Wadenbeinbruch nach einem Einsteigen von Ryan Shawcross machte eine hoffnungsvolle Karriere beinahe kaputt. Die Reha verlief zwar gut, bereits nach etwas mehr als einem halben Jahr stand Ramsey wieder auf dem Platz, ihm wurde aber ein großer Teil seiner Entwicklung genommen. Mental hatte er ein Problem, er ging nicht ordentlich in die Zweikämpfe und Dribblings, es fehlten die Automatismen und Laufwege. Auch physisch konnte er seine intensive Spielweise nicht konstant durchziehen, litt oft unter Wadenproblemen.
Diese Saison zeigt Ramsey aber seine Klasse.
Ein moderner box-to-box-Spieler
Dank seiner Laufstärke, seiner Dynamik und seiner technischen Vielfältigkeit kann Ramsey mehrere Positionen übernehmen. So spielte er gegen Napoli zum Beispiel als Rechtsaußen und bereitete den Treffer von Mesut Özil vor. Mit einem schnellen Sprint entlang der Outlinie bespielte er einen von ihm erkannten offenen Raum und zog nach Pass Girouds fast bis an die Grundlinie. Von dort spielte er einen scharfen Pass in den Rücken der Abwehr im Strafraum und zeigte seine ganze Übersicht.
Ramsey kann über beide Flügel auf diese Art und Weise kommen, immer wieder geht er intelligent in offene Räume, sucht Kurzpasskombinationen und kann mit seiner Technik und seinem Antritt auch durch Einzelaktionen gefährlich werden. Im Verbund mit seiner Laufstärke macht ihn dies zu einem defensivstarken und kreativen Außenspieler, wie sie Wenger schon seit den Tagen Robert Pires‘ überaus gerne hat. Immer wieder kann Ramsey auf dem Flügel mit seiner Antizipation und seinem Raumgefühl Pässe abfangen, seine körperliche Stärke erlaubt es ihm Zweikämpfe zu gewinnen und mit dem Ball am Fuß kann er diagonal in die Mitte ziehen, schnelle Doppelpässe spielen und dem Rechtsverteidiger Räume öffnen.
Dieses Schema konnte zum Beispiel in der Partie gegen Napoli sehr gut in der ersten Hälfte beobachtet werden:
Seine Idealposition befindet sich aber dennoch in der Mitte. Zwar darf er als Außenspieler immer wieder in die Mitte rochieren und wird vom auf den Flügel ausweichenden Özil dabei unterstützt, doch er ist noch stärker, wenn er aus der Mitte einen breiteren Aktionsradius hat und als offensiver oder defensiver Achter in einem 4-1-2-3 agiert. Beide Laufwege sind in obigem Video zu sehen und bei Letzterem wirkt der Fußball von Arsenal noch eine Spur freier, noch etwas raumgreifender und beweglicher, da Ramsey mit seiner Dynamik und einer gewissen Durchsetzungskraft schnell auf den Flügel geht.
Dank seiner Fähigkeiten in engen Räumen und seiner guten Ballbehauptung muss er dabei gar nicht so weit auf den Flügel gehen, sondern nur etwas Raum in den Halbräumen finden, um anspielbar zu sein. Er kann dann von dort aus entweder auf den Flügel ziehen, sich zurück in die Mitte bewegen oder als „Nadelspieler“ fungieren – er spielt auch in engen Räumen sehr gute Pässe, kombiniert extrem schnell und präzise oder kann sich mit Dribblings aus diesen Engen befreien.
Außerdem wird sein Raumgespür und diese Fähigkeiten in der Ballbehauptung unter Druck im Aufbauspiel gut eingebunden; in obigem Video ist dies in der zweiten Hälfte gut zu sehen, wo sich Ramsey zum Beispiel bei ab 5:30 mehrmals in der Mitte zurückfallen lässt und sich anbietet. Seine Leistung und sein Potenzial in der Mitte sind in der Partie gegen Norwich City nach seiner Einwechslung noch besser zu sehen gewesen.
Fazit und kleine Kritik
Allerdings ist Ramsey trotz seiner herausragenden Fähigkeiten noch keineswegs am Zenit angekommen; er befindet sich eher in einer sehr positiven Stufe seiner Entwicklung, die noch nicht ausgereift ist und wegen der bestimmten Art zu spielen auch fehleranfällig ist.
So wurde Ramsey bereits von Arsene Wenger dafür kritisiert, dass er defensiv etwas zu ähnlich spielt, wie er es in der Offensive macht – er verlässt seine Position, spielt sehr frei und sehr aggressiv, wodurch er Lücken in die eigene Defensive reißt. Schafft er es seine Aggressivität und Dynamik im Defensivspiel noch intelligenter, dosierter und fokussierter einzubringen (er kommt zurzeit auf 4,4 Tackles pro Spiel, ein extrem hoher Wert in dieser Saison), dann könnte er sogar defensiv eine absolute Waffe werden.
Außerdem ist er nach wie vor noch nicht perfekt im höchsten Niveau und das Tempo etabliert, was das Umschaltspiel betrifft; offensiv wie defensiv mangelt es ihm hier an Struktur und Automatismen, obgleich davon ausgegangen werden kann, dass daran noch gearbeitet werden wird. Und dann könnte Ramsey durchaus ein Kandidat zum Spieler der Saison sein, wie von vielen Experten bereits vermutet wird.
Rene Maric, abseits.at
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Rene Maric
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