Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballprotagonisten aus allen Ligen. Diesen Sonntag schicken wir unseren Brief an eine österreichische Spielerin des Arsenal FC…
Liebe Viktoria Schnaderbeck!
Gestern habe ich ein Interview mit dir in der Tageszeitung Der Standard gelesen. Es war ein informatives Gespräch und weil ich neugierig bin, habe ich anschließend auch die Kommentare in der Onlineversion der Ausgabe gelesen. Da musste ich wieder staunen. Eigentlich ging es mir dabei gar nicht gut: Ein harmloses Gespräch, in dem man viel über dich als Person erfährt, und die Internet-Hools schlagen sich in den nachfolgenden Postings teilweise die Köpfe ein.
Liebe Viktoria, viele User haben sich vor allem an deiner Aussage über die unmögliche Koexistenz von Mutterschaft und Fußballprofisport beschwert und – wie könnte es anders ein – an der Bundeshymnendiskussion gestoßen. Letzteres wundert mich überhaupt nicht. Du hast gesagt, die aktuelle Version von „Land der Berge“ sei bei euch im ÖFB-Team kein Thema: Im Frauenfußball gäbe es Wichtigeres zu besprechen. Das stimmt. Ich nehme es dir auch ab, dass ihr euch nicht um die „feminisierte“ Aufpolierung des uralten Textes schert. Das ändert nichts daran, dass ich den Eindruck habe, Frauen geben gerne klein bei. Sie wollen signalisieren, dass sie über den Dingen stehen. Sie wollen sich nicht unbeliebt machen. Frauen sind das schwächere Geschlecht – körperlich und sozial. Deswegen gibt frau sich gerne moralisch erhaben und tapfer. Als Einzelkämpferin. Ich kann das beurteilen, weil ich selbst oft so handelte/handle. Gleichberechtigung? Haben wir doch schon längst! Feminismus? Brauchen wir nicht mehr! Die Debatte um die Bundeshymne steht seit Jahren stellvertretend für diese Art von Meinung.
Die Fakten zur Gleichberechtigung sehen leider anders aus: Mögen der Gehalts-Gap oder Alleinerzieherinnen in der Armutsfalle noch „Luxusprobleme“ der westlichen Welt sein, haben in anderen Teilen unsres Planeten viele Frauen keinen Zugang zu Bildung, Gesundheit oder einem selbstbestimmten Leben. Manchmal haben sie nicht einmal die Chance auf ein Leben, wenn man betrachtet, wie viele weibliche Föten abgetrieben werden. Totale Rechtlosigkeit. Daran ist natürlich nicht die Bundeshymne schuld und die Einfügung des Wortes „Töchter“ ändert auch nichts an der Situation vieler Mädchen und Frauen. Ein solches Zeichen bedeutet aber, dass sich unsere Gesellschaft im Wandel befindet. Modern Times. Hier und da braucht es einen Kniff von außen, ein Signal, dass Frauen nicht mehr Menschen zweiter Klasse sind und man das auch so erkennen soll: Tausende Jahre Patriachat kann man eben nicht mir-nichts-dir-nichts in fünfzig Jahren einfach wettmachen.
Liebe Viktoria, du sprichst konkret eine Angelegenheit an, die keine wirkliche Beachtung gefunden hat, weil sie eben „nur“ Frauen(fußball) betrifft: Mutterschutz für Kickerinnen war lange kein Thema. Eine Lücke, die in der modernen Arbeitswelt mehr als peinlich ist. Und warum besteht diese so lange? Weil im Endeffekt die Sichtbarkeit von Frauen eine entscheidende Rolle spielt, liebe Töchter und Söhne!
Eine rasche Genesung und viel Erfolg weiterhin wünscht dir
Marie Samstag, abseits.at
Marie Samstag
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