Arsenal in der Krise (3) – Verletzungsmisere kein Zufall?
England 10.November.2014 Rene Maric 2
Seit 2005 hat Arsenal nur einen Titel geholt; den FA-Cup in der vergangenen Saison. Lange Zeit wurden Wenger mangelnde Investitionen vorgeworfen. Gleichzeitig wurde von seinen Anhängern entgegengehalten, dass dieser Sparkurs benötigt sei, um das neue Stadion und weitere infrastrukturelle Projekte zu finanzieren. Das hat sich allerdings in den letzten zwei Jahren verändert: 102 und 52 Millionen wurden in den vergangenen zwei Jahren ausgegeben, das für ein Minus von ungefähr 130 Millionen Euro auf dem Transfermarkt sorgte; somit erwirtschaftete man deutlich weniger mit Abgängen als in den Jahren zuvor und gab extrem viel aus.
Deswegen sind die kritischen Stimmen gegenüber Arsene Wenger in dieser Saison aber nicht leiser geworden. Die Ursachen dafür liegen auf der Hand – seit Jahren. Dieser Artikel soll diese Kritiken nochmal analysieren und näher betrachten. Im ersten und zweiten Teil geht es vorrangig um die Transfers der vergangenen vier Saisonen mit einem Fokus auf die relevanten Wechsel und die taktischen Konsequenzen davon; auch wird eine generelle Kaderbetrachtung angeschnitten. Der dritte, vierte und fünfte Teil beschäftigen sich mit konkreten taktischen Problemen und den Lösungsmöglichkeiten.
Verletzungen – und Wengers Anteil daran
In diesem Teil geht es vorrangig um die Taktik – dennoch sind Verletzungen hier ein enorm wichtiger Aspekt, was oftmals übersehen wird. Denn Verletzungen limitieren die taktischen Variationsmöglichkeiten; fehlt die Hälfte der Mannschaft, gehen natürlich auch bestimmte Spielertypen gezwungenermaßen verloren und das vermindert die Anzahl der Anpassungsmöglichkeiten an den Gegner. Desweiteren verhindern Verletzungen auch das Einspielen der Spieler. Wenn sie im Training oftmals miteinander agieren und man im Spiel häufig die bestmögliche Mannschaft nutzen kann, dann lernen sie einander kennen. Abläufe werden dadurch automatisiert, die Laufwege der Mitspieler ergänzen sich besser und das Kollektiv agiert insgesamt harmonischer.
Doch was hat Arsene Wenger damit zu tun? Verletzungen werden meist auf „Pech“ zurückgeführt; dies ist auch öfters der Fall. Schwere Beinbrüche nach rustikalen Fouls wird man nie dem Trainer zuweisen können und oftmals geschehen Verletzungen auch nach privatem Fehlverhalten. Allerdings ist es wissenschaftlich erwiesen, dass Trainer bestimmte Verletzungmuster zu verantworten haben und diese bei Vereinswechseln „mitnehmen“ sowie generell für viele Verletzungen ihrer Spieler (insbesondere muskulärer Natur und bei Bänderverletzungen) sorgen. Doktor Jan Ekstrand, Professor der Sportmedizin und Vizepräsident des medizinischen Komitees der UEFA, konnte dies in vielen Studien nachweisen und ist auch verantwortlich für den medizinischen Report der UEFA.
Wengers Verletzungsmisere in den fünf Jahren ist aufsehenerregend. Überbelastung, mangelnde Rotation, zu voluminöses Training und nicht-fußballspezifisches Fußballtraining dürften hierfür die Gründe sein. Dass Wenger vor kurzem den früheren Athletiktrainer feuerte und einen Experten aus dem American Football als dessen Ersatz einstellte, spricht Bände. Durch unspezifisches Konditionstraining werden nicht die richtigen Muskelgruppen trainiert, viele Aspekte wie abrupte Bewegungen, Drehungen und die Mischung aus körperlicher und geistiger Belastung sowie das Zusammenspiel komplexer Abläufe im Inneren des Athleten werden vernachlässigt. Die Gesamtheit führt mit der Ermüdung zu Verletzungen; die Expertise dieses Fitnesscoaches ist also nicht auf den Fußball anwendbar, weil der Fußball komplett andere Anforderungen stellt.
Die Statistik spricht ohnehin seit Jahren gegen Wenger und seine Trainingsmethoden:
Verletzungen unter Wenger in der Saison 2010/11
Verletzungen unter Wenger in der Saison 2011/12
Verletzungen unter Wenger in der Saison 2012/13
Verletzungen unter Wenger in der Saison 2013/14
Verletzungen unter Wenger in der Saison 2014/15
Der Anteil von Verletzungen an allen Spielern ist enorm; und ist noch „beeindruckender“, wenn man jene Spieler aus der Wertung nimmt, die keine Spiele gemacht haben. Es ist wohl ein Mitgrund für einen der größten Problemfaktoren Wengers in den vergangenen Saisonen; das schwache Pressing.
Geringe Pressingintensität und mangelnde Harmonie der Abläufe
Die Verletzungen sorgen nicht nur für weniger Zeit auf dem Trainingsplatz, weniger Zeit mit den Mitspielern gemeinsam, sondern wohl auch für eine Rücknahme der verlangten Intensität Wengers. Gerüchten zufolge soll er sogar Alexis Sanchez in den letzten drei Spielern geraten haben weniger zu pressen, um sich nicht zu übermüden und daraufhin zu verletzen; obgleich Muskel- und generell Überlastungsverletzungen primär aus falschem Training und Überbelastung vor dem Spiel entstehen. Ob das Gerücht stimmt oder nicht, so ist dennoch klar, dass die Verletzungen eine solche taktikpsychologische Auswirkung haben können.
Es fällt beim Analysieren von Arsenals Spielen häufig auf, dass die Intensität im Pressing und auch in der Formation selbst im Vergleich zu Mannschaften wie Dortmund, Bayern, Real und auch anderen Topmannschaften klar abfällt. Einerseits ist generell die Dynamik im Attackieren nicht so hoch; die Stürmer leiten das gegnerische Aufbauspiel nicht sauber und es scheint keine komplexen formativen Bewegungen oder gruppentaktischen Mechanismen zu geben.
Bei Barcelona unter Guardiola, dem Paradebeispiel für eine spielstarke und körperlich unterlegene, aber sehr aggressive und intensive Mannschaft, konnte man die Gründe dafür, wann beispielsweise der Achter im 4-3-3 (oder auch im 4-1-4-1) herausrückt und wie genau er den Gegner anläuft und presst, klar erkennen. Generell gab es zahlreiche und gut einstudierte Auslöser für das Pressing.
Bei Arsenal wirkt es eher improvisiert, die Stürmer starten das Pressing gar nicht oder alleine, das Kollektiv muss dann nachziehen, was entweder nicht schnell genug oder gar nicht passiert. Passiert es nicht schnell genug, dann kann der Gegner die erste Pressinglinie überspielen, hat offenen Raum und Zeit vor der zweiten Reihe, die auf ihn zuläuft. Gegen deren Laufrichtung können daraufhin Pässe erfolgen, welche für einfachen Raumgewinn und schnelle, erfolgreiche Angriffe hinter Arsenals Abwehr sorgen. Folgen die anderen Akteure den Stürmern nicht nach im Pressing, können die Offensivspieler sehr leicht überspielt werden, wodurch der Gegner eine Ebene höher das Spiel in Ruhe aufbauen, den Ball zirkulieren und generell weiter aufrücken kann.
Darum hat das versuchte Pressing Arsenals in den letzten Jahren abgenommen. In den vergangenen zwei Saisonen steht man in den meisten Spielen durch eine etwas tiefere Abwehr und verbesserte Zentrumspräsenz wie Strafraumverteidigung stabiler, erhält auch dank des hohen Ballbesitzes etwas weniger Tore, als die Stabilität es suggerieren würde, doch ohne ein starkes Pressing ist man auf höchstem Niveau nach wie vor defensiv anfällig. Das ist insbesondere nach Ballverlusten der Fall, wo es keine klare Richtlinie zu geben scheint. Manche Akteure bleiben stehen, andere eilen nach hinten zurück und andere wiederum versuchen mit aggressivem Gegen- oder Konterpressing den gegnerischen Konter zu verhindern.
Letzteres wird zwar gelegentlich fokussierter probiert, funktioniert aber aus vielerlei Gründen nicht. Eine Ursache dafür sind die Abstände innerhalb der Formation und auch zum Gegner hin, welche das Pressing nicht gut vorbereiten, für defensive Instabilität im Mittelfeld sorgen und auch ursächlich für den Umschaltmoment sind.
Dieser taktische Aspekt wird im vierten Teil ebenso unter die Lupe genommen, wie auch die offensiven Probleme.
René Maric, www.abseits.at
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Rene Maric
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