City oder Liverpool? Wer veredelt eine außergewöhnliche Saison?
England 19.April.2019 Werner Sonnleitner 0
Das englische Titelrennen bittet zum finalen Showdown, die Premier League befindet sich im Endspurt der Saison 2018/19. Vorne liefern sich zwei Klubs einen hochkarätigen Zweikampf: Liverpool mit 84 und Manchester City mit 83 Punkten spielen bislang eine phänomenale Saison, doch am Schluss wird einer der beiden enttäuscht die Köpfe hängen lassen müssen. Wir können zwar nicht sagen wer am 12. Mai jubeln wird, doch wir können euch mit den Fakten, Trends und Informationen zum Titelrennen versorgen.
Die Ausgangslage bzw. Formkurve
Unser erster Blick geht auf die Ausgangslage in Zahlen, die schlussendlich zählen werden: die aus der Tabelle. So sieht es heute, vor dem 35. Spieltag aus:
1. | Liverpool FC | 34 | 26 | 7 | 1 | 77:20 | + 57 | 85 | |
2. | Manchester City | 33 | 27 | 2 | 4 | 86:22 | + 64 | 83 |
Liverpool steht zwar derzeit auf der eins, doch mit einem Spiel in der Hinterhand und der klar besseren Tordifferenz führen die Sky-Blues die Tabelle nach Verlustpunkten an. Doch dieses Nachtragspiel ist alles andere als eine „gmahte Wies‘n“, bleibt man ja da in der Stadt. Am kommenden Mittwoch geht es in den Old Trafford, wo die eingefleischten „Red-Devils“ supporttechnisch etwas dem Gefühlchaos verfallen könnten. Ebnet man da vielleicht dem unpopulären Stadtrivalen den Weg zum Meistertitel oder öffnet anderenfalls die Tür für den ebenso unbeliebten, jahrzehntelagen Konkurrenten und vormaligen Rekordmeister von der Merseyside.
Fixiert ist bereits, dass die „Reds“ und die „Sky Blues“ die ersten beiden Plätze am 12. Mai belegen werden. Zu groß ist die Lücke zu den ersten Verfolgern aus London und Manchester. Die Formkurve zeigt – zumindest in der Liga – bei beiden wieder steil nach oben, in den letzten fünf Meisterschaftsspiele gab es da wie dort nur Siege. Und „City“ feierte gar schon neun Premier-League-Dreier am Stück – hier die letzten zehn Spiele:
Liverpool: U-S-U-S-U-S-S-S-S-S
Manchester City: N-S-S-S-S-S-S-S-S-S
Aktuell teilt sich Manchester City mit diesen neun Dreiern en suite gemeinsam mit Liverpool die längste Siegesserie der Saison. Liverpool ist dagegen derzeit schon seit 13 Spieltagen unbesiegt. Bis zur Niederlage im direkten Duell Anfang des Jahres waren es sogar zwanzig.
Das Restprogramm
Liverpool FC | Spieltag | Manchester City |
Cardiff (A – 21.4.) | 35 | Tottenham (H – 20.4.) |
Nachtrag | Manchester United (A – 24.4.) | |
Huddersfield (H – 26.4.) | 36 | Burnley (A – 28.4.) |
Newcastle (A – 5.5.) | 37 | Leicester (H – 4.5.) |
Wolves (H – 12.5.) | 38 | Brighton (A – 12.5.) |
An der Anfield Road stehen noch zwei Meisterschaftsspiele am Programm. Bei den da anwesenden Gästen geht es sportlich um nicht mehr wirklich viel. Huddersfield ist bereits abgestiegen, das unangenehm zu bespielende Wolverhampton im Niemandsland der Tabelle. Doch zuvor steht noch ein unangenehmer, österlichlicher Nachmittagsausflug nach Wales am Programm. Dort hat Cardiff am Sonntag keine Geschenke zu verteilen, könnte man ja mit einem Sieg vielleicht sogar die Abstiegsränge verlassen. Rafa Benítez‘ Newcastle wird das Spiel der Runde 37, einzig für die Prämienzahlungen tangieren, sportlich geht es für die „Magpies“ da bestenfalls nur mehr um Tabellenkosmetik.
Bei Manchester City ist das Restprogramm dagegen etwas verschärfter. Die nächsten Tage werden wohl noch keine endgültige Vorentscheidung bringen, könnten aber durchaus richtungsweisend sein. Binnen fünf Tagen muss man nämlich gegen zwei Teams mit ernsten Champions League Ambitionen antreten. Gelingt am Samstagmittag gegen Tottenham die Revanche und gewinnt man dann unter der Woche das Derby bei United, stehen die Chancen auf eine erfolgreiche Titelverteidigung exzellent. Danach geht die Reise noch zu Burnley, dann kommt Leicester und zum Abschluss geht’s nach Brighton. Drei – für die „Citizen“ in der aktuellen Form – eigentliche Pflichtsiege.
Hinterlegt man das Restprogramm noch mit der aktuellen Tabellenlage, sprechen diese Zahlen pro Liverpool. Die Treffen noch auf Gegner mit einer aktuellen Durchschnitts-Tabellenposition von 15,3 und haben damit das am Papier sogar „leichteste“ Restprogramm aller zwanzig Teams. Die fünf vor der Brust liegenden Gegner von City liegen im Schnitt auf Rang 9,2.
Zusätzlich zum Ligaspielplan stehen bei Liverpool noch zwei Champions-League-Halbfinalduelle gegen Barcelona am Plan. Manchester City kann sich bis Saisonende nun voll auf die Liga konzentrieren und danach lebt dank dem FA-Cup-Endspiel die Chance auf das nationale „Triple“.
Der Kader – Stammspieler und Qualität auf der Bank
Kadertechnisch kommt es im Schlusssprint mehr denn je auf die Breite im Kader an. Neben der notwendigen Qualität am Rasen können frischere Backups von der Bank bedeutend sein, wenn nach der langen Saison die Beine der Leistungsträger schwerer werden.
Da sollte der amtierende Meister im Vorteil sein, wenngleich bei Liverpool die aufsteigende Formkurve einiger Schlüsselfiguren wie Henderson, Salah, Fabinho oder Keita Coach Jürgen Klopp mehr Optionen eröffnen. Bei Ausfällen wird es aber trotzdem kritisch, zu viele Stammspieler könnten eher nicht adäquat ersetzt werden. Bei Liverpool wird zwangsmäßig weniger rotiert, die Defensive und das Sturmtrio bekamen heuer kaum Verschnaufpausen. So starteten gleich 7 Spieler in mindestens 28 Meisterschaftsspielen, was belegt, dass Klopp bevorzugt auf einen bewährten Stamm zurückgreift. Hier hat Pep Guardiola mehr Optionen in der Hinterhand. So rotierte er während der Saison deutlich öfters und kann in der Regel gefühlt auf eine nominell prominent besetztere Bank zurückgreifen, was aber die Zahlen später gar nicht bestätigen werden.
Fakten, Fakten und noch mehr Fakten
Aus der Statistik-Datenbank haben wir auch noch ein paar Vergleiche gefischt. Liverpool und Alisson Becker halten bei 18 „zu null“ Partien. Sein Landsmann Ederson bejubelte im Tor der „Citizen“ 16-mal einen „Clean-Sheet“. Vorne netzten Mohamed Salah und Sergio Agüero jeweils 19-mal. Auch die Topvorbereiter sind mit Leroy Sané (10) und Andrew Robertson (9) quasi gleichauf. Wohlgleich „City“ in Summe über mehr torgefährliche Offensivspieler verfügt, weshalb es auch mit 86 Treffern um neun mehr als bei den „Reds“ gab.
Eine klare Überlegenheit spiegelt die Passstatistik, die sich Pep Guardiola traditionell nicht nehmen lässt. Mit 23.257 erfolgreichen Pässen führt man diese Statistik überlegen an. Zum Vergleich, Liverpool passte bislang 21.013-mal den Ball in den eigenen Reihen. Aus der Kategorie „unnützes Wissen“: 27.537-mal berührten die Roten laut den Premier League Statistikern in dieser Saison, 29.339-mal die Himmelblauen den Ball.
Und wie beeinflusste der Spielverlauf bislang die beiden Kontrahenten? Nach den 29 Führungen holte Liverpool ganze 26 Siege, City’ Bilanz ist mit 30/27 jeweils um eins höher. Dafür gab man auch drei Spiele komplett aus der Hand und verlor diese. Mehrmals Mentalität bewiesen die Klopp-Schützlinge nach Rückständen: So drehte Liverpool fünf von sieben Spielen, eins endete Remis. Beim vielleicht wichtigsten konnte man aber nicht mehr zurückkommen: im Jänner gegen die „Sky Blues“ setzte es die einzige Saisonniederlage. Die wiederrum, waren fünfmal hinten und verloren davon viermal, einmal reichte es noch zu einem Punkt.
Mentalität und Spielglück – späte Tore
„Wer diese Spiele gewinnt, wird Meister…“ lautet ein gern zitierte wie abgedroschene Fußballphrase nach einem spät fixierten Sieg. So wie die „Reds“ zuletzt gegen Tottenham, Southampton oder Fulham. Betrachtet man die ganze Saison hält Liverpool bei 21, City bei 12 späten Treffern in der Schluss-Viertelstunde. Aber dieser Vergleich wird etwas verzerrt: Manchester City ebnete den Weg zu den drei Punkten oft schon vorher und war deshalb auf die späten Tore weniger angewiesen. Rechnet man übrigens die Nachspielzeit weg, wäre Liverpool in einer Tabelle nach genau 90 Minuten schon vier Punkte vorne.
Aussagekräftig oder nicht, bei mehr als 30 Spielen besitzt die Masse doch eine gewisse Relevanz: Bei den „Expected Goals“ wird für jeden Schuss aufgrund einer riesigen Datenbank die theoretische Erfolgswahrscheinlichkeit beurteiltet. Da fehlte City scheinbar etwas das Spielglück oder die Kaltschnäuzigkeit, denn man hält zwar immer noch bei 80 Punkten (-3 zu den tatsächlichen). Doch Liverpool wäre in dieser – sehr, sehr theoretischen – Kategorie klar dahinter 75 (-10). Während die „laut Wahrscheinlichkeit erwartbare Tordifferenz“ bei den „Sky Blues“ fast auf das Tor genau die tatsächlichen 86 zu 22 wiederspiegelt, hätte Liverpool eigentlich theoretisch sieben weniger schießen (70) und sogar sechs mehr kassieren (26) müssen. Was in den Fußballersprech übersetzt so viel heißt wie: Vorne braucht man weniger aussichtsreiche Chancen um zu netzten und hinten klärt man mit Glück und Können auch vergleichsweise brenzligere Situationen.
Bei Elfmeterentscheidungen liegen beide Teams im Mittelfeld gleich auf – sowohl bei den erhaltenen als auch den verursachten Penalites. Riyad Mahrez setzte im im Herbst an der Anfield Road einen späten Elfer über die Latte, welcher City drei ganz wichtige Punkte gebracht hätte. Über Pech im Spiel dürfen sich beide zurecht beklagen: Liverpool hält bei 17, City bei 19 Lattentreffern. Nur Chelsea ist mit deren 21 ist da noch unglücklicher. Das Trainer-Duell um das Goldhändchen geht an Jürgen Klopp. Der wechselte in dieser Saison 97x und brachte dabei 10 Jokers bzw. sorgte für 14 Torbeteiligungen neu aufs Feld. Pep Guardiola jubelte über acht Tore eines eingetauschten Spielers und über zehn Beteiligungen.
Sonntag, 12. Mai – da Jubel, dort Tränen
Über die Ausgangslage und das Restprogramm haben wir ja schon gesprochen. Ziemlich wahrscheinlich ist, dass sich der zukünftige Meister auf der Zielgeraden wohl nicht viele Umfaller erlauben darf. Möglicherweise kann gar schon ein Punktverlust einer zu viel sein. Schlussendlich könnten für die „Reds“ sogar 97 Punkte zu wenig sein, falls beide ihre vier bzw. fünf Restpartien auch noch gewinnen sollten. Noch knapp einen Monat läuft die Saison, am späten Nachmittag des Muttertags werden wir es dann spätestens wissen. Wird an der Mersey die lang ersehnte, erste Meisterschaft seit 1990 gefeiert oder jubelt man bei den „Sky Blues“ zu den Klängen von „Hey Jude“ über den Titel vor den Mannen aus der Beatles-Stadt.
Werner Sonnleitner, abseits.at
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Werner Sonnleitner
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