Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballprotagonisten aus allen Ligen. Diesen Sonntag adressieren wir unseren Brief an einen Salzburger Trainer, der derzeit in England wirkt …
Lieber Gerhard Struber!
„Wunder san selten genug, weil meistens nur Lug und Trug. […]“ ‑ so heißt es bei Ludwig Hirsch. Mittwochabend warst du – anlässlich des 2:1-Auswärtssieg des FC Barnsley – nicht nur Augenzeuge, sondern auch Vater eines wahren (Fußball)wunders. Wie Hirsch sagen oder singen würde: „Aber I kenn Wunder, unglaublich, aber wahr, wahrlich, die Wunder wirkst du […]“.
Seit November 2019 bist du jetzt Trainer des FC Barnsley. Davor hast du dich mit Wolfsberg in der UEFA Europa League gut geschlagen und standest mit den Kärntnern auf dem dritten Tabellenplatz. Nach nicht einmal fünf Monaten rief England. Du hattest wahrscheinlich gar nicht die Zeit zu jenem strahlenden Traineraspiranten zu werden, der sich erst bei einem Underdog verdient macht und dann zu einem heimischen Großklub wechselt. Heute kann man sagen: Gottseidank warst du nie ein Canadi oder Baumgartner. Es ging bei dir aber auch viel schneller als bei eben erwähnten Herren: Erst mit den Jungbullen im Youth League-Achtelfinale, dann ein paar erfolgreiche Monate im Lavanttal und ‑ nachdem einige Millionen Ablöse den Besitzer gewechselt hatten ‑ saßt du schon in den lauten Stadien der zweiten englischen Liga.
Du hast den richtigen Klub gewählt: In der Championship spielt man simplen aber effizienten Fußball. So wie in Kärnten bestehst du auch auf der Insel auf hohen persönlichen Einsatz und brauchst effektive Strategien, die mit kluger Physis umgesetzt werden müssen. Zwischen dir und Barnsley passt es wohl einfach.
Dein jüngster Erfolg wurde auch hier medial wahrgenommen, aber du scheinst zu jenen Menschen zugehören, die zwar auf Zack sind, aber nicht den Nimbus der Brillanz vor sich hertragen. Deswegen ist es umso schöner mitanzusehen, wie dir das glückliche Ende des Fußballkrimis zu Herzen ging. Ich spreche insbesondere von jenem emotionalen Interview, das du nach dem Sieg über Brentford gegeben hast. Weißt du, lieber Gerhard, gerade in einer Woche in der ein 29-jähriger Ex-Weltmeister seine Karriere beendet und traurige Bilanz über das Fußballbusiness gezogen hat („Entweder ist man Depp oder Held“), war dein Satz „I have such a big heart for those boys“ mehr als nur ein Kompliment an deine Mannschaft. Dieser Moment rührte nicht nur dich, sondern wohl alle, die ihn live oder später miterlebt haben. Sicher, Fußball ist ein Geschäft und jeder Trainer ist vorrangig für die sportliche Leistungsfähigkeit seiner Spieler zuständig, schließlich muss ein Coach für den Misserfolg auch persönlich einstehen. Doch aktuell wird der Spieler als Mensch missachtet um Klicks zu generieren, um Geld zu machen. Dagegen wird (noch) nicht kampagnisiert. Vielleicht wäre es an der Zeit. Wenn jemand ‑ wie du an diesem Mittwochabend ‑ seinen Gefühlen aber einfach freien Lauf lässt, ist das doch als unbewusster Gegenstrom zu kalten Business zu sehen. Es ist der Beweis dafür, dass Fußball immer noch ein Spiel ist, in dem Einsatz mit jenem Beitrag, den man leisten kann, honoriert wird.
Genieße den Erfolg, den du dir mehr als verdient hast! Das wünscht dir
Marie Samstag, abseits.at
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