Arsenal gegen Southampton: Eine Pressingschlacht und die Reaktionen darauf
England 24.November.2013 Alexander Semeliker 1
Während im deutschsprachigen Raum alles dem Topspiel in der deutschen Bundesliga zwischen Borussia Dortmund und Bayern München entgegenfieberte, fand auf der Insel ebenfalls ein Spitzenspiel statt. Tabellenführer Arsenal empfing den Dritten aus Southampton. Beide Mannschaften imponierten dabei mit gutem Pressing.
Die Saints gelten als Überraschungsteam der Saison, was vor allem mit ihrem guten Spiel gegen den Ball zusammenhängt. Einige sahen den Trainerwechsel von Nigel Adkins zu Mauricio Pochettino durchaus kritisch, immerhin führte ersterer den Verein innerhalb von zwei Saisonen aus der drittklassigen League One in die Premier League. Zudem befand sich Southampton zum damaligen Zeitpunkt auch außerhalb der Abstiegsränge.
Southamptons Pressing: hoch und leidenschaftlich
Der Argentinier setzte aber eins drauf und zwang mit seinem Team namhafte Klubs in die Knie. Wenn man sich das Pressing der Saints ansieht erkennt man, dass sie nicht umsonst in derart hohen Tabellenregionen verkehren. Die englische Premier League definierte sich in den letzten Jahren in erster Linie über die individuelle Klasse einzelner Spieler als über gruppentaktisch saubere Abläufe. Dies machte sich Pochettino zunutze, indem er seinem Team derartige Mechanismen aneignete.
Individuell kann Southampton mit den Topklubs nicht mithalten, allerdings sorgt die kollektiv starke Spielweise, dass man sich im Spitzenfeld der Liga festsetzen konnte. Geschlossen setzt man den Gegner unter Druck, jagt ihm den Ball ab und ist danach um Kontrolle bemüht. Meist folgt ein Sicherheitspass um dann geordnet nach vorne zu spielen. Gelingt die direkte Balleroberung nicht, zwingen sie den Gegner zumindest zu einem langen Ball. Eine solche Szene aus dem Spiel gegen Arsenal wollen wir uns genauer ansehen.
Man erkennt hier Southamptons grundsätzliche Pressingformation, ein 4-4-2. Der linke Flügelspieler, Jay Rodriguez, hat in dieser Aktion nach vorne geschoben und ist zunächst den Torhüter angelaufen. Dieser spielte auf den rechte Innenverteidiger, der zunächst viel Zeit hat, da Rodriguez erst nach hinten laufen muss. Allerdings fehlen dem Arsenal-Spieler die Anspielmöglichkeiten.
Der rechte Innenverteidiger ist von Southamptons zweitem Stürmer zugestellt und nach vorne sieht er sich zwei Gegenspielern gegenüber. Die beiden attackieren ihn jedoch nicht unmittelbar, sondern konzentrieren sich darauf, flache Pässe entlang der Grundlinie zu verhindern. Der linke Mittelfeldspieler hat den gegnerischen Rechtsverteidiger im Deckungsschatten, zudem schiebt der linke Sechser ebenfalls zur Seite um auf einen etwaigen gehobenen Ball in den Halbraum gehen zu können. Bei einem derartigen Szenario würden zudem der rechte Sechser und der linke Mittelfeldspieler rückwärtspressen und die Pressingfalle würde zuschnappen.
Eine weitere Pressingfalle sieht man im Zentrum. Ein Pass auf den nach hinten rückenden Sechser wäre zwar prinzipiell möglich, allerdings lauern hinter ihm zwei Spieler. Diese würden ihn umgehend attackieren oder aufgrund der großen Distanz zum Ballführenden den Ball sogar sofort erobern können und anschließend einen Überzahlkonter starten. Auf der ballfernen Seite stehen zwar drei Arsenal-Spieler frei, aufgrund dessen, dass der Druck durch den Stürmer schon hoch ist und ein Fehlpass dementsprechend wahrscheinlich ist, folgt allerdings ein Rückpass zum Torwart, der dann abschlägt.
Arsenals Pressing: gut durchdacht und geschlossen
Doch nicht nur Southampton überzeugte mit einem guten Pressing, sondern auch das der Gastgeber war anspruchsvoll und vor allem gut durchdacht. Sie attackiert vor allem die Schlüsselstellen der Saints. So konzentrierte sich Mikel Arteta, der tiefere und spielaufbauende Sechser in Arsenals 4-2-3-1, in der Defensive darauf, die Kreise von Adam Lallana zu stören. Der 25-Jährige agierte als Zehner und ist einer der wichtigsten Kreativspieler in Pochettinos Team. Eine weitere Charakteristik im Spiel von Southampton ist es, wie eingangs erwähnt, Kontrolle über den Ball zu haben.
Dementsprechend ist man bemüht, den Ball von hinten flach herauszuspielen. Das gilt auch für Torhüter Artur Boruc, der im Schnitt 16 lange Bälle pro Spiel schlägt. In diesem Spiel provozierte Arsenal beim Polen fast doppelt so viele. In einem, wohl spielentscheidenden Moment, wollte dieser auf einen langen Ball verzichten und ging sogar ein Dribbling gegen Arsenals Stürmer Olivier Giroud ein. Der Franzose gewann den Zweikampf und erzielte in der 22. Minute den 1:0-Führungstreffer.
So schlecht Boruc dabei auch aussah, man sah in dieser Aktion auch, dass Arsenals Pressing äußert gut war. Im obigen Bild erkennt man, dass die Londoner kollektiv sämtliche Anspielstationen in der gegnerischen Hälfte zustellen. Jedes Zuspiel hätte Southampton in dieser Situation in eine eins-gegen-eins-Situation gebracht. Wäre einer dieser Zweikampf verloren gegangen, hätte Arsenal einen kurzen Weg zum Tor und die Gefahr auf ein solches wäre relativ groß gewesen.
Was man aus Southamptons Sicht kritisieren muss ist, dass der Rechtsverteidiger hier falsch agiert. Er spielt den Ball zunächst richtigerweise nach hinten, orientiert sich dann allerdings sofort nach vorne. Dadurch verschwindet er im Deckungsschatten von Arsenals linkem Mittelfeldspieler, nimmt seinem Keeper dadurch eine entscheidende Anspielstation. Hätte er sich zusätzlich fallen gelassen, hätten sich für Southampton zwei erfolgsversprechende Szenarien ergeben. Würde er sich fallen lassen, stünde der linke Mittelfeldspieler von Arsenal vor der Entscheidung, ihm zu folgen oder weiter beim Innenverteidiger zu bleiben.
Aufgrund dieser drei-zu-zwei-Überzahl wäre die Aussicht, sich vom Druck befreien zu können größer. Zudem würde sich durch das Vorrücken des linken Arsenalspielers die Möglichkeit eines gehobenen Balls hinter ihn ergeben. Da ihnen vom Gegner jedoch kaum Zeit gelassen wird um derartige Szenarien durchzugehen, treffen weder Boruc noch der rechte Außenverteidiger in dieser Entscheidung intuitiv die richtige Entscheidung und ihr Team muss eine empfindliches Gegentor hinnehmen.
Unterschiedliche Reaktionen mit unterschiedlichem Erfolg
Interessant waren in dieser Partie auch die Reaktionen auf das jeweils starke Pressing des Gegners. Arsenal-Manager Arsene Wenger beorderte seinen Zehner Mesut Özil nach rechts, da der Deutsche im dichten Zentrum zu Beginn kaum Bälle bekam. In der Folge überlud dieser gemeinsam mit Jack Wilshere und dem extrem offensiven Bacary Sagna die defensiv schwache linke Defensivseite der Saints. Damit umging man gleichzeitig das starke Zentrum – Victor Wanyama und Morgan Schneiderlin eroberten zusammen 18 Bälle. Unterm Strich griff Arsenal in 49% aller Fälle über rechts an – zentral waren es nur 18%.
Demgegenüber standen die kaum von Erfolg gekrönten Umstellungen von Pochettino, der zunächst den überforderten Linksverteidiger Luke Shaw rausnahm und dann Lallana mit Pablo Osvaldo ersetzte. Der Italiener sollte für mehr physische Präsenz bei den langen Bällen sorgen, konnte sich allerdings kaum in Szene setzen. Nichtsdestotrotz zeigte dieses Spiel, dass auch in der Premier League mittlerweile das Pressing als Mittel, um Zugriff auf das Spiel zu bekommen, auf den Vormarsch ist. Dass mit Liverpool und Arsenal zwei Mannschaften an der Spitze stehen, die dieses Mittel besonders gut einsetzen, dürfte also kein Zufall sein.
Alexander Semeliker, abseits.at
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Alexander Semeliker
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