Arsenal in der Krise (4) – Kompaktheitsprobleme und schwaches Umschaltspiel
England 11.November.2014 Rene Maric 0
Seit 2005 hat Arsenal nur einen Titel geholt; den FA-Cup in der vergangenen Saison. Lange Zeit wurden Wenger mangelnde Investitionen vorgeworfen. Gleichzeitig wurde von seinen Anhängern entgegengehalten, dass dieser Sparkurs benötigt sei, um das neue Stadion und weitere infrastrukturelle Projekte zu finanzieren. Das hat sich allerdings in den letzten zwei Jahren verändert: 102 und 52 Millionen wurden in den vergangenen zwei Jahren ausgegeben, das für ein Minus von ungefähr 130 Millionen Euro auf dem Transfermarkt sorgte; somit erwirtschaftete man deutlich weniger mit Abgängen als in den Jahren zuvor und gab extrem viel aus.
Deswegen sind die kritischen Stimmen gegenüber Arsene Wenger in dieser Saison aber nicht leiser geworden. Die Ursachen dafür liegen auf der Hand – seit Jahren. Dieser Artikel soll diese Kritiken nochmal analysieren und näher betrachten. Im ersten und zweiten Teil geht es vorrangig um die Transfers der vergangenen vier Saisons mit einem Fokus auf die relevanten Wechsel und die taktischen Konsequenzen davon; auch wird eine generelle Kaderbetrachtung angeschnitten. Der dritte, vierte und fünfte Teil beschäftigen sich mit konkreten taktischen Problemen und den Lösungsmöglichkeiten. In diesem Teil geht es insbesondere um Offensiv- und Staffelungsprobleme.
Kompaktheitsprobleme und schwaches Umschaltspiel
Ein besonders schwerwiegendes Problem Arsenals, welches sich vorrangig auf internationaler Bühne zeigt, ist ihre mangelnde Kompaktheit in der Arbeit gegen den Ball. Insbesondere beim ballorientierten Verschieben auf den Flügel fällt der Mangel an horizontaler Kompaktheit auf, wodurch sie nicht so viel Druck auf den Ballführenden ausüben können. Die mangelnde Kompaktheit verhindert nämlich eine Absicherung der attackierenden Flügelstürmer und Außenverteidiger, die zentralen Akteure müssen die Mitte sichern, weil die ballfernen Spieler meistens weit weg vom Ball stehen. Dadurch können die zentralen Spieler nicht auf den Ballführenden gehen und die Außenspieler unterstützen, was zu einer geringen Erfolgsquote führt.
Außerdem sind die Abstände in der Mitte größer, als es bei einem Einrücken der ballfernen Spieler der Fall wäre. Dadurch kann der Gegner sich entweder direkt durch diese Lücken mit einer höheren Erfolgswahrscheinlichkeit durchkombinieren oder aber die Seite wechseln, über die offenen Räume nach vorne zu kommen und generell mit weniger Druck den Ball zirkulieren lassen. Auch die vertikale Kompaktheit ist oftmals unpassend, teilweise sind es bis zu zwanzig Meter Abstand zwischen den jeweiligen Linien; neben der verringerten Intensität und Zugriffsmöglichkeiten im Pressing sorgt dies auch für Probleme nach Balleroberungen. Schnelle Konter sind kaum möglich, weil die Spieler zu weit auseinanderstehen. Bis eine Anspielstation gefunden und der Ball weitergespielt wurde, kann der Gegner mit gutem Gegenpressing, wie es der BVB und der FC Bayern gegen Arsenal in den vergangenen drei Jahren mehrfach bewiesen, Kontermöglichkeiten schnell verhindern. Aber nicht nur in diesen Situationen sind die Abstände bei Arsenal suboptimal.
Unpassende Abstände und Strukturen im Aufbauspiel
Auch in eigenem Aufbauspiel sind die Distanzen der Spieler zueinander sowie ihre Sichtfelder und Abspielmöglichkeiten häufig unpassend organisiert. Der Sechser steht oftmals zu nahe an den Innenverteidigern, ohne wirklich zwischen sie abzukippen; selbst wenn er dies tut, fächern die Innenverteidiger aber nicht breit auf, wodurch sie nicht die optimale Raumfläche besetzen. Der Gegner tut sich dadurch einfacher beim Verteidigen, weil weniger Passwinkel und –möglichkeiten vorhanden sind, außerdem tun sich die anderen Spieler Arsenals schwerer beim Freilaufen.
Die Außenverteidiger können beispielsweise nicht weit nach vorne aufrücken, die Flügelstürmer müssen dementsprechend länger Breite geben oder sind beim Einrücken effektiver aus dem Spiel zu nehmen. Die Achter oder auch der zweite Sechser und der Zehner (je nach Staffelung und Rollenverteilung im Mittelfeld) müssen sich auch weiter zurückfallen lassen, um sich für die tiefen und zu eng aneinander stehenden Innenverteidiger und Sechser anzubieten.
Dadurch werden die Zonen auf dem Spielfeld nicht ordentlich besetzt. Der Gegner muss nur bestimmte Zonen und Passmuster ordentlich verteidigen, um das Aufrücken Arsenals in die gefährlichen Räume zu verhindern; zwar kann Arsenal durch einzelne taktische Muster, ihre individuelle Qualität und ihre technisch hochwertigen Kurzpässe schwächere und weniger kompakte Gegner trotzdem dominieren, aber gegen intensiv pressende Mannschaften werden die schwache Raumaufteilung und die damit einhergehenden instabilen Verbindungen aufgezeigt.
Zusätzlich fällt auf, dass in diesen Partien auch die Offensivspieler – allen voran Mesut Özil – überraschend schwache Leistungen und kaum vorhandene Laufwege zeigten. Ursache dafür sind häufig unpassende positionelle Besetzungen und Verantwortungen.
Mittelmäßige Flexibilität und simplifizierende Gegneranpassungen
Das bisher übliche Überladen der Mitte durch einen einrückenden Flügelstürmer und die diagonalen Läufe eines anderen Flügelstürmers nach vorne wird oftmals von unterschiedlichen Spielertypen und gegen eine Vielzahl von Gegnern praktiziert. Häufig scheinen grundsätzliche taktische Muster durch das eigene Spielermaterial festgelegt zu sein, aus dem Kader vor Saisonbeginn geplant und eintrainiert, um dann mit möglichst gleichbleibendem Spielermaterial abgerufen zu werden.
Wirkliche Änderungen geschehen anscheinend fast nur dann, wenn Wenger wieder einen seiner Spieler verletzt hat, und nicht wegen taktischer Ursachen; oder wegen simpler strategischer Beweggründe wie z.B. einen defensivstärkeren Spieler anstatt eines offensiveren auf der gleichen Position gegen größere Mannschaften. Vielfach gab es auch Umstellungen auf ein 4-1-4-1, wenn man gegen stärkere Mannschaften spielte, was zurzeit sogar die Stammformation darstellt. Aber wirklich größere Anpassungen sind Mangelware, wenn man sich zum Beispiel José Mourinho, Pep Guardiola oder auch Jürgen Klopp als Vergleichsmaterial nimmt.
Hier werden nicht nur die Formationen verändert, sondern die Pressingabläufe, die Aufbaustrukturen, bestimmte fokussierte Rollen, die Bewegungsmuster einzelner Zonen, usw. usf. Die passende Anpassung an den Gegner steht vor jedem Spiel im Vordergrund und bildet die Grundlage für die Marschroute an das nächste Spiel. Bei Wenger ist eine solche Flexibilität und präzise Anpassung nicht wirklich zu erkennen. Er wurde deswegen nicht nur von den Fans, sondern sogar schon von einzelnen Trainerkollegen und Experten kritisiert.
Am lautstärksten war hierbei „Big Sam“ Allardyce, der Trainer von West Ham United:
„There are two types of coaches. There’s coaches like me who weigh up the opposition and ask the team to adjust. Fergie was similar. Jose [Mourinho] is similar. Then there’s Arsene, who won’t adjust.(…) Their philosophy is different to ours. Ours is more about who are we playing against. Their philosophy is more, ‘We always play this way’, and they won’t change, they carry doing on the same thing. That’s why you can beat them.“
Zwar ist dies übertrieben, da Wenger durchaus einzelne taktische Sachen und die grundsätzliche Ausrichtung einzelner strategischer Punkte variiert (Höhe des Pressing z.B.), doch die Aussage zeigt durchaus ein Problem Wengers.
Darum wird im fünften Teil dieser Serie analysiert, welche Möglichkeiten und Veränderungen Arsenals Kader bietet, bevor es zu einem abschließenden Fazit kommt.
René Maric, www.abseits.at
Rene Maric
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